EditorialNichts Ganzes und nichts Halbes – im Zweifel für staatliche Mietwohnungen

Editorial / Nichts Ganzes und nichts Halbes – im Zweifel für staatliche Mietwohnungen
Der „bail emphytéotique“ wird die Luxemburger Wohnungskrise nicht lösen können   Foto: Editpress-Archiv/Isabella Finzi 

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In Luxemburg ist man stolz auf den hohen Anteil der Einwohner, die in ihrer eigenen Wohnung leben. Im Jahr 2022 waren dies rund 70 Prozent – deutlich mehr als in Österreich (51 Prozent), Frankreich (63 Prozent) oder Deutschland (47 Prozent).

Die hohe Quote gilt als Zeichen eines gut verteilten Wohlstands. Für das Vermögen der einzelnen Haushalte spielt es hierzulande eine wesentliche Rolle, ob die eigene Wohnung gekauft oder gemietet wird: Wer sein Haus gekauft hat, hat später Studien zufolge deutlich mehr Vermögen als der, der sich für die Miete entschieden hat.

Als der Kauf des Eigenheims, mit den immer weiter steigenden Preisen, immer unerschwinglicher wurde, kam vor Jahren dann die Idee des „bail emphytéotique“ (Erbpachtvertrag) auf. Dabei handelt es sich um einen langfristigen Miet- oder Pachtvertrag (27 bis 99 Jahre). Der Erbpächter erhält gegen eine Zahlung das Nutzungsrecht an einer Immobilie oder einem Grundstück. Um „bezahlbaren Wohnraum“ zu schaffen, wird das System mittlerweile ganz intensiv genutzt.

Im Gegensatz zu einem gewöhnlichen Mietvertrag gibt der „bail emphytéotique“ dem Käufer die Sicherheit, dass er während vieler Jahre in der Wohnung bleiben kann. So richtig wie ein Besitzer fühlen kann er sich trotzdem nicht. Auf der Webseite des „Fonds du logement“ ist beispielsweise zu lesen, dass der Käufer sich verpflichten muss, die Räumlichkeiten während der gesamten Laufzeit des Erbpachtrechts als Hauptwohnsitz zu bewohnen, und dass er keine Außenarbeiten ohne vorherige Genehmigung durchführen darf.

Hinzu kommt, dass der Fonds sich während der gesamten Laufzeit des Erbpachtrechts ein Vorkaufsrecht für den Fall vorbehält, dass die Immobilie verkauft wird. Der Preis, den der „Fonds du logement“ im Fall eines Vorkaufsrechts zahlen muss, entspricht dem Preis, den der Käufer ursprünglich an den Fonds gezahlt hat, zuzüglich des Baukostenindex und abzüglich von eventuellen Wertverlusten von der Nutzung der Immobilie.

Ein fetter Gewinn, wie viele Immobilienkäufer es auf dem freien Markt gewohnt sind, fällt damit wohl nicht an. Es wird kein Vermögen aufgebaut. Während „echte Besitzer“ ihre Immobilien weitervererben können und von Wertsteigerungen profitieren, ist dies bei der Erbpacht nicht der Fall. Es handelt sich demnach eher um die Illusion eines Besitzes. Das System wird damit, über Jahrzehnte, die Ungleichheiten im Lande erhöhen: zwischen Besitzern und Schein-Besitzern.

Auch für den Staat stellen sich viele Fragen: Hätte er mit dem gleichen Geld Mietwohnungen gebaut, dann hätte er mittlerweile deutlich mehr Wohnungen zur Verfügung und könnte mit höherer Flexibilität auf Bedürfnisse reagieren. Im Falle von gut verwalteten Mietwohnungen könnte der Staat so etwa ein Haus nach dem Auszug der Kinder für eine neue bedürftige Familie nutzen und dem einstigen Mieter eine kleinere Wohnung anbieten.

Gerade in einem Land, das – verglichen mit anderen europäischen Ländern – nur relativ wenig Wohnraum zum ermäßigten Vermieten zur Verfügung hat, stellt sich somit die Frage, ob eine Regierung nicht besser beraten wäre, die verfügbaren Mittel verstärkt für Mietwohnungen einzusetzen. Rund elf Prozent der Luxemburger zahlen vergünstigte Mieten für ihre Wohnung – in den Niederlanden, Frankreich und Österreich ist die Quote hingegen näher bei 20 Prozent. Das hilft zwar nicht beim Aufbau von Kapital, es verringert aber den Druck auf die Bedürftigen.

liah1elin2
17. November 2023 - 19.08

@Leila All die von Ihnen erwähnten Argumente des Mietens kann ich bestätigen, habe mein ganzes Leben zur Miete gewohnt. Vor allem in der Schweiz, dem Land der Mieter mit ca 80%. Jederzeit wegziehen zu können und flexibel zu sein, ob beruflich oder privat, hat enorme Vorteile. Doch je nach Land und Mentalität wird das unterschiedlich gesehen, in Luxemburg hat Haus- oder Wohnungseigentum einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert.

Leila
14. November 2023 - 15.23

Zur Miete wohnen hat durchaus seine Vorteile: Keine jährlich wiederkehrenden, gähnend langweiligen Eigentümerversammlungen mit zuweilen Leuten, die man lieber von hinten sieht, keinen Ärger mit der Hausverwaltung, keine kostspieligen Reparaturen, keine säumigen Mieter. Will man Kleinigkeiten verändern, muss auch der Eigentümer das Einverständnis aller anderen haben. Hat man keine gute Nachbarschaft, ist ein Umzug kompliziert (Verkauf der Immobilie, neue finden). Ist man alt und krank, geht das Eigentum verloren (ans Pflegeheim und die Kinder schauen in die Röhre). Von alledem ist der Mieter verschont! Einziger Vorteil als Eigentümer: keine Kündigung, keine Mieterhöhung! Es ist noch lange nicht alles Gold, was glänzt!