Freitag24. Oktober 2025

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Nicht gleich in Panik verfallen

Nicht gleich in Panik verfallen

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Andy und Frank Schleck zählen nach dem ersten Tour Wochenende bereits eine halbe Minute und mehr Rückstand auf den Tourfavoriten Nummer eins, Alberto Contador. Fabian Cancellara gewann den Prolog, Alessandro Petacchi die erste Etappe in Brüssel.

Aus Brüssel berichten „T“-Redakteur Kim Hermes (khe) und „T“-Radsport-Experte Petz Lahure (P.L.)

Das Saxo-Bank-Team hat bei der 97. Tour de France zwar sein erstes Ziel erreicht, das zweite dagegen verpasst. Im „Maillot jaune“ fährt – und das ist beileibe keine Überraschung, sondern war so erwartet worden – der Schweizer Fabian Cancellara, der beim Prolog niemandem eine Chance ließ und mit einem Durchschnitt von verrückten 53,4 km/h über die gegen Ende des Rennens noch nicht ganz trockenen Straßen Rotterdams raste.

„Ich habe meinen Körper während zehn Minuten auf 110 Prozent gepusht und das Beste aus mir herausgeholt. Das Wetter war von großer Bedeutung. Ich hatte Glück und traf den richtigen Entscheid“, sagte der Zeitfahren-Olympiasieger, der schon 2004 in Liège, 2007 in London und letztes Jahr in Monte Carlo zum Auftakt der „Grande Boucle“ siegte.
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Wie lange er das „Maillot jaune“ tragen darf, ist vorerst nicht abzusehen. „Ich habe Spaß an diesem Trikot“, sagte „Canci“ gestern Abend nach der von Stürzen überschatteten Ankunft von Brüssel. „Wir sind hier bei der Tour de France, darum ist es mein Ziel, auch mit dem gelben Leibchen in Frankreich einzufahren.“

„Cancis“ Aufgabe

Heute steht zwischen Brüssel und Spa eine Miniaturausgabe von Liège-Bastogne-Liège auf dem Programm, morgen gibt es die verrückte Etappe über die Kopfsteinpflaster Belgiens und Nordfrankreichs. Dabei obliegt Cancellara auch die Aufgabe, die Schlecks heil ins Ziel zu bringen und auf den 13,2 km „Pavés“ einen Vorsprung gegenüber Alberto Contador herauszufahren. Und da wären wir auch schon beim springenden Punkt. Frank und Andy Schleck haben am ersten Tag der Tour mehr Zeit auf die Hauptfavoriten eingebüßt als ihnen lieb sein dürfte. Frank Schleck war 35 Sekunden langsamer als Lance Armstrong, den er beim Zeitfahren von Liestal noch geschlagen hatte. Auf Alberto Contador verlor der Ältere der Schleck-Brüder genau eine halbe Minute.

Andy Schleck traf es noch schlimmer. Der neue Zeitfahrmeister brauchte für die Strecke 12“ mehr als sein Bruder, was gleichbedeutend ist mit einem Rückstand von 47“ auf Armstrong und 42“ auf Contador. 42“ auf nur 8,9 km, das ist eine halbe Ewigkeit. Frank und Andy dürfen zwar als Entschuldigung anführen, dass sie auf die Strecke mussten, als die Straßen noch klitschnass vom Regen waren, doch erklärt das nicht alles.

Es hat wirklich keinen Zweck, jetzt gleich den Taschenrechner zur Hand zu nehmen und den möglichen Rückstand der beiden auf einer Distanz von 51 km (Zeitfahren am zweitletzten Tourtag) hochzurechnen. Man sollte vielmehr kaltes Blut bewahren und nicht in Panik verfallen. Die Tour 2010 ist noch lange nicht gefahren, sie hat eben erst begonnen.

Landis’ Schatten

Andy und Frank Schleck werden noch viele Gelegenheiten bekommen, sich für die durchwachsenen Leistungen des Prologs zu revanchieren. Dasselbe gilt auch für Sprinter wie Marc Cavendish oder Oscar Freire, die ihre Chancen gestern nicht verteidigen konnten, weil sie rund 1.500 m vor dem Ziel in Brüssel in einen Sturz verwickelt wurden.

Auf den letzten Kilometern war das Rennen übrigens so nervös, dass viele Fahrer Bekanntschaft mit dem Boden machten. Am Ende kamen auf der leicht ansteigenden Zielgeraden nur mehr einige Konkurrenten für den Etappenerfolg in Frage. Es siegte der Italiener Alessandro Petacchi (Lampre) vor dem Australier Mark Renshaw (Columbia), dem Norweger Thor Hushovd (Cervélo) und dem Australier Robbie McEwen (Katusha). Alberto Contador (48.), Lance Armstrong (55.), Andy Schleck (117.) und Frank Schleck (118.) trafen mit dem „zerstückelten“ Peloton ein. Alle Fahrer wurden in derselben Zeit klassiert, da die drei Massenstürze weniger als 3 Kilometer vor dem Ziel stattfanden.

Für Lance Armstrong wird seine letzte Tour de France übrigens zum Spießrutenlauf. Neue Doping-Anschuldigungen seines Ex-Teamkollegen Floyd Landis im Wall Street Journal brachten ihn in Erklärungsnot. Der Radio-Shack-Leader blieb seiner Devise treu und konterte die Vorwürfe mit Zweifel an der Integrität von Landis. „Seine Glaubwürdigkeit ist wie eine Tüte saurer Milch: Hast du den ersten Schluck genommen, brauchst du den Rest nicht trinken, um zu wissen, dass alles schlecht ist“, so Armstrong. Mehr dazu: Seite 36.

P.L.