Fitness in der PandemieNeue (alte) Trainingsgewohnheiten beim Fitnessbesuch, Outdoor-Workout und Co.

Fitness in der Pandemie / Neue (alte) Trainingsgewohnheiten beim Fitnessbesuch, Outdoor-Workout und Co.
Trotz Corona-Regelungen und schlechtem Wetter sind Outdoor-Workouts weiterhin gut besucht Foto: Editpress/Tania Feller

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Während des Lockdowns mussten Sportbegeisterte ihre Workouts nach Hause verlegen, fernab von Live-Coaching, Gruppentraining und Co. Mittlerweile hat sich der Alltag in Luxemburgs „Muckibuden“ wieder etwas eingependelt, auch wenn die erlaubten Kursteilnehmerzahlen drastisch gesunken sind. „Aform“-Besitzer Jeff Paulus, „Moving Forward“-Outdoor-Coach Christophe Tironi und Calisthenics-Begeisterter Marc Roger berichten, wie die Krise die Sportgewohnheiten in Luxemburg beeinflusst hat, und verraten, weshalb von „Corona-Trends“ eigentlich keine Rede sein kann.

Aus dem Hamsterrad hinaus und rein ins Ungewisse, so in etwa beschreibt „Aform“-Manager Jeff Paulus die Zeit seit Corona. Für den Fitnesscoach hat sich so einiges geändert, denn Lockdown und Wiedereröffnung haben im Studio Spuren hinterlassen. „Am Anfang war die Situation extrem seltsam. Sonntags habe ich beschlossen, das ,Aform‘ zu schließen, und montags dann wurde von der Regierung die offizielle Schließung aller Betriebe verkündet. Ich musste mich dann erst mal damit beschäftigen, was für uns und unsere Kunden das Sinnvollste wäre“, so der 37-Jährige. Seit neun Jahren betreibt Paulus das Fitnesscenter in Sanem, Krisen hat der Sportler schon zahlreiche überstanden. „Als Selbstständiger erlebt man jedes Jahr zwei bis drei Krisen, das ist vielleicht ein Vorteil in der aktuellen Situation“, so Paulus.

Dennoch ist die Pandemie mit nichts zu vergleichen, was der Studioinhaber bislang erlebt hat und die Zukunft seines Fitnessstudios bleibt ungewiss. „Der September war unter Gänsefüßchen ein guter Monat. Dieses Jahr haben wir quasi nur im Januar, Februar und September Geld verdient und alles steht auf der Kippe. Jetzt gilt es zu sehen, ob wir es schaffen oder eben nicht.“ Die anfängliche Panik vor der Schließung hat bei Paulus jedoch nicht lange angehalten und auch jetzt bleibt er optimistisch, denn aufgeben wurde er im Sport nie gelehrt. „Nach einiger Zeit im Lockdown habe ich angefangen, Online-Trainingsessions anzubieten. Ich habe mich zwar immer dagegen gesträubt, aber plötzlich wurde dies zu einer Lösung“, meint der 37-Jährige. Auf Basis von Spenden zeigte Paulus seinen Kunden während der Monate der Schließung die üblichen Übungen, angepasst für Zuhause. Feste Einnahmen gab es von März bis Mai nicht, denn anders als herkömmliche Fitnessstudios funktioniert „Aform“ nicht mit Abos und Verträgen, sondern über die Zahlung pro besuchtem Kurs.

Seit 2011 betreibt Jeff Paulus das „Aform“ in Sanem und muss derzeit um das Überleben seines Studios kämpfen
Seit 2011 betreibt Jeff Paulus das „Aform“ in Sanem und muss derzeit um das Überleben seines Studios kämpfen Foto: Editpress/Tania Feller

Ein zweites Standbein aufbauen

Die Kurse haben zwar seit Juni wieder angefangen, doch Paulus will künftig auch weiterhin auf Coaching via Internet setzen: „Ich habe relativ schnell beschlossen, ein Online-Programm zu starten, das in ein paar Wochen gelauncht werden soll. Wir werden eine Plattform schaffen mit einer Online-Bibliothek an Trainingseinheiten, mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden und Intensitäten.“ Die Covid-Krise habe gezeigt, wie fragil die Fitnessbranche ist, die Auswirkungen spürt Paulus bis ins eigene Privatleben. Die Plattform soll helfen, dem Studio ein weiteres Standbein zu geben, das stabiler ist und nicht so schnell ins Wanken gerät. Bis es allerdings so weit ist, heißt es vor Ort weitertrainieren, denn mit der Wiedereröffnung hat auch die Kundschaft ihren Weg zurück ins Zentrum gefunden. „Es haben sich einige Dinge geändert, vor allem die Klientel“, berichtet der 37-Jährige. Manche sind dem Studio treu geblieben, andere haben sich vom Training zurückgezogen und es gibt auch das ein oder andere neue Gesicht in Sanem.

Die Leute müssen verstehen, dass es nicht darum geht, mehr Geld zu verdienen. Ich will den Betrieb am Leben erhalten und um dies zu tun, muss ich ein Loch füllen, das eigentlich nicht zu füllen ist

Jeff Paulus, Inhaber von „Aform“

Generell sind die Kurse jedoch weitaus weniger gut besucht als vor dem Lockdown und auch die Anzahl der erlaubten Teilnehmer ist auf maximal zwölf gesunken. „Sonst fanden die Trainings immer ab einem Minimum von fünf Leuten statt, im Sommer haben wir diese Zahl allerdings auf eins runtergeschraubt, denn wir sind froh über jeden, der kommt“, so Paulus. Sogenanntes „Circle Training“ mit wechselnden Stationen gibt es aktuell nicht mehr, Personal Training im Eins-zu-eins-Stil liegt wieder mehr im Trend und aus den sonst gut besuchten Gruppenkursen wird wohl demnächst eine Mischform namens „Small Group Training“ werden, mit maximal vier Teilnehmern. „Wir haben unser Angebot der Situation angepasst, denn was vorher unser Hauptstandbein war, ist nun komplett weggebrochen“, sagt der Manager. Dennoch wolle man Corona, so gut es geht, draußen lassen, denn einer der zentralen Werte von „Aform“ lautet Gemeinschaft. „Die Leute kommen in ihrer Freizeit her und wollen eine gute Zeit verbringen. Wir haben Glück, dass unsere Kundschaft enorm verantwortungsvoll mit der Lage umgeht, sodass wir ihnen vollstes Vertrauen bei der Beachtung der vorgegebenen Maßnahmen schenken können und Covid bewusst nicht thematisieren müssen.“

Einmal „all in“ gehen

Teilweise weniger verständnisvoll zeigen sich hingegen die Reaktionen auf die Erhöhung der Preise von „Aform“. Während das Studio seit seiner Eröffnung nie an den Kursgebühren rücken musste, war der Wechsel von 12 zu 15 Euro pro Kurs nun ein notwendiges „Übel“, um das Fitnesszentrum weiterhin finanziell über Wasser zu halten. „Die Leute müssen verstehen, dass es nicht darum geht, mehr Geld zu verdienen. Ich will den Betrieb am Leben erhalten und um dies zu tun, muss ich ein Loch füllen, das eigentlich nicht zu füllen ist“, so Paulus.

Es bleibt zu sehen, ob sich das Krisenkonzept des Studios bei der Kundschaft bewährt. Doch Paulus kennt die Regeln des Spiels, denn seine Arbeit zu hinterfragen und sich stets neu zu erfinden, ist er schon sein ganzes Leben gewohnt: „Ich war auch schon vor Corona jemand, der immer versucht hat, ein ‚early adaptor‘ zu sein. Das war schon 2011 so, als ich anfing, funktionales Training anzubieten, was zu der Zeit noch keiner in Luxemburg tat.“ Genau aus diesem Gedanken heraus hat der „Aform“-Manager auch nicht wie andere während des Lockdowns Personal abgebaut, sondern prompt eine neue Trainerin eingearbeitet – Einnahmen gen null hin oder her. „Ich bin ,all in‘ gegangen“, meint der 37-Jährige lachend. Für die kommenden Monate gelte es nun herauszufinden, ob Gruppenkurse noch zeitgemäß sind oder aber der Trend wieder in Richtung Personal Training geht, in dem Paulus eigentlich zu Hause ist. „Es stehen viele Fragen offen, auf die keiner eine Antwort weiß. Für mich steht das Studio bis Ende des Jahres auf dem Prüfstand und es wird sich zeigen, ob und wie wir aus der Krise herauskommen.“  

Motivation trotz Platzregen

So wirklich wieder ins Rollen kommen mussten Outdoor-Vereine im Gegensatz zu Fitnessstudios nach dem Lockdown nicht. Während beim Betreten von geschlossenen Räumen mit schweißgetränkten Sport-Shirts im Sommer so mancher wohl noch Schnappatmung bekam, stellte sich das Workout unter freiem Himmel für viele als Covid-freundliche Alternative heraus. Dennoch hat sich auch hier zu Beginn der Exit-Phase so einiges verändert, wie Christophe Tironi von „Moving Forward“ verrät: „In einer ersten Phase sind wir wieder back to basics gegangen, sprich Training nur mit dem eigenen Körpergewicht und gänzlich ohne Material.“ 60 Minuten Workout rein mit dem, was Mutter Natur dem Mensch in die Wiege gelegt hat – oder wie der Trainer es formuliert: „Kommen, eine Stunde mit nichts sterben, glücklich wieder gehen.“

Seit 2016 existiert das Outdoor-Fitness-Angebot von Christophe Tironi, Andy Liegeois und Nicolas Stringaro als Untergruppe des „Cercle athlétique Belvaux“, entstanden ist die Einheit durch einen spontanen Internetaufruf. „An einem verregneten Tag im November haben Andy und ich uns hier auf der Leichtathletikpiste getroffen, um zu trainieren, und auf Facebook gepostet, ob sich uns jemand anschließen will. Es ist natürlich wegen des Regens keiner gekommen, aber unser Foto hat dann für Aufmerksamkeit gesorgt.“ Ein ungezwungenes Workout unter Freunden, gespickt mit der nötigen Portion Professionalität seitens der Trainer – ein Konzept, das auch im Corona-Jahr zu funktionieren scheint. Trotz Hundewetter stehen am Montagabend 21 motivierte Sportfans auf der Piste und warten auf die Anweisungen ihres Trainers. Nach 18-minütigem Warm-up folgt ein Workout im Dreier-Team, fast so, als wäre nie etwas gewesen.

Die Sicherheit frischer Luft

„Anfangs waren wir sehr strikt beim Training und es durften nur jeweils neun Personen teilnehmen. Wir haben über Doodle ein neues Anmeldesystem eingeführt, aber schon nach einigen Minuten waren die Kurse voll und die Leute fingen an, sich zu beschweren“, sagt Tironi. Trotz Versuche der Coaches, mehr Termine anzubieten, um jedem die Chance auf Training zu ermöglichen, war der Andrang zu groß für das Pensum des Trios. Die Lockerungen seitens der Regierung kamen so für „Moving Forward“ wie gerufen, auch wenn weiterhin mit aufgezeichneten Arealen und Distanz gearbeitet werden musste. Mittlerweile dürfen sich die Sportler wieder frei bewegen, schließlich ist man ja draußen an der frischen Luft. Und auch wenn nicht die 40 bis 50 Teilnehmer vom vergangenen Sommer anwesend sind, hat sich für die Trainer in Sachen Klientel quasi nichts geändert. „Es ist gefühlt eher noch mehr geworden. Sonntags posten wir immer den Link zur Anmeldung und eine knappe Stunde darauf sind die Kurse bereits voll, da wir uns aktuell auf 20 Teilnehmer beschränken müssen“, sagt Tironi.

Es habe sich eine regelrechte Tauschbörse gebildet, Kunden aus anderen Klubs oder regulären Fitnessstudios wurden allerdings nicht angelockt: „Ich denke, es gibt den Leuten eine gewisse Sicherheit, dass wir draußen trainieren. Trotz einiger neuer Mitglieder ist aber niemand dazugestoßen, der jetzt nicht mehr ins Fitnessstudio geht, man kann also nicht sagen, dass die Leute bei uns Zuflucht suchen.“ „Moving Forward“ sei halt bereits vor Corona zu einer „kleinen Institution im Süden“ des Landes geworden und die Kundschaft bleibt ihrer Truppe treu – auch bei Gewitter, Regen und Eiseskälte. „Wir trainieren 365 Tage im Jahr, denn auch wenn jeder die Übungen eigentlich bei sich  zu Hause tun könnte, motiviert es einfach mehr in der Gruppe“, meint Tironi.

Andy Liegeois und Christophe Tironi (v.l.n.r.) engagieren sich neben ihrem Beruf als Coaches bei „Moving Forward“
Andy Liegeois und Christophe Tironi (v.l.n.r.) engagieren sich neben ihrem Beruf als Coaches bei „Moving Forward“ Foto: Editpress/Tania Feller

Das Training an Stangen

Dem kann auch Marc Roger nur zustimmen. Der 23-Jährige verbringt einen Großteil seiner Freizeit mit Sport, während des Lockdowns hat er eine ganz besondere neue Leidenschaft entdeckt: Calisthenics. „Vor Corona bin ich ein Jahr lang drei- bis viermal die Woche ins Basic Fit gegangen und habe dort mit einem Kumpel an den Geräten trainiert. Durch eine Bekannte von ihm bin ich auf den Outdoor-Fitness-Park in der ‚Péitruss‘ gestoßen und habe so Calisthenics kennengelernt“, verrät Roger. Im Gegensatz zum Workout im Fitnessstudio wird bei der Sportart, die auf Übungen mit dem Eigengewicht basiert, in der Gruppe trainiert. „Das motiviert einen viel mehr, als alleine im Studio Gewichte zu stemmen. Außerdem braucht man für Calisthenics nur ein paar Stangen, an denen man sich hochheben kann, und mittlerweile gibt es in Luxemburg eine ganze Reihe an Orten, an denen man solche findet“, so der 23-Jährige.

Er selbst habe seine Gewohnheiten zwar nicht wegen Corona umgestellt, dennoch sind die neuen Regelungen in den Fitnesszentren oft unpraktisch. „Bei Basic Fit läuft mittlerweile alles über Reservierungen und man darf nur zwei Stunden trainieren. Ich gehe deswegen meist erst abends gegen 22 Uhr, da nicht viele Stangen im Studio sind und diese am Tag dauernd besetzt sind.“ Das schlechte Wetter zieht den jungen Sportler trotz seiner Präferenz für Outdoor-Workouts aktuell wieder vermehrt ins Trockene und hier sieht er persönlich keine Veränderung in der Klientel: „Die Leute, die vor zwei Jahren bereits dort trainiert haben, sind auch jetzt wieder da, egal welche Altersklasse.“ Wer Sport liebt, der finde halt auch während der Krise einen Weg, um weiterhin fit bleiben zu können. Denn egal ob in- oder outdoor: Sport lässt sich zwar auch zu Hause vor dem Computer-Bildschirm machen, doch den wahren „Push“ erhält man eben doch eher dort, wo Coach, Trainer oder Kumpel einen live und in Farbe motivieren können.