Montag27. Oktober 2025

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KosovoNach Sprengstoffanschlag: Wer terrorisiert wen auf dem Amselfeld?

Kosovo / Nach Sprengstoffanschlag: Wer terrorisiert wen auf dem Amselfeld?
Ein kosovarischer Polizist steht Wache am Ort des Geschehens Foto: AFP/Armend Nimani

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Ein mysteriöser Sprengstoffanschlag auf einen Kanal hat Kosovos Strom- und Wasserversorgung hart getroffen – und für neuen Nachbarschaftskrach mit Serbien gesorgt. Pristina und Belgrad beschuldigen sich gegenseitig – bisher ohne Beweise. Zumindest innenpolitisch kommt der eskalierende Clinch beiden Seiten gelegen.

Für Kosovos Außenministerin Donika Gervalla sind die Drahtzieher des mysteriösen Sprengstoffanschlags auf den Iber-Lepenci-Kanal bereits ausgemacht: Serbien habe mit der Attacke auf die „Infrastruktur eines demokratischen Staates“ die russische Strategie in der Ukraine „kopiert“.

Die Verbindungen Belgrads zu paramilitärischen „Terrororganisationen“ in Nordkosovo sowie die bisherigen Ermittlungen und Verhaftungen deuteten auf „ausländische Akteure“, wittert auch Kosovos Premier Albin Kurti die Drahtzieher des Anschlags in Belgrad. Ziel der Attacke sei es gewesen, den Staat Kosovo in die Knie zu zwingen und mit der Unterbrechung der Strom- und Wasserversorgung eine „humanitäre Katastrophe“ zu verursachen, ist Verteidigungsminister Ejup Maqedonci überzeugt.

Seit eine Sprengstoffdetonation im überwiegend serbisch besiedelten Nordkosovo am vergangenen Freitag bei Zubin Potok einen klaffenden Riss im Betonbett des vom Trinkwasserreservoir „Gazivoda“ gespeisten Kanals gebildet hat, ist nicht nur die Trinkwasserversorgung und Stromerzeugung des seit 2008 unabhängigen Staatenneulings beeinträchtigt: Seit Tagen überziehen sich die unwilligen Nachbarn Serbien und Kosovo wieder einmal mit gegenseitigen Terrorvorwürfen.

Pristina verweist dabei auch auf die blutigen Schießereien von serbischen Freischärlern 2023 in Nordkosovo, deren von Belgrad protegierter Anführer von Serbien noch immer nicht an Kosovos Justiz ausgeliefert worden sei. Serbiens allgewaltiger Präsident Aleksandar Vucic weist die Vorwürfe derweil empört zurück, fordert eine internationale Untersuchung – und klagt über den „Terror“ der Kosovo-Polizei gegenüber der serbischen Zivilbevölkerung.

Gleichzeitig deutet Vucic an, dass möglicherweise Pristina selbst hinter dem Anschlag stehe, der Serbien diskreditieren solle: „Ich sage nicht, dass Kurti direkt den Anschlag angeordnet hat, aber wir haben bestimmte Zweifel. Dies ist der Versuch eines hybriden Anschlags auf Serbien.“

Laut Belgrader Lesart will sich Kurti rechtzeitig vor Kosovos Parlamentswahlen im Februar gegenüber seinen albanischen Landsleuten auf Kosten der serbischen Minderheit als starker Mann profilieren – und mit seinen Terrorvorwürfen die allerdings ohnehin völlig festgefahrenen EU-Beitrittsverhandlungen Serbiens torpedieren. Pristina wiederum wirft Serbien derweil vor, gemeinsam mit Moskau den von Belgrad noch immer nicht anerkannten Kosovo mit dem Anschlag erneut destabilisieren zu wollen.

Ablenkung von Korruptionsvorwürfen

Bisher haben die hektischen Ermittlungen der kosovarischen Justiz bis auf beschlagnahmte Flinten und Abzeichen noch keine konkreten Beweise für die von Pristina behauptete Beteiligung Belgrads oder Hinweise auf den Täter erbracht: Fast alle der zunächst als Verdächtigte verhafteten Kosovo-Serben sind wieder auf freiem Fuß. Washington wisse noch nicht, wer hinter dem Anschlag stehe, vermied auch US-Botschafter Jeffrey Hovenier in Pristina in dieser Woche jede Schuldzuweisung.

Doch egal, welcher Geheimdienst hinter dem Anschlag steht: Die durch den Anschlag angerichteten Schäden haben Kosovo-Albaner und Serben gleichermaßen auszubaden. Zumindest innenpolitisch wissen die unversöhnlichen Dauerstreithähne den Anschlag aber auch zu nutzen.

Serbiens Regierungspresse dienen die kräftig von ihr mit geschürten Spannungen mit Pristina als willkommener Blitzableiter, um von den lästigen Korruptionsvorwürfen und Dauerdemonstrationen wegen der 15 Todesopfer beim Einsturz des Vordachs im neu renovierten Bahnhof von Novi Sad abzulenken. Mit den massiven Polizeiaufmärschen im Nordkosovo kann derweil auch Vorwahlkämpfer Kurti von Kosovos mieser Wirtschaftslage ablenken – und wieder einmal den festen Fels gegenüber dem Erzfeind Serbien mimen.