Sonntag26. Oktober 2025

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Ukraine-Gipfel am SonntagNach Eklat im Weißen Haus wächst die Ungewissheit für die Ukraine und Europa

Ukraine-Gipfel am Sonntag / Nach Eklat im Weißen Haus wächst die Ungewissheit für die Ukraine und Europa
Der ukrainische Präsident, Wolodymyr Selenskyj, spricht während eines Interviews mit FOX News in Washington Foto: Jose Luis Magana/AP/dpa

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US-Präsident Donald Trump hat den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in einem Treffen scharf attackiert. Das geplante Rohstoffabkommen scheiterte. Die Folgen für Europa und die Ukraine dürften gravierend sein.

Das harte Wortgefecht zwischen US-Präsident Donald Trump, dessen Vize JD Vance und dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus in Washington hat weltweit für Fassungslosigkeit gesorgt. Nach dem beispiellosen Eklat ist der weitere Weg für die Ukraine ungewisser denn je und auch für die europäischen Verbündeten dürfte das Scheitern des eigentlich als Termin für die Unterzeichnung eines Rohstoffabkommens angekündigte Treffen weitreichende Folgen haben.

Vor der Weltöffentlichkeit gerieten Trump und Selenskyj am Freitag im Oval Office des Weißen Hauses heftig aneinander. Sekundiert von seinem Vizepräsidenten warf Trump dem ukrainischen Staatschef fehlende Dankbarkeit für die US-Militärhilfe und Respektlosigkeit vor. Selenskyj verließ das Weiße Haus im Streit, wobei er quasi vor die Tür gesetzt wurde. Das Rohstoffabkommen war geplatzt.

Während über den konkreten Inhalt des Abkommens wenig bekannt wurde, war jedoch klar, dass Sicherheitsgarantien der USA – für die Ukraine eine unabdingbare Voraussetzung – darin nicht vorgesehen waren. Trump sah in dem Abkommen vielmehr eine seinem Land zustehende Gegenleistung für von Washington bereits geleistete Militärhilfe.

Kalkulierte Absicht, Selenskyj öffentlich bloßzustellen?

Für Selenskyj war die Reise nach Washington somit von vornherein ein Gang nach Canossa. Als Vizepräsident Vance ihm dann Undankbarkeit und Respektlosigkeit gegenüber den USA vorwarf, entlud sich die Frustration auf beiden Seiten. „Er kann wiederkommen, wenn er bereit ist für Frieden“, erklärte Trump nach dem Treffen.

Sein Vize Vance hatte sich einmal mehr als Scharfmacher präsentiert. Nach dem Eklat stellte nicht nur Selenskyj die ungewöhnliche Anwesenheit des Vizepräsidenten bei dem Treffen im Oval Office infrage: „Bei allem Respekt vor dem Vizepräsidenten, ich meine, er hat seine (eigenen) Interviews“, sagte der ukrainische Präsident dem Sender Fox News.

Ob es die kalkulierte Absicht des US-Präsidenten und seines Vizes war, das ukrainische Staatsoberhaupt öffentlich bloßzustellen, oder ob schlicht die Sicherungen durchbrannten, bleibt eine offene Frage. Die Delegitimierung des für seinen unnachgiebigen Widerstand gegen die russische Invasion bekannten Selenskyjs hätte jedenfalls in Moskau nicht besser geplant werden können. Trumps Vorwurf, Selenskyj spiele mit dem Leben von Millionen von Menschen und der Gefahr eines Dritten Weltkrieges, entsprach der vom Kreml propagierten Schuldumkehr im russischen Angriffskrieg.

Drohender US-Rückzug aus der Ukraine

Trump und Vance hätten „Putins Drecksarbeit“ erledigt, kommentierte der Vorsitzende der Demokraten im Senat, Chuck Schumer. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD), sagte dem „Tagesspiegel“, der russische Präsident Wladimir Putin und andere autoritäre Herrscher dürften nun jubilieren.

Die Reaktionen auf den Eklat lassen erkennen, dass die Folgen für die Europäer tiefgreifend sein könnten. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas forderte einen „neuen Anführer“ für die freie Welt. „Es liegt an uns Europäern, diese Herausforderung anzunehmen.“ Staats- und Regierungschefs aus Europa bekräftigten noch in der Nacht auf allen Kanälen ihre Unterstützung für die Ukraine.

Auch auf dem Schlachtfeld in der Ukraine könnten sich die Auswirkungen schon bald zeigen. Es gebe Gerüchte aus Regierungskreisen, dass unter US-Präsident Joe Biden zugesagte Waffenlieferungen an die Ukraine eingeschränkt werden könnten, sagte Brian Finucane von der NGO International Crisis Group. Biden hatte die Lieferungen kurz vor dem Ende seiner Amtszeit noch mit der Absicht auf den Weg gebracht, zusätzliche Milliardenhilfen für Kiew vor Trumps Amtsantritt sicherzustellen. In der US-Regierung wird Medienberichten zufolge schon seit Wochen darüber diskutiert, ob diese Lieferungen gestoppt werden sollten. Nach der Auseinandersetzung am Freitag erwägt demnach auch Trump nun diesen Schritt.

Britischer Premier will Selenskyj noch am Samstag empfangen

Der britische Premierminister Keir Starmer will den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj noch am Samstag im Regierungssitz, 10 Downing Street, empfangen. Das bestätigte das Büro des britischen Regierungschefs, nachdem der Ukrainer per Flugzeug aus den USA in Großbritannien eingetroffen war. Starmer hat am Sonntag zu einem Ukraine-Gipfel in London geladen. Erwartet werden neben Selenskyj auch europäische Staats- und Regierungschefs, die EU-Führung und Nato-Chef Mark Rutte. 

Starmer, der nur einen Tag vor Selenskyj ein betont harmonisches Treffen mit Trump in Washington hatte, versucht sich als transatlantischer Brückenbauer zu positionieren. Anders als viele europäische Staats- und Regierungschef postete er keine öffentliche Solidaritätsbekundung mit dem Ukrainer auf Social Media. Stattdessen griff er zum Hörer und führte Gespräche mit Trump und dem ukrainischen Präsidenten. 

Starmer behalte seine unerschütterliche Unterstützung für die Ukraine bei und tue alles, was er kann, um einen Weg zu einem dauerhaften Frieden auf Grundlage von Souveränität und Sicherheit für die Ukraine zu finden, sagte ein Downing-Street-Sprecher.