(K)ein besonderes JahrNach aufwühlenden Monaten fällt am Montag der Startschuss für die „Premièresexamen“

(K)ein besonderes Jahr / Nach aufwühlenden Monaten fällt am Montag der Startschuss für die „Premièresexamen“
Die letzten Vorbereitungen auf die Examen laufen Foto: Sandra Schmit

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Große Feiern, Umarmungen vor Erleichterung, zusammen etwas trinken gehen – neben intensiven Lernphasen gehört auch das für viele angehende Schulabgänger zu ihrem Abschlussjahr dazu. Das alles fiel jedoch 2020/2021 für die Primaner aus. Dennoch haben viele von ihnen versucht, das Beste aus der Situation zu machen, und bereiten sich nun eifrig auf die alles entscheidenden Prüfungen vor. Denn am kommenden Montag finden die ersten Klausuren für die Abschlussklassen des „Secondaire classique“ und des „Secondaire général“ statt. Die Primaner Emma Fretz und Raphaël Dos Santos sowie Lehrer Tom Emeringer berichten.

In vielen Luxemburger Haushalten bietet sich aktuell ein ähnliches Bild: Angehende Schulabgänger sitzen an Büro- oder Küchentischen und vergraben ihre Nasen tief in den Büchern. Denn am Montag ist es so weit: In den Luxemburger Sekundarschulen fällt der Startschuss für die „Premièresexamen“. Die Abschlussschüler des „Secondaire classique“ und des „Secondaire général“ werden zuerst in ihren Hauptfächern geprüft. Je nach ausgewählter Sektion steht also beispielsweise Mathematik oder Kunst auf dem Programm.

Emma Fretz
Emma Fretz Foto: Marine Ligerot

Die 19-jährige Emma Fretz aus Hostert wird zuerst die Prüfung in Volkswirtschaftslehre ablegen. Die Abschlussschülerin einer „Commerce et gestion“-Sektion (GCG) der hauptstädtischen „Ecole privée Fieldgen“ (EPF) wird insgesamt sechs Examen schreiben. Um sich darauf vorzubereiten, folgen die Tage vor Prüfungsbeginn aktuell dem immer gleichen Ablauf: „Ich stehe auf, frühstücke und sitze für 8.00 Uhr an meinem Schreibtisch. Dann lerne ich bis etwa 11.30 Uhr. Für das Mittagessen und um etwas runterzukommen, nehme ich mir etwa anderthalb Stunden Zeit. Bis etwa 18.00 Uhr lerne ich weiter.“

Dabei sitzt die junge Frau alleine hinter den Büchern – und das, obwohl sie eigentlich besser in der Gruppe lernt. „Ich mag den Austausch mit anderen, wenn mir jemand ein Thema aus der eigenen Perspektive erklärt oder mich abfragt. Nun lernt aber jeder für sich.“ Denn wie zahlreiche andere Primaner will sich Emma Fretz so gut es geht isolieren. Zu groß ist das Risiko, sich vor den wichtigen Prüfungen mit dem Coronavirus zu infizieren. Wer während der Examensphase krank wird und mehr als einen Tag ausfällt, kann nämlich erst Mitte September zu den Nachprüfungen antreten.

Freiwillige Schnelltests

Und das kann weitreichende Folgen haben, erklärt Raphaël Dos Santos aus Tetingen. Der 18-Jährige besucht das „Lycée Hubert Clément“ (LHCE) in Esch/Alzette, macht seinen Abschluss in der Wirtschaftswissenschaften-Sektion (D) und wird acht schriftliche Prüfungen ablegen. Am 1. September wird er ein Studium in „International Business“ an einer Universität in Utrecht aufnehmen – wenn alles nach Plan läuft. „Ich habe mich bereits im Januar beworben und eine Zusage erhalten. Jetzt muss ich nur noch mein Diplom bekommen. Wenn ich allerdings zu den Nachprüfungen Mitte September antreten müsste, könnte ich nicht zur Uni gehen“, erklärt Raphaël Dos Santos die ungewisse Situation, mit der einige Abschlussschüler jedes Jahr konfrontiert sind. Und die durch das Coronavirus nur noch verschärft wird.

Deshalb haben sich Primaner von zwölf Luxemburger Sekundarschulen im April in einem gemeinsamen Brief an Bildungsminister Claude Meisch (DP) gewandt und baten darum, die letzten drei Schultage von zu Hause aus zu absolvieren. Das Bildungsministerium kam dem Wunsch der Schüler nach: Statt der ursprünglich geplanten vier Tage konnten sich die Primaner nun neun Tage vor den Prüfungen isolieren und so das Risiko einer Infektion minimieren. „Ich war erleichtert, als ich das gehört habe“, erinnert sich ein gefasst wirkender Raphaël Dos Santos.

Raphaël Dos Santos
Raphaël Dos Santos Foto: privat

Während der Examensphase wird er die Antigenselbsttests machen, die in den Schulen an die Primaner verteilt wurden und auf freiwilliger Basis erfolgen. Die Furcht vor einem positiven Ergebnis ist dabei ein ständiger Begleiter – schließlich würde das den Ausschluss der Klausuren im Sommer bedeuten. Aber das Verantwortungsgefühl, vor allem gegenüber den Mitschülern, ist größer. So erklärt Emma Fretz ruhig, aber bestimmt: „Für mich ist klar, dass ich diese Tests mache. Wenn es mich treffen soll, kann ich ohnehin nichts dagegen machen, dann muss ich eben im September zur Nachprüfung. Ich will nicht andere Leute anstecken, die dann vielleicht richtig krank werden und das Schuljahr nicht zu Ende bringen können.“

Damit es erst gar nicht so weit kommen muss, verzichten viele Primaner aktuell auf persönliche Treffen mit den Klassenkameraden – so auch Raphaël Dos Santos. Obwohl auch er lieber in der Gruppe lernt, gehen er und seine Mitschüler die Materie in Videokonferenzen gemeinsam durch: „Das haben wir schon während des Schuljahres vor Prüfungen so gemacht.“ An Lerngruppen und vor allem Unterricht auf Distanz mussten die Schüler sich in der Pandemie erst einmal gewöhnen. „Es fällt einfach schwer, sich während sechs Stunden pausenlos auf einen Bildschirm zu konzentrieren. Die Lehrer teilen darauf ja auch Präsentationen, deshalb muss man ständig am Ball bleiben. Zu Hause wird man auch schneller abgelenkt“, stellt Raphaël Dos Santos fest. Emma Fretz ist der Meinung, dass Klassen im Distanzunterricht nur langsam mit dem Stoff vorangekommen: „Das Konzentrieren fällt schwer und wenn man etwas nicht verstanden hat, will man dann auch nicht so oft nachfragen. Man kann zudem nicht so gut gemeinsam üben.“ Ihre Klasse konnte das vorgesehene Programm trotzdem gut abschließen. Auch, weil es in ihrer Klasse das ganze Jahr über keinen Corona-Fall gab und sie fast durchgehend Präsenzunterricht hatte. Hinzu kommt, dass das Programm der Abschlussklassen etwas gekürzt wurde. „Das hat geholfen und war für mich eine mega Erleichterung“, sagt Emma Fretz.

Highlights fehlen

Doch nicht nur zum Unterricht oder zum gemeinsamen Büffeln treffen sich die Schüler online, sogar kleine Partys werden per Videokonferenz abgehalten. Denn vieles, auf das sich Primaner in ihrem Abschlussjahr freuen, kann nicht oder nur in reduzierter Form stattfinden. So wie die traditionelle „Fuesfeier“ im Escher LHCE: „Normalerweise verbringen die Primaner diesen Tag im Festsaal. Dort wird ein großes Programm geboten: Es gibt eine Tanzfläche und Spiele, die anderen Klassen kommen vorbei. Das alles war in diesem Jahr nicht möglich. Wir haben uns trotzdem verkleidet und versucht, das Beste aus dem Tag zu machen“, schildert Raphaël Dos Santos. Am meisten hatte er sich ursprünglich auf die große Abschlussfeier gefreut: „Ich hätte gerne eine Prom Night gehabt. Dabei kommen alle ein letztes Mal zusammen und es ist einfach ein schöner Abschluss.“

Obwohl es online eine Ansprache der Direktorin gab, hat auch Emma Fretz an ihrem letzten Schultag vergangenen Freitag ein feierliches Ende vermisst. „Ich konnte in dem Moment gar nicht realisieren, dass ich wahrscheinlich zum letzten Mal aus dem Schulgebäude gehe. Es fehlt einfach ein gewisser Abschluss. Ohne Corona hätten wir am letzten Tag einen sogenannten ‚patt d’adieu‘ gehabt und den Nachmittag gemeinsam verbracht. Nun war es ein abruptes Ende, jeder ist nach Hause gegangen und hat weitergelernt“, erzählt die Schülerin mit Bedauern in der Stimme.

Das alles hat im Laufe des Jahres bei vielen Schülern auf die Stimmung gedrückt, stellt Tom Emeringer fest. Der 41-Jährige lehrt Wirtschaft im hauptstädtischen „Lycée technique de Bonnevoie“ (LTB) und hat als „Régent“ eine Abschlussklasse der GCG-Sektion begleitet. „Viele Aktivitäten machen die ‚Première‘ zu einem besonderen Jahr, die Schüler freuen sich auf diese Highlights. In diesem Jahr ist so viel ausgefallen, ohne dass die Schüler dafür können.“ Dabei sei der Ausgleich – Freunde treffen, Sport machen, ins Kino gehen – gerade in solch einem lernintensiven Jahr wichtig, gibt Tom Emeringer zu bedenken. Und obwohl viele Schüler nachvollziehbarerweise manchmal den Kopf hängen gelassen hätten, ist gleichzeitig der starke Wille da gewesen, das letzte Schuljahr zu meistern und das Beste aus der Situation zu machen.

Für die Examen gelten besondere Regeln, darunter ein Mindestabstand zwischen den Schülern
Für die Examen gelten besondere Regeln, darunter ein Mindestabstand zwischen den Schülern Foto: Editpress-Archiv/Julien Garroy

Das merkt man auch, wenn man mit Emma Fretz spricht: „Wir können nichts an der Situation ändern und müssen sie nehmen, wie sie ist. Wir haben uns stets gefragt ‚was ist möglich, was können wir machen?‘ und dann versucht, das Beste daraus zu machen.“ Getreu diesem Motto will die taffe Schülerin nun auch ihre Studien zur Kindergartenlehrerin in Brüssel angehen. Sie weiß noch nicht genau, wie der Studienstart ablaufen wird – ob die Kurse online oder auf Distanz abgehalten werden. Und doch steht eines für sie fest: Sie wird nach Brüssel gehen und ihr Studentenleben beginnen. Auch Raphaël Dos Santos lässt sich von Corona nicht aufhalten und plant bereits den Umzug nach Utrecht.

Am Montag geht’s los

Am kommenden Montag fällt in Luxemburg der Startschuss für den finalen Prüfungsmarathon der Primaner. Während der Examen ist das Tragen einer Maske obligatorisch, außerdem dürfen nie mehr als 100 Schüler in einem Raum schreiben. Zwischen den Tischen gibt es einen Mindestabstand von zwei Metern. Bis zum 2. Juni legen die Abschlussschüler ihre schriftlichen Prüfungen ab – mit einer kleinen Verschnaufpause in den Pfingstferien, die allerdings vom Großteil der Primaner für weitere Vorbereitungen genutzt wird. Die Mündlichen werden bis zum 12. Juni abgelegt. Schließlich erfahren die Primaner in den Tagen um den 23. Juni über die Plattform „Eduboard“, ob sie den Prüfungsmarathon geschafft haben oder im Herbst noch einmal antreten müssen. Wer in der Prüfungsphase krank wird und mehr als einen Tag verpasst, muss ebenfalls im September in die Nachprüfung. Sich in Quarantäne befindende Kandidaten dürfen die Examen mitschreiben, müssen sich allerdings vorher per E-Mail bei der Gesundheitsbehörde melden. Für den Weg zur Prüfung darf der öffentliche Transport nicht genutzt werden, außerdem schreiben Betroffene in einem separaten Raum und müssen eine FFP2-Maske tragen. Mehr Information dazu gibt es unter www.men.lu.

je me souviens...
15. Mai 2021 - 18.03

Courage hinnen alleguer !