Wer tief in das typisch asiatische Flair eintauchen möchte, der muss das 676.577 km2 große und in sieben Provinzen sowie in sieben Staaten eingeteilte Myanmar besuchen. 135 Volksgruppen spiegeln die ethnische Vielfalt des Landes wider. Rund zwei Drittel gehören den Bamar an.1) Menschen, die emsig ihren kleinen Tagesbeschäftigungen nachgehen, und ein teilweise chaotischer Verkehr, wo sich Autos, Lastkraftwagen, Rikschas, Fahr- und Motorräder, von Ochsen gezogene Karren sowie Fußgänger die Hoheit über die Straßen streitig machen, charakterisieren die lebhafte Alltagskulisse in dem Land. Schon frühmorgens durchstreifen rot gekleidete Mönche Dörfer und Städte und erhoffen sich Almosen. Unzählige über das Land verstreute Pagoden und Tempel, vor allem in Bagan und Mandalay, sowie herrliche koloniale Prachtbauten sorgen für eine abwechslungsreiche Kulisse. Auch die Natur bietet in diesem Land mit seiner Hauptstadt Naypyidaw beeindruckende Schätze an: ein imposantes Gebirge – der höchste Berg, der Hkakabo Razi, misst immerhin 5.881 Meter –, Savannen, fruchtbare Ebenen, majestätische Flüsse wie der 2.816 km lange Thanlwin und Seen.
Nach der japanischen Besatzung zwischen 1942 und 1945 erlangte das Land am 4. Januar 1948, obwohl die Briten es als Kolonie weiterführen wollten, seine Unabhängigkeit. 1962 beendete ein Putsch unter General Ne Win die andauernden innenpolitischen Streitereien. Es folgte eine Militärdiktatur mit katastrophalen wirtschaftlichen Konsequenzen. 1988 wurde ein Volksaufstand brutal niedergeschlagen und eine neue Militärgeneration übernahm das Ruder. Mit einer veränderten Verfassung und den ersten Wahlen 2010 war Hoffnung auf eine schrittweise Demokratisierung erkennbar.
Myanmar konnte jahrzehntelang von einem steigenden Tourismus profitieren. Vor allem die reichhaltige Kultur und die atemberaubende Natur zogen Reisende aus der ganzen Welt in ihren Bann. Doch die Kehrseite dieser glänzenden Medaille ist bekannt. Myanmar, früher Birma, tut sich seit Jahrzehnten schwer, halbwegs demokratische Regeln in seiner Staatsführung zu respektieren.
An der Schwelle zum Zielland
Jahrelang war Luxemburg in der Kooperationspolitik im Myanmar aktiv. LuxDevelopment setzte dort zahlreiche Projekte um. Zwischen 2015 und 2021 konnten zum Beispiel 8,5 Millionen Euro in die Aufwertung des Tourismus investiert werden. Immerhin wurden 642 Angestellte des Tourismusministeriums ausgebildet und 359 Studenten haben einen spezifischen Kursus im touristischen Entwicklungszentrum in Yangon besucht. Im Shan-Staat wurden Straßen, Trinkwasseranlagen sowie kleine Elektrizitätswerke gebaut. Zwischen 2017 und 2022 waren für diese Arbeiten Ausgaben von 10 Millionen Euro vorgesehen.2) Das Land wurde sogar von unserer Regierung als neues Zielland ins Auge gefasst. Leider sollte der Militärputsch vom 1. Februar 2021 diese Hoffnungen zerstören. Die unter der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi gewählte Regierung, die seit 2015 zahlreiche Reformen umgesetzt hatte, wurde gestürzt. Die internationalen Mitarbeiter von LuxDev mussten Myanmar verlassen und seither herrscht zwischen dem Großherzogtum und dem asiatischen Land weitestgehend Funkstille. Dennoch versucht Luxemburg noch eine gewisse Hilfe zu leisten. So wird das Hohe Kommissariat der Vereinten Nationen für Menschenrechte unterstützt, um die Zivilbevölkerung vor Übergriffen zu schützen. 2021 wurde eine Million Euro an den Plan ECHO (European Civil Protection and Humanitarian Aid Operations) überwiesen, der ab 2022 in Kraft trat. Wie des Weiteren dem Aktivitätsbericht des Kooperationsministeriums von 2022 zu entnehmen ist, lief Ende des Jahres 2022 die zweite Etappe des vom internationalen Institut für Demokratie und Wahlunterstützung (International IDEA) umgesetzten Programms MyConstitution aus.
Myanmar versinkt unterdessen weiterhin im Chaos. Die humanitäre Lage ist dramatisch. Laut OCHA (UN-Büro für Koordinierung humanitärer Angelegenheiten) gibt es mehr als 3 Millionen Binnenflüchtlinge. Weitere 145.000 Menschen sind in die Nachbarländer geflüchtet. Vor sieben Jahren fand die Vertreibung von fast einer Million Rohingya in das Flüchtlingslager Kutupalong in Bangladesch statt. Seither leben diese Menschen dort unter unvorstellbaren Bedingungen. Besonders grausam war ein Luftangriff auf ein Konzert im Kachin-Staat im Oktober 2022 mit über 60 Toten. Zusätzlich finden Hinrichtungen statt. Unter diesen Opfern sind unter anderem der Demokratieaktivist Kyaw Min Yu und der ehemalige Abgeordnete Phyo Zeya Thaw. Wenn auch nur spärliche Informationen über die furchtbare Lage im Land auftauchen, so ist doch bekannt, wie brutal die herrschende Kaste gegen die Zivilbevölkerung vorgeht.
Seit über drei Jahren tobt nun der grausame Bürgerkrieg. Die Militärjunta, die vor allem in den größeren Städten das Sagen hat, verübt regelmäßig Massaker an Dorfbevölkerungen und bombardiert Schulen und Krankenhäuser, die in den von Rebellen kontrollierten Regionen liegen. Tausende junge Menschen sehen keinen anderen Ausweg als bewaffneten Widerstand oder Migration ins Ausland, um die Zwangsrekrutierung zu umgehen. Verschiedene starke Rebellenarmeen versuchen wichtige Landesteile zurückzugewinnen. In einem rezenten Bericht der International Crisis Group (ICG) heißt es, die 2009 gegründete und von weiten Regionen der buddhistischen Mehrheit unterstützten Arakan-Armee hätte den größten Teil des zentralen und des nördlichen Rakkine-Staats an der Grenze zu Bangladesch eingenommen. David Bremer von der Universität Sussex spricht vom „längsten Krieg der Welt, der schon 75 Jahre dauert“. Nie zuvor hatte dieser Konflikt jedoch die Reichweite von heute. Noch immer bleiben die seit 2021 versprochenen freien Wahlen aus.
Internationale Hilfe muss verstärkt werden
Leider findet die inakzeptable Lage in Myanmar nur ein begrenztes Echo in der internationalen Politik. Der UN-Sicherheitsrat forderte wohl in seiner Resolution vom Dezember 2022 ein Ende der Gewalt, doch enthielten sich China, Russland und Indien ihrer Stimme! Im Fokus der Weltöffentlichkeit stehen zurzeit in erster Linie der Ukrainekrieg und die äußerst angespannte Situation im Nahen Osten. Während die russische Invasion zu einem Stellvertreterkrieg zwischen den Supermächten führte, liefert der Gazakonflikt Sprengstoff für eine größere Eskalation mit möglichen verheerenden Folgen. Verständlich, dass die Blicke in erster Linie auf diese Auseinandersetzungen gerichtet sind. Und doch kann ein Land wie Myanmar mit 55 Millionen Einwohnern nicht vergessen werden. Die Weltgemeinschaft darf die Augen vor der barbarischen Militärjunta nicht verschließen. Auch die EU könnte eine wesentliche Rolle spielen. Als angesehener Verfechter von Menschenrechten und Verteidiger von Minderheiten täte die Europäische Gemeinschaft gut daran, das Thema Myanmar noch stärker zu sensibilisieren. Sie könnte damit ihr angekratztes Profil in außenpolitischen Fragen aufpolieren, steht sie doch auf internationalem Parkett nicht unbedingt als Schwergewicht da. Potenzial ist vorhanden, nur muss es effizienter benutzt werden. Der designierten neuen außenpolitischen Beauftragten Kaja Kallas bietet sich die Gelegenheit, der EU-Außenpolitik ein Gesicht mit mehr Charakter zu verleihen, indem sie sich stärker in globale Konflikte einmischt. Myanmar ist ein Fallbeispiel. Das sogenannte Weltrechtsprinzip sieht eine Strafverfolgung von schweren internationalen Verbrechen vor. Rechtsbrüche in Myanmar gibt es zuhauf!
1) Petrich H. Martin, Myanmar, DuMont Reiseverlag, Ostfildern, 2018
2) Rapport annuel 2021 LuxDev

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