BrüsselMussolini-Enkelin sitzt mit der CSV im Europaparlament – weil EVP-Chef Weber für Berlusconi Wahlkampf machte

Brüssel / Mussolini-Enkelin sitzt mit der CSV im Europaparlament – weil EVP-Chef Weber für Berlusconi Wahlkampf machte
Der deutsche CSU-Politiker Manfred Weber ist Chef der Konservativen in Europa und war sich nicht zu schade, Werbung für Silvio Berlusconi zu machen – jetzt muss auch die Luxemburger CSV die Duce-Enkelin Alessandra Mussolini in ihren Reihen aushalten Foto: dpa/Philipp von Ditfurth

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EVP-Chef Manfred Weber machte in Italien Wahlkampf für Berlusconis Forza Italia. Er hatte Erfolg: Das Rechtsbündnis stellt mit der Postfaschistin Meloni sogar die Regierungschefin – und als Ergebnis zieht die Enkelin des Duce in Webers Fraktion in Brüssel ein, der auch die CSV angehört.

Die Regierungsübernahme des Wahlbündnisses um die Postfaschistin Giorgia Meloni in Italien führt zu einem bemerkenswerten Stühlerücken im Europäischen Parlament. Weil der frühere Parlamentspräsident und Forza-Italia-Politiker Antonio Tajani Außenminister der Republik in Rom wird, rückt für ihn eine 59-jährige Italienerin nach: Alessandra Mussolini. Sie ist die Enkelin des Duce und betrachtete in ihrer bisherigen Karriere ihren Namen als Programm. Mehrfach verteidigte sie die Politik ihres Großvaters und versuchte, in seinem Sinne zu arbeiten. Nun also auch in der Fraktion von Manfred Weber, der für die Forza Italia Wahlkampf gemacht hatte.

In der EVP wird die Personalie relativ gelassen betrachtet. Ältere Abgeordnete kennen Mussolini bereits. Denn die Frau mit den langen blonden Haaren hat nach ihren Bemühungen, als Schauspielerin Fuß zu fassen, bereits zwei Mal im Europaparlament gesessen. 2004 bis 2008 war sie vor allem fraktionslos, mit einem kurzen Gastspiel bei der Fraktion Identität, Tradition, Souveränität. 2014 bis 2019 gehörte sie schon einmal zur Fraktion der Europäischen Volkspartei, von einer kurzen Unterbrechung als fraktionslose Abgeordnete abgesehen.

Im Wahlkampf hatte Weber die Forza Italia unterstützt und damit verbreitetes Misstrauen in den anderen Fraktionen des Europaparlamentes ausgelöst. Es wurde befürchtet, dass hier eine von der Union in Deutschland aufgebaute Brandmauer gegenüber rechtspopulistischen oder gar neofaschistischen Parteien über den Umweg europäischer Partnerparteien fallen könnte. Denn die Forza als langjähriges Mitglied der EVP-Familie europäischer konservativer und christdemokratischer Kräfte hatte sich dafür entschieden, sowohl mit der rechtspopulistischen Lega als auch mit den postfaschistischen Fratelli d’Italia anzutreten. Gemeinsam gelang ihnen tatsächlich der Wahlsieg, doch innerhalb des Bündnisses kamen sowohl die Lega Salvinis als auch Berlusconis Forza schlecht weg: Beide bekamen nur noch weniger als neun Prozent, während die Brüder Italiens unter Spitzenkandidatin Meloni 26 Prozent einfahren konnten.

Nicht zum ersten Mal

Während das Nachrücken Mussolinis für Tajani ins Europaparlament in Brüssel kurz nach der Vereidigung des Kabinetts in Rom bekannt wurde, war zunächst unklar, ob sie auch Webers EVP-Fraktion angehören würde. Denn es kursierten zunächst Meldungen, wonach Mussolini aus der Forza ausgetreten sei. Doch aus der EVP-Führung verlautete am Mittwochnachmittag, es liege eine schriftliche Mittelung der Forza vor, dass Mussolini für ihre Partei ins Parlament nachrücke. Damit dürfte sie auch in Webers Fraktion sitzen.

In der vorherigen Wahlperiode hatte sie zuletzt als ordentliches Mitglied im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres gearbeitet, zuvor im Ausschuss für Verkehr und Tourismus. Auch in Italien war Mussolini parlamentarisch engagiert. 1992 zog sie bereits erstmals ins Abgeordnetenhaus ein, 2013 wurde sie Mitglied des Senats. Sie gehörte verschiedenen Rechtsaußen-Parteien, -Bewegungen und -Bündnissen an, erklärte auch schon mal einen Parteiaustritt und nahm diesen wieder zurück. Mit 57 schien sie der Politik den Rücken kehren zu wollen. Dies sei eine Phase, „die jetzt vorbei ist“, sagte sie vor zwei Jahren in Zeitungsinterviews.

Als Tochter des Jazz-Musikers Romano Mussolini versuchte sie eine Karriere zunächst als Schauspielerin, dann als Sängerin. Gefördert wurde sie dabei von ihrer Tante Sophia Loren, die in den 1970er Jahre mehrere Filme mit ihr drehte. Auch für den italienischen Playboy ließ sich Mussolini ablichten. Vor 50.000 Followern postet sie auf ihrem Instagram-Account auch aktuell noch Fotos von sich in tief ausgeschnittenen Kleidern oder einzelne Nacktaufnahmen.

Andere Fraktionen reagierten in ersten Stellungnahmen skeptisch auf die Personalie. „Die Christdemokraten sollten sich gut überlegen, ob Frau Mussolini mit ihrem politischen Profil in eine pro-europäische Fraktion des Europaparlaments passt“, gab etwa Daniel Freund, Rechtsstaatsexperte der Grünen im Europaparlament, zu bedenken.