Samstag22. November 2025

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Editorial„Movida“ gegen rechts: Über den Umgang mit der Geschichte

Editorial / „Movida“ gegen rechts: Über den Umgang mit der Geschichte
Spanischer Geschichtsrevisionismus: Basilica de los Caídos im Valle de los Caidos Foto: Oscar del Pozo/AFP

Vor wenigen Tagen jährte sich zum 50. Mal der Todestag des Diktators Francisco Franco, der Spanien vom Ende des Bürgerkrieges (1936-1939) bis zu seinem Tod 1975 mit harter Hand regierte. Zwar kam es in der zweiten Hälfte der 70er mit der „Movida“ zu einem kulturellen Aufbruch der Jugend, der bis in die 80er Jahre dauerte. Auch fand die Demokratisierung scheinbar mühelos statt. Einen echten Bruch mit dem Franquismus gab es aber ebenso wenig wie eine juristische oder erinnerungspolitische Aufarbeitung des Regimes.

Stattdessen gewährten zwei Amnestiegesetze Straffreiheit für alle während der Diktatur verübten politischen Verbrechen. Viele Reiterstandbilder und Straßennamen des Diktators, dessen sterbliche Überreste bis 2019 im Valle de los Caídos ruhten, schmückten weiterhin die spanischen Städte. Immerhin sorgte die sozialistische Regierung unter José Luis Rodríguez Zapatero für eine Tilgung franquistischer Zeichen im öffentlichen Raum und stärkte ein Gesetz für eine symbolische Anerkennung der Diktaturopfer. Aber weder der Bürgerkrieg noch die Diktatur wurden in den Schulen ausreichend behandelt. Die Folgen dieser Geschichtsvergessenheit sind nicht nur angesichts des Aufstiegs der rechtspopulistischen Vox festzustellen, sondern auch an der Politik der konservativen Partei Partido Popular, die sich bis in die Gegenwart nicht von ihrem franquistischen Erbe gelöst hat.

Nun reicht es nicht, dass die politische und kulturelle Erinnerungsarbeit sowie die Auseinandersetzung im Schulunterricht mit der diktatorischen Vergangenheit eines Landes ausreichen, um ein Land vor den Gefahren, die von antidemokratischen Kräften ausgehen, zu schützen. In Deutschland etwa wurde im Schulunterricht der Bundesrepublik viel auf die Ursachenforschung zur Nazidiktatur unterrichtet. Trotzdem ist die rechtsextreme AfD heute nicht nur in den ostdeutschen Bundesländern stark, sondern   , auch in anderen Teilen Deutschlands. Der rechte Vormarsch in fast allen Ländern Europas, aber auch in anderen Teilen der Welt zeigt, dass es einer großen Anstrengung bedarf, die Demokratie zu retten, wie es in dem berühmten Buch „Wie Demokratien sterben: Und was wir dagegen tun können“ der beiden US-Politologen Daniel Ziblatt und Steven Levitsky erklärt wird.

In Argentinien geht der selbsternannte Anarchokapitalist Javier Milei, bekannt als der Mann mit der Kettensäge, gegen Institutionen vor, die an die Verbrechen der Militärdiktatur (1976-1983) erinnern, und betreibt eine Umdeutung der Geschichte. Die angesehene argentinische Erinnerungskultur soll in ihr Gegenteil verkehrt werden. Sein Angriff gilt Archiven und Gedenkstätten, die Suche nach Opfern wird ebenso behindert wie Wiedergutmachungszahlungen. Unterdessen will die Trump-Regierung in den USA vorschreiben, was als historische Wahrheit zu gelten hat, will die Geschichte umschreiben und betreibt einen ideologischen Angriff auf das Gedächtnis einer Nation.

Auch in Deutschland und anderen europäischen Ländern versuchen Rechtsextreme die Geschichte umzudeuten, wenn etwa die AfD-Chefin Alice Weidel behauptet, dass Hitler ein Kommunist gewesen sein soll, oder wenn versucht wird, den Nationalsozialismus zu verharmlosen, etwa als „Vogelschiss der Geschichte“, wie es der frühere AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland formulierte. Historische Tatsachen werden verzerrt oder geleugnet, bis sie ins eigene Weltbild passen. Dieser Geschichtsrevisionismus ist Teil einer größeren Strategie, um die rechtsextreme Ideologie selbst zu entlasten und zu normalisieren. Dagegen müssen Gegenstrategien gefunden werden, in Schulen und Kultureinrichtungen, in Universitäten und in den demokratischen Parteien, von Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Bewegungen. Es muss eine „movida“ geben, die sich international vernetzt – um den Angriffen von rechts standzuhalten.