Dienstag21. Oktober 2025

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ÖsterreichMorddrohungen gegen Politiker, Attacken auf Journalisten und Medizin-Personal

Österreich / Morddrohungen gegen Politiker, Attacken auf Journalisten und Medizin-Personal
Österreichs Kanzler Nehammer will eine „Abrüstung der Worte“, das Mantra bewirkt aber keine Entspannung Foto: dpa/Florian Wieser

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Die vierte Corona-Welle spült in Österreich gerade den politischen Grundkonsens hinweg: Politiker sind mit Morddrohungen konfrontiert, Journalisten und Medizin-Personal mit gewalttätigen Übergriffen. Und die fünfte Welle rollt schon an.

„Eine derart aufgeheizte Stimmung habe ich in meiner Zeit als Politiker noch nie erlebt“ – Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) warnte am Mittwoch eindringlich vor einer Spaltung der Gesellschaft. Doch die ist längst im Gang. Eine kleine, aber sehr laute Minderheit von Corona-Leugnern und Impfskeptikern macht – oft angeleitet von amtsbekannten Rechtsextremisten – die Straßen unsicher. Neben angekündigten Massendemonstrationen wie am Wochenende in Wien kommt es täglich zu „spontanen“, nicht angemeldeten Kundgebungen. Am Mittwoch marschierten Hunderte Menschen vor der Wiener Ärztekammer auf, um gegen die Corona-Schutzmaßnahmen zu protestieren. In Linz wurde ein Protestzug durch die Innenstadt von einem Traktoren-Konvoi angeführt.

Manche belassen es nicht beim Demonstrieren. Gegen den Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) und weitere Regierungsmitglieder in Innsbruck gingen mehrere anonyme Morddrohungen ein. In Oberösterreich sorgt ein Angriff auf eine Krankenpflegerin für Empörung. Die Frau war in Braunau, dem Bezirk mit der niedrigsten Impfquote Österreichs, auf dem Weg zu einem Patienten von Corona-Leugnern beschimpft und mit Kaffee überschüttet worden.

Impfpflicht befeuert Streit

Innenminister Gerald Karner (ÖVP) kündigte gestern Maßnahmen zum Schutz von bedrohten Berufsgruppen an. Auch Journalisten, die auf den Demos der vergangenen Wochen immer wieder Ziel von Übergriffen wurden, sollen besonderen Schutz genießen.

Die Eskalation hat zwei Hauptursachen: Zum einen schürt die FPÖ seit Monaten die Ablehnung von Corona-Präventionsmaßnahmen im Allgemeinen und der Schutzimpfung im Besonderen. Zum anderen hat die türkis-grüne Bundesregierung – aus Angst vor einem Erstarken der Rechtspopulisten und beeinträchtigt durch die Turbulenzen in der Kanzlerpartei ÖVP – die vierte Welle zunächst weitgehend ignoriert, um dann keinen anderen Ausweg als die Impfpflicht mehr zu sehen. Seit der Plan dafür vorige Woche präsentiert wurde, haben sich die Gemüter noch weiter erhitzt.

Daran vermochte auch die betont versöhnliche Rhetorik des neuen Kanzlers nichts zu ändern. Karl Nehammer hatte sogar seine Tourismusministerin Elisabeth Köstinger gemaßregelt, weil diese gemeint hatte, FPÖ-Chef Herbert Kickl habe wegen seiner radikalen Corona-Politik „Blut an den Händen“. Nehammer fordert eine „Abrüstung der Worte“, eine Formulierung, die inzwischen zur Standardfloskel in allen Diskussionen zur Causa Prima geworden ist. Nichtsdestotrotz bewirkt das Mantra keine Entspannung. Omar Haijawi-Pirchner, Chef der gerade neue geschaffenen Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), zählt die Radikalisierung der Corona-Proteste inzwischen „zu den größten Bedrohungen in der Republik“.

Tod nach Kickl-Arznei

Die Hoffnung auf Entspannung nach einem Abklingen der vierten Welle ist jedoch trügerisch. Der vor vier Tagen beendete, nur in Oberösterreich noch bis Freitag dauernde Lockdown für alle hat zwar einen deutlichen Rückgang bei den Neuinfektionen gebracht, allerdings steigen die Zahlen schon wieder. Die Sieben-Tage-Inzidenz mit zuletzt 294 Fällen auf 100.000 Einwohner ist eine schlechte Ausgangsbasis für die am Horizont sichtbare fünfte Welle.

Schon jetzt steht fest, dass Omikron nach den Weihnachts- und Neujahrsfeiertagen mit ziemlicher Sicherheit einen fünften Lockdown verursachen wird. Das Gesundheitsministerium hat wegen der Corona-Mutante vorerst nur strengere Quarantäne-Regeln für Kontaktpersonen verordnet. Schon das ist Öl ins Feuer der Schwurbler-Fraktion, die Omikron nicht als reale Gefahr, sondern als künstlich aufgebauschtes Problem zur Durchsetzung der Impfpflicht betrachtet.

Für wissenschaftlich fundierte Fakten sind Hardcore-Impfgegner, denen es oft gar nicht ums Impfen, sondern um die Ablehnung des „Systems“ an sich geht, nicht mehr zugänglich. Selbst tödliche Folgen ihrer Propaganda machen Kickl und Co. nicht nachdenklich: In Salzburg beschäftigt gerade der Tod eines Covid-Kranken die Justiz. Der 87-Jährige war vor zwei Wochen verstorben, nachdem ihm sein Hausarzt das vom FPÖ-Chef empfohlene Pferdeentwurmungsmittel „Ivermectin“ verschrieben hatte. Eine Obduktion soll nun klären, ob die Arznei oder doch „nur“ Covid die Todesursache war. Dem Arzt droht ein Berufsverbot.