Dresden, Paris, Nizza, WienMögliches Verschlüsselungsverbot – drei EU-Länder beraten über Mittel gegen Terror

Dresden, Paris, Nizza, Wien / Mögliches Verschlüsselungsverbot – drei EU-Länder beraten über Mittel gegen Terror
Ein österreichischer Medienbericht über ein angebliches Verbot der sicheren Verschlüsselung von Nachrichten auf Kanälen wie WhatsApp sorgte kürzlich für Aufsehen Foto: AFP/Indranil Mukherjee

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In den vergangenen Wochen haben mutmaßliche Islamisten in Deutschland, Frankreich und Österreich Mordanschläge verübt. Nun beraten die drei Länder über gemeinsame Mittel gegen Hass und Gewalt.

Nach den blutigen Anschlägen in Dresden, Paris, Nizza und Wien planen Deutschland, Frankreich und Österreich eine gemeinsame Initiative gegen islamistischen Terror. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) berät an diesem Dienstag darüber mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, dem österreichischen Kanzler Sebastian Kurz und der EU-Spitze in einer Videokonferenz.

Aufsehen erregte vorab ein österreichischer Medienbericht über ein angebliches Verbot der sicheren Verschlüsselung von Nachrichten auf Kanälen wie WhatsApp. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft hatte im Auftrag der EU-Staaten einen Resolutionsentwurf zum Umgang mit Verschlüsselung ausgearbeitet, wie das Bundesinnenministerium bestätigte.

Ziel sei jedoch zunächst nur ein „dauerhafter Dialog mit der Industrie“ über Lösungsvorschläge, die „einen möglichst geringen Eingriff in die Verschlüsselungssysteme darstellen“. Der Resolutionsentwurf enthalte keine Lösungsvorschläge oder Forderungen nach Schwächung von Verschlüsselungssystemen. Das vom ORF veröffentlichte Papier ist allerdings sehr vage formuliert und geht nicht im Detail darauf ein, wie Sicherheitsbehörden verschlüsselte Mitteilungen dechiffrieren können sollen. Außerdem geht das Papier nicht auf die Frage ein, wie man mit Anbietern von verschlüsselten Messengerdiensten wie Telegram umgehen will, die eine Kooperation mit staatlichen Stellen ablehnen. Hinzu kommt, dass es sich bei dem Dokument lediglich um den Entwurf einer Resolution handelt. Sollten die EU-Staaten dem Papier zustimmen, müsste die EU-Kommission ein entsprechendes Gesetz vorschlagen, ehe EU-Staaten und Europaparlament darüber verhandeln könnten.

Kritik an schnellen Rezepten gegen den Terror

Der deutsche Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) verlangte mit drastischen Worten mehr Ermittlerbefugnisse. „Die Sicherheitsbehörden müssen schnellstmöglich alle verfügbaren Mittel an die Hand bekommen, um menschliche Sprengsätze rechtzeitig zu entschärfen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Das im Kabinett beschlossene Verfassungsschutzgesetz müsse schnell in den Bundestag, „damit unsere Ermittler diese verschlüsselte Kommunikation auswerten können“.

„Die islamistischen Anschläge und Morde in Dresden, Nizza und Wien rufen uns leider wieder ins Gedächtnis, wie angespannt die Sicherheitslage ist“, sagte Brinkhaus. Derzeit zählten die deutschen Nachrichtendienste rund 620 islamistische Gefährder. „Das ist erschreckend, und das ist nichts, was wir einfach hinnehmen dürfen.“ Als Gefährder bezeichnen die Behörden Menschen, denen sie politisch motivierte Gewalttaten bis hin zu einem Terroranschlag zutrauen.

Die FDP-Europapolitikerin Nicola Beer warnte vor schnellen Rezepten gegen den Terror und zählte dazu auch die Debatte über das mögliche Verschlüsselungsverbot. „Die Maßnahme wäre ein Irrtum“, erklärte die Vizepräsidentin des Europaparlaments der Deutschen Presse-Agentur. „Die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist in einer digitalen Welt Kern geschützter Kommunikation zwischen Bürgern, die wir nicht leichtfertig aufbrechen dürfen.“ Terroristen würden sich nach einem Verbot andere Wege suchen, etwa getarnt über Videospiele.

Ruf nach engerer Zusammenarbeit in Europa

Beer forderte stattdessen einen besser abgestimmten Zugriff der Fahnder auf Daten der Polizeibehörde Europol, eine besser ausgestattete Polizei und Justiz sowie ein konsequentes Vorgehen gegen die ausländische Finanzierung „religiös getarnter extremistischer Aktivitäten“. Muslimische Religionslehrer seien in Europa auszubilden. Extremistisch auffällige Personen müssten erfasst und abgeschoben werden, forderte Beer.

In Dresden hatte am 4. Oktober ein als Gefährder eingestufter Syrer mit einem Messer einen Mann tödlich und einen weiteren Mann schwer verletzt. In Paris wurde ebenfalls im Oktober ein Lehrer von einem mutmaßlichen Islamisten enthauptet, in Nizza drei Menschen von einem weiteren Gewalttäter in einer Kirche getötet. In Wien erschoss vor einer Woche ein Anhänger der Terrororganisation Islamischer Staat vier Menschen und verletzte mehr als 20 weitere. Nach den Terrortaten wurde der Ruf nach engerer Zusammenarbeit in Europa wieder laut.

Kanzler Sebastian Kurz nannte bei einem Auftritt mit EU-Ratschef Charles Michel am Montag drei Punkte: „ein robusteres Vorgehen“ gegen die Tausende Terrorkämpfer, die zum Beispiel in Syrien gekämpft hätten und dann nach Europa zurückgekehrt seien; einen abgestimmten Kampf gegen den politischen Islam, der die ideologische Basis des Terrorismus sei; und einen „ordentlichen Schutz der europäischen Außengrenzen“.

Macron fordert Neubewertung des Schengenraums

Ratschef Michel brachte ein europäisches Institut zur Ausbildung von islamischen Predigern ins Gespräch. Europa müsse hart durchgreifen, um die Ideologie zu bekämpfen, die Hass und gewaltsamen Extremismus fördere, sagte Michel. In Deutschland berät am Dienstag auch die Deutsche Islam Konferenz, wer in deutschen Moscheen in welcher Sprache predigen soll. Eröffnet wird die Videokonferenz von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU).

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat bereits angekündigt, die französischen Grenzen besser zu schützen. Er fordert auch eine Neubewertung des Schengenraums, in dem es normalerweise keine Grenzkontrollen gibt. Macron empfängt Kurz am Dienstag zu einem Arbeitsessen, bevor sich beide mit Merkel, Michel und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (15.00 Uhr) per Video zusammenschalten. Anschließend ist eine gemeinsame Pressekonferenz (16.00 Uhr) geplant.

Das Thema Terrorbekämpfung soll im EU-Innenministerrat an diesem Freitag vorangetrieben werden. Auch die nächste Videoschalte der EU-Staats- und Regierungschefs kommende Woche soll sich damit befassen.

DanV
11. November 2020 - 11.46

Mal abgesehen davon, dass ein Verschlüsselungsverbot die ganze digitale Welt schwächen würde und nicht nur Terrornetzwerke (wieder mal würden die ehrlichen und friedlichen mitbestraft), stellt sich eine große Frage: Die offiziellen Stellen gehen ja jetzt schon in dem Datenwust unter. Ist also wirklich die Datenmenge das Problem oder nicht viel eher die Auswertung und Interpretation der aktuell verfügbaren Daten?

De klenge Frechdachs
11. November 2020 - 7.41

Wor et net esou, dass den Attentäter vu Wien bekannt war, dass auslännesch Geheimdéngschter Eistereich gewarnt hunn, an hie souguer am Prisong war. Se solle mol de ganze Justizsystem op de Leescht huelen, mat ugepasste Strofe fir Gewalttäter. An schéin dass se wëlle Verschlësslung verbidden, Problem bleift weiderhin, zanter dem Dateschutzgesetz hunn och d'Autoritéiten zwar nach ëmmer d'Méiglechkeet, awer net méi vill Geleeënheete fir proaktiv ze schaffen, wann nach keng Strofdot virläit. Dat ganzt ass net koherent. Ech si fir Dateschutz, géint Datesammlung vu FB, Google an Co., ma wéi dat vun der EU an och der Industrie ëmgesat gouf (GDPR), leide Konsumenten drënner (kuckt einfach wann dir d'Cookies op Internetsäiten net wëllt unhuelen, wéi komplizéiert dat ass). Et bréngt näischt Gesetzer ze schreiwen, wann dat wat hannendrun geschitt Zil em Kilometere verfeelt.

Henry Edward
10. November 2020 - 18.05

Wird's nie geben. Da können die sich auf den Kopf stellen.