Für Andrés Iniesta ist es „eine einmalige Gelegenheit“, für Keeper und Kapitän Iker Casillas gar „das wichtigste Spiel unserer Geschichte“. Angesichts des historischen Halbfinal-Knüllers gegen Deutschland verblasst für Spanien sogar der EM-Triumph vor zwei Jahren gegen denselben Rivalen.
Selbst der sonst so bodenständige Vicente del Bosque sprach vom „wichtigsten Spiel“. Allerdings fügte der sympathische Trainer gestern Abend in Durban schmunzelnd hinzu: „Ich hoffe aber, dass ein noch wichtigeres folgt.“
Stimmungskanone Sergio Ramos heizte vor dem Highlight wie gewohnt ein. Der Rechtsverteidiger und „Discjockey“ der „Selección“ legte CDs mit feurigem Flamenco auf. Aber auch ohne die typische andalusische Gitano-Musik fiebert Spanien „dem schönen Duell“ (Iniesta) mit Deutschland heute (20.30 Uhr) im Moses-Mabhida-Stadion entgegen. „Warum sollen wir sie nicht wieder schlagen?“, erinnerte Del Bosque im Vorfeld genüsslich an den 1:0-Triumph im EM-Endspiel. Zugleich wies er aber darauf hin, dass Joachim Löws Team mit der Elf von 2008 nicht mehr viel zu tun habe. „Sie haben sich seither weiterentwickelt.“
Die Spanier lassen sich bei ihrer Mission, erstmals Fußball- Weltmeister zu werden, auch nicht von der beeindruckenden Bilanz ihres Kontrahenten schrecken. Deutschland brachte es bislang auf drei Titel und elf Halbfinal-Teilnahmen. Dem steht der historische Vorschlussrunden-Einzug der „furia roja“ entgegen. Aber vergangene Erfolge zählen bei diesem reizvollen Vergleich nicht.
Del Bosque wich der Frage aus, ob Deutschland Favorit sei. „Wir hatten einen Gegner aus der ’Todesgruppe‘“, wies der gewiefte Taktiker auf Achtelfinalgegner Portugal hin. Im Viertelfinale ging’s gegen die starken Paraguayer. England und Argentinien, die vermeintlich großen Kontrahenten der Deutschen auf dem Weg ins Halbfinale, seien dagegen hinter den hohen Erwartungen zurückgeblieben. „Wir müssen unserem Stil treu bleiben“, betont derweil Tor-Garant David Villa, der fünf der sechs Turniertore erzielte. Iniestas Treffer bereitete Villa zudem vor. Del Bosque stellte trotz seines Sonderlobs („Er ist in Top-Form“) klar, dass der Vorstoß unter die besten vier „der Verdienst aller Spieler“ sei. Nun möchten die Spanier ihrer ursprünglichen Favoritenrolle vollends gerecht werden. „Wir wollen uns nicht bremsen lassen“, sagte der Coach. „Wir wollen nicht nur unter den besten vier bleiben.“
Aber auch Joachim Löw will sich mit seinen in der Heimat vergötterten Himmelsstürmern beim Triumphmarsch ins WM-Finale durch nichts beirren lassen. „Das stört uns hier überhaupt nicht“, sagte Löw gestern zum Wirbel, den der von ihm für die Weltmeisterschaft zum Kapitän ernannte Philipp Lahm mit seinem dauerhaften Anspruch auf Michael Ballacks Amt entfacht hatte.
Denn der Bundestrainer muss sich aktuell mit wichtigeren Dingen befassen, damit zwei Jahre nach dem verlorenen EM-Finale von Wien (0:1) die von Bastian Schweinsteiger eingestandenen „Revanchegelüste“ gegen die spanischen Kurzpass-Künstler gestillt werden können. „Das Ziel kann nur sein, dass wir dieses Spiel gewinnen und den Berg dann auch ganz nach oben gehen“, erklärte Löw kämpferisch. Auch Lukas Podolski erklärte offensiv: „Wir wollen ins Finale und auch mehr.“
Die Personalsituation hat sich entspannt: Sami Khedira (Muskelverhärtung) und Arne Friedrich (Oberschenkel-Prellung) waren beim Abschlusstraining dabei. Aber Löw muss den Ausfall von Thomas Müller kompensieren und eine weitere Erfolgs-Taktik aushecken. „Spanien ist der WM-Favorit. Wir müssen sie zu Fehlern zwingen, von alleine machen sie keine“, sagte Löw. Der Europameister sei eine größere Hausnummer als England und Argentinien, warnte auch Manager Bierhoff: „Ein 1:0 würde mir diesmal reichen.“
Der Respekt vor „der besten Mannschaft der Welt“ (Schweinsteiger) ist riesig, aber das Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten hat extrem zugenommen. „Unser Weg ist noch nicht zu Ende, die Party soll weitergehen“, übermittelte die Mannschaft in einer Botschaft an die Millionen Fans in Deutschland.
Ein weiteres taktisches Meisterstück von Löw und eine erneute Gala-Leistung der Spieler werden dafür nötig sein. Der Bundestrainer muss schon bei der wichtigsten Personalentscheidung richtig liegen. Wen bringt er für den gesperrten Müller? Auflösen will er das Rätsel erst am Spieltag: „Es gibt drei Möglichkeiten: Trochowski, Cacau oder Kroos. Einer von den Dreien wird es sein.“
DEUTSCHLAND – SPANIEN
o So wollen sie spielen
Deutschland: 1 Neuer – 16 Lahm, 17 Mertesacker, 3 Friedrich, 20 Boateng – 6 Khedira, 7 Schweinsteiger – 15 Trochowski, 8 Özil, 10 Podolski – 11 Klose. – Trainer: Löw
Es fehlt: Müller (Gelbsperre)
Spanien: 1 Casillas – 15 Ramos, 3 Piqué, 5 Puyol, 11 Capdevila – 16 Busquets – 8 Xavi, 14 Xabi Alonso, 6 Iniesta – 10 Fabregas oder 9 Torres – 7 Villa. – Trainer: Del Bosque
Es fehlt: –
Schiedsrichter: Viktor Kassai (Ungarn)
o Anstoß: Heute 20.30 Uhr in Durban (live auf ARD, TF1, La 2)
De Maart
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