Sonntag19. Oktober 2025

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SchwedenMit Magdalena Andersson hat das Land bald die erste Frau an der Spitze der Regierung

Schweden / Mit Magdalena Andersson hat das Land bald die erste Frau an der Spitze der Regierung
Die schwedische Finanzministerin Magdalena Andersson dürfte bald die erste Frau an der Spitze der Regierung des Landes sein Foto: AFP/Jonathan Nackstrand

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Schwedens Finanzministerin wurde am Donnerstag in Göteborg zur neuen Parteichefin der Sozialdemokraten gewählt – und soll auch in den kommenden Tagen Stefan Löfven als Regierungschef ablösen.

„Es gibt ein unglaubliches Potenzial in Schweden“, so begeistert sich Magdalena Andersson für das Land, das sie bald regieren wird. Premierminister Stefan Löfven gab im August seinen Rücktritt bekannt, um seiner Parteifreundin das Amt im November zu überlassen. Sie soll den Sozialdemokraten im September 2022 die dritte Amtszeit bescheren. Eine Herausforderung. Denn mit dem eher reformscheuen Löfven, der die Traditionspartei zehn Jahre und das Land sieben Jahre regierte, rutschte der Stimmanteil auf den Negativrekord bei den Reichstagswahlen 2018 auf 28,3 Prozent ab.

Zurück zu den Wurzeln heißt darum die Devise – dies bedeutet mehr linke Politik. Bezeichnenderweise spricht die 54-Jährige vom „fantastischen schwedischen Modell“ und meint damit den Wohlfahrtsstaat, den sie wieder ausbauen will. Steuersenkungen findet sie grundsätzlich „nicht lustig“. In Klimaschutzfragen ist sie offener als ihr Vorgänger, hier erwartet die schwedische Industrie tiefgreifende Veränderungen. In die Schulpolitik soll mehr Geld fließen, die Sprachkenntnisse der Kinder von Migranten müssten verbessert werden.

Schwedens Problem Nummer eins, das in den Augen der Bevölkerung sogar die Pandemie übertrifft, ist jedoch die organisierte Bandenkriminalität und ihre Revierkämpfe, die fast täglich zu Schießereien und wöchentlich zu Toten führt. In der Nacht auf Donnerstag wurde etwa einem 17-Jährigen in der Provinzstadt Linköping in den Kopf geschossen. Die Mitglieder der Banden sind größtenteils Migranten.

Die Investitionen in den Wohlfahrtsstaat will Magdalena Andersson durch Steuererhöhungen ermöglichen. Doch auch die Gesellschaft soll zu mehr Engagement für die Allgemeinheit ermutigt werden, ganz nach dem Ideal der Sozialdemokratie. Ihr Vorgänger, der zehn Jahre alte Löfven, ein ehemaliger Gewerkschaftschef, musste da Abstriche machen. Seine rotgrüne Minderheitsregierung musste sich von der Linkspartei sowie zwei liberal-bürgerlichen Parteien, den „Liberalen“ und dem „Zentrum“, tolerieren lassen.

Als er in Sachen Mietregelung den letzteren beiden zuneigte, hebelte ihn die Linkspartei mittels Misstrauensantrag im Juni aus dem Amt und bestätigte ihn im Juli wieder – mit ein Grund für seinen anschließenden Abtritt. Die beiden wirtschaftsliberalen Parteien, vor allem deren Vorsitzende Nyamko Sabina und Annie Lööf, gelten als Gegenspieler für die weiter links orientierte Andersson.

Schwedendemokraten verhindern

Diese gilt als die bestausgebildetste Ministerin der Sozialdemokraten. Als Einzelkind einer Gymnasiallehrerin und eines Hochschullektors wuchs sie in der Universitätsstadt Uppsala auf und zeigte in der Schule wie beim Schwimmen Spitzenleistungen. Nach einem Studium der Volkswirtschaft in Stockholm folgten akademische Aufenthalte an der Universität Wien sowie in Harvard. Dann wirkte sie Jahre im Finanzministerium sowie im Finanzamt. 2014 wurde sie unter Stefan Löfven Finanzministerin.

Als stets „arbeitsmotiviert“ wird die zweifache Mutter von ihrer Umgebung geschildert, aber auch als „besserwisserisch“ und „kalt“. Sie selbst beschreibt sich als nicht „volksnah“. Den Einstieg in die Sozialdemokratie soll sie jedoch mittels Empathie gefunden haben, als sie als Kind im Fernsehen von den benachteiligten Altersgenossen in Afrika erfuhr.

Um Neuwahlen zu vermeiden, muss sich Andersson nun kompromissbereiter als bisher zeigen. Denn die zweit- und die drittgrößte Partei, die bürgerlichen Moderaten und die rechten Schwedendemokraten haben bereits Anfang dieses Jahres einen Pakt geschlossen, um Rotgrün aus der Regierungsverantwortung zu kippen. Die Liberalen zeigten sich nicht ganz abgeneigt, da mitzutun. Das Vermeiden einer Regierungsbeteiligung der Schwedendemokraten war Löfvens große politische Aufgabe, an der auch Andersson gemessen wird.

Auf EU-Ebene hat sich Andersson bereits einen Namen gemacht. Sie steht seit Januar als EU-Vertreterin dem Internationalen Währungs- und Finanzausschusses vor. Sie ist damit auch die erste Frau, die den Vorsitz dieses Beratungsgremiums des Internationalen Währungsfonds übernommen hat.