Montag27. Oktober 2025

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Ostern Mit Fremden feiern: Stéphanie Jacoby lädt über Facebook eine alleinerziehende Mutter zu sich nach Hause ein

Ostern  / Mit Fremden feiern: Stéphanie Jacoby lädt über Facebook eine alleinerziehende Mutter zu sich nach Hause ein
Stéphanie Jacoby liegt Solidarität im Alltag sehr am Herzen, denn die 36-Jährige musste selbst schon vieles einstecken und weiß, wie wichtig Zusammenhalt ist Foto: Laura Tomassini

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Stéphanie Jacoby hat selbst im Leben schon viele Tiefen erlebt. Zu Ostern lädt sie dieses Jahr eine fremde Mutter mit drei Kindern ein, damit diese mit der Familie aus Düdelingen feiern können. Eine Solidaritätsaktion, wie man sie in letzter Zeit nur selten online erlebt.

Jedes Jahr feiern in Luxemburg tausende Menschen Ostern und verbinden das Fest mit freudigen Aktivitäten. Während die Kinder im Garten nach bunten Eiern suchen und als Geschenk etwas Süßes naschen dürfen, genießen die Erwachsenen am Tisch traditionell ein Lammgericht, Familien und Verliebte schenken sich gegenseitig ein Schoko-Ei.

Für manche Menschen sind Feiertage jedoch kein Grund zum Feiern, weil sie alleine sind, es an finanziellen Mitteln fürs Festessen fehlt oder sie gerade einen Schicksalsschlag erlebt haben, der keinen Platz lässt für freudiges Beisammensein. Auch Stéphanie Jacoby kennt solche Momente im Leben und hat sich dieses Jahr deshalb etwas Besonderes überlegt. In der Facebook-Gruppe „Mammien 2024/2025“ postet sie am 10. April einen Aufruf: „Ich würde gerne eine Person oder Familie einladen, um mit meinem Mann, meinem Kind und mir Ostersonntag zusammen zu feiern. Trau dich, niemand muss alleine sein.“

Schon immer ein Herz für andere

Ob Familie oder Fremde: An Ostern sollte niemand alleine sein, deshalb hat Stéphanie Jacoby für diesen Sonntag ein kleines Geschenk für ihre Gäste vorbereitet
Ob Familie oder Fremde: An Ostern sollte niemand alleine sein, deshalb hat Stéphanie Jacoby für diesen Sonntag ein kleines Geschenk für ihre Gäste vorbereitet Foto: Laura Tomassini

Auf ihren Post erhält die 36-Jährige über 100 Reaktionen und fünf Nachrichten, darunter eine von einer alleinerziehenden Mutter mit drei Kindern, die morgen nun mit Stéphanies Familie am Tisch sitzen wird. „Die Dame hat eine Zeit lang in einem Frauenhaus gelebt und wohnt jetzt in einer Sozialwohnung. Sie hat kein Auto und es fällt ihr schwer, neue Kontakte zu knüpfen, deshalb hat sie sich sehr über die Einladung gefreut“, erzählt Stéphanie. Auch eine ältere Dame hatte die Mutter kontaktiert, um für eine Freundin nach Infos zu fragen: „Diese hat ihren Mann verloren, keine Enkelkinder und ihre Kinder wohnen zu weit weg, um mit ihr Ostern zu feiern.“

Ich spaziere oft durchs Dorf und sehe Menschen, die einfach nur den Kontakt zu anderen suchen, jemanden zum Reden. Ich finde das unheimlich traurig, denn niemand sollte sich alleine fühlen.

Stéphanie Jacoby

Fremde zu sich einzuladen, scheint den meisten wohl eher befremdlich. Für Stéphanie ist dies jedoch eine Selbstverständlichkeit, denn sie selbst weiß, wie es ist, wenn das Leben einen straucheln lässt. Als Jugendliche lebte die heute 36-Jährige eine Zeit lang auf der Straße, aktuell besitzt sie das Statut der behinderten Arbeitnehmerin, bangt derzeit mit ihrer Familie um ihre Wohnung und ist durch mehrere private Schicksalsschläge psychisch angeschlagen. „Wenn man gewisse Dinge erlebt hat, erweitert das den eigenen Horizont und man ist vielleicht offener anderen gegenüber.“ Die feierliche Runde ergänzt die 36-Jährige dabei nicht zum ersten Mal durch Außenstehende, denn vor zwei Jahren lud sie bereits einen Bekannten zum Familienessen ein, der sonst an Weihnachten alleine Zuhause gesessen hätte, und hat auch schon eine Obdachlose bei sich übernachten lassen, damit diese wenigstens für eine Nacht ein warmes Bett haben sollte.

Kleine Geste, große Wirkung

„Ich spaziere oft durchs Dorf und sehe Menschen, die einfach nur den Kontakt zu anderen suchen, jemanden zum Reden. Ich finde das unheimlich traurig, denn niemand sollte sich alleine fühlen“, so Stéphanie. Ihr Gedanke: Warum nicht einen schönen Moment mit anderen teilen, denen es vielleicht gerade nicht so gut geht, wie einem selbst: „Es gibt so viel Negatives in der Welt und viele denken nur an sich oder laufen mit Scheuklappen durchs Leben. Dabei braucht es gar nicht viel, um anderen zu helfen oder etwas Gutes zu tun.“ Stéphanies Familie ist weder reich, noch lebt sie in einer großen Wohnung, von einem Garten ganz zu schweigen. Dennoch würde das Paar eher jemand anderem ein paar Euro geben, als sich selbst etwas dafür zu leisten.

Am morgigen Sonntag gibt es also kein XXL-Festessen oder Geschenke à gogo, dafür aber einen Tag des Beisammenseins, der gemeinsamen Eiersuche im gegenüber gelegenen Park und der Freude – alles Dinge, die außer etwas Mitgefühl nichts kosten. „Es sind die kleinen Gesten, mit denen man zeigt, dass andere einem nicht egal sind“, meint Stéphanie, die am liebsten jedes Jahr solche Aktionen organisieren würde. Dass sie ihre Gäste zuvor noch nie getroffen hat, stört die 36-Jährige nicht: „Jeder, mit dem man zum ersten Mal redet, ist zuvor ein Fremder, dann lernt man sich eben kennen.“ Ihr Aufruf bei Facebook scheint jedenfalls Früchte getragen zu haben, denn nur kurze Zeit später postet eine weitere Mutter, dass sie Familien in schlechterer Situation gerne helfen würde. „Das ist das ultimative Ziel: andere zum Nachdenken anzuregen, damit alle etwas mehr Solidarität im Alltag leben“, meint Stéphanie, die sich nun auf ihr ganz besonderes Osterfest vorbereitet.