Wenn er wehleidig veranlagt gewesen wäre, hätte der aus ursprünglich deutschem Adel Stammende viel zu klagen gehabt über die Ungerechtigkeit der Welt. Aber alles Zartfühlende wurde dem Enkel des letzten griechischen Königs und Ururenkel Königin Victorias schon als Kind ausgetrieben, spätestens auf dem Internat im schottischen Gordonstoun. Er gab selten Auskunft über sich und klagte nie. „Ich will jetzt kürzertreten“, teilte er in einem TV-Porträt zum 90. Geburtstag mit. „Ich habe meinen Beitrag geleistet.“
In Wirklichkeit machte der rüstige, stets kerzengerade stehende Marineoffizier noch jahrelang weiter, ehe er im zarten Alter von 96 Jahren alle öffentlichen Termine zur Unterstützung jener 780 Organisationen, bei denen er als Schirmherr agiert hatte, einstellte. Bei großen royalen Terminen tauchte er dennoch weiterhin in der Öffentlichkeit auf, beispielsweise mit gerade frisch eingesetzter künstlicher Hüfte bei der Hochzeit seines Enkels Prinz Harry mit Meghan Markle.
Philips Beitrag zum Fortbestand der Monarchie bestand vor allem in der „beispielhaften Loyalität“ für seine Frau, wie der deutsche Queen-Biograf Thomas Kielinger schreibt. Elizabeth hatte sich mit 13 Jahren in den mittellosen Leutnantsanwärter verliebt und eisern gegen manche Widerstände bei Hof an Philip festgehalten. Der Hochzeit 1947 folgten rasch die beiden Kinder Charles und Anne, später kamen die Prinzen Andrew und Edward hinzu.
Sich dem Schicksal gefügt
Nur kurz war dem jungen Paar die glückliche, unbeschwerte Zeit auf Malta vergönnt, wo der Marineleutnant Philip stationiert war. Der Tod Georges VI. im Februar 1952 bedeutete für den gerade 30-jährigen ambitionierten Offizier das Aus der eigenen beruflichen Karriere. Dass die Kinder laut Beschluss des Kronrats Windsor statt Mountbatten heißen sollten, ärgerte den Prinzen maßlos: „Ich bin eine verdammte Amöbe.“
Zähneknirschend fügte sich Philip in sein Schicksal. Was das Geheimnis einer glücklichen Ehe ausmache, hat er später so definiert: „unterschiedliche Interessen“. Während Elizabeth sich vor allem für ihre Pferde und Hunde interessierte, spielte der Prinzgemahl mit hoher Energie Hockey und Cricket, präsidierte dem WWF, versuchte sich als Maler und Fotograf.
Früh schon hatte der Abkömmling des Hauses Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg seine lebenslange Liebe zu schnellen Autos entdeckt. Sein geliebter Onkel und Ersatzvater, Admiral Louis Mountbatten, hat der Nachwelt, darunter dem Queen-Biografen Ben Pimlott, dazu eine wunderbare Anekdote hinterlassen. Auf dem Weg zu einem Polomatch sei der Prinz viel zu schnell unterwegs gewesen, weshalb die Königin spürbar verkrampft neben ihm saß und immer wieder hörbar einatmete. Da habe sich der Fahrer wütend an seine Frau gewandt: „Wenn du das noch einmal machst, schmeiße ich dich raus!“ Im Auto kehrte Stille ein. Weshalb sie sich denn diese Behandlung habe gefallen lassen, fragte Admiral Mountbatten später seine Nichte: „Schließlich hattest du recht, er fuhr viel zu schnell.“ Elizabeth II. erwiderte: „Aber du hast doch gehört, was er gesagt hat“ – offenbar hatte Ihre Majestät berechtigte Sorge, auf offener Straße an die Luft gesetzt zu werden.
Beliebtester Einwanderer
Die feinen Herrenschneider der Savile Row lobten Philip für seine „wundervoll zurückhaltende Eleganz“, mit der er „in vielerlei Hinsicht den britischen Gentleman verkörpert“ habe. Zum Diplomaten freilich brachte es der Prinzgemahl nicht. „Niemand hat je ein Treffen mit ihm vergessen“, hat dies Prinz Edward einmal ein wenig zweideutig ausgedrückt.
Britische Studenten in China warnte der Prinzgemahl vor allzu langem Verweilen; sie könnten sonst „Schlitzaugen“ bekommen wie ihre Gastgeber. An den Ungarn fielen ihm die „Bierbäuche“ auf, in Schottland sah er sich von „Alkoholikern“ umgeben. Die festliche Stammesbekleidung des nigerianischen Präsidenten bei einem Staatsbankett kommentierte der Herzog, sein Gegenüber sei wohl „schon fertig fürs Bett“. Den damaligen deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl begrüßte er bei einem offiziellen Termin jovial mit „guten Tag, Herr Reichskanzler“.
Mit solcherlei politischer Unkorrektheit zog sich Philip immer wieder Kritik der Medien zu und erfüllte damit die wichtige Funktion eines Blitzableiters, der von der unantastbaren Monarchin ablenkt. Gegen Ende seines Lebens zeigte die Nation ihm zunehmend Respekt, ja Dankbarkeit. Bei einer Umfrage nach dem beliebtesten Einwanderer belegte er 2012 Platz eins.
Der Gesundheit wegen nahm der mit eiserner Kondition gesegnete gertenschlanke Nichtraucher lange Jahre höchstens kleinere Auszeiten. Mal war der Ehren-Admiral der Royal Navy in der Badewanne ausgerutscht und hatte sich am Auge verletzt. Mal machten ihm Rückenschmerzen zu schaffen. Im letzten Jahrzehnt seines langen Lebens musste Philip häufiger Bekanntschaft mit Krankenhäusern machen. Zu Weihnachten 2011 wurde er mit dem Helikopter von Schloss Sandringham (Grafschaft Norfolk) abgeholt und erhielt einen Stent am Herzen. Im Jahr darauf verpasste er Teile der Feiern zu Königin Elizabeths diamantenem Thronjubiläum wegen einer hartnäckigen Blasenentzündung.
Kurz vor der Hochzeit des Herzogpaares Meghan und Harry wurde ihm eine künstliche Hüfte eingesetzt. Insidern zufolge soll es schon im Herbst 2019 ernst ausgesehen haben, als der Prinz einige Tage im Spital verbrachte. In diesem Jahr machte sich die Familie erneut Sorgen: Einen Monat lang wurde der betagte Herr in zwei Londoner Krankenhäusern behandelt; dort sei ein kleiner Eingriff am Herzen erfolgreich verlaufen, ließ der Palast verlauten. Mitte März kehrte er zum letzten Mal auf Schloss Windsor zurück. Dort starb der Prinz am Freitag morgen, zwei Monate vor seinem 100. Geburtstag.
De Maart
























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