Wolodymyr Selenskyj sieht (inzwischen) keinen Redebedarf mehr mit Washington, was den Einsatz weitreichender US-Waffen gegen Ziele in Russland angeht. „Wir setzen unsere im Inland hergestellten Langstreckenwaffen ein“, sagte der ukrainische Präsident laut der Nachrichtenagentur dpa während einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem kanadischen Premierminister Mark Carney. „In letzter Zeit haben wir solche Dinge nicht mit den USA diskutiert, das war mal früher.“
Unter Präsident Joe Biden hatten die USA der Ukraine im vergangenen Jahr Angriffe mit weitreichenden Waffen gegen militärische Objekte in Russland erlaubt. „Nach langer Diskussion ließ die Biden-Administration im November 2024 drei Angriffe mit weitreichenden Waffensystemen im Raum Kursk und somit auf russischen Territorium zu“, sagt der Militärexperte Markus Reisen am Sonntag gegenüber dem Tageblatt. Die Russen hätten wiederum im November 2024 erstmals eine russische Mittelstreckenrakete vom Typ Oreschnik eingesetzt – und mehrere hybride Angriffe durchgeführt.
Warnschuss gen Westen
Laut einer Analyse der New York Times sei dieser Schritt vor allem ein Warnschuss in Richtung Westen gewesen. Denn die Oreschnik-Raketen seien auch in der Lage, mit Atomsprengköpfen ausgerüstet zu werden. „Obwohl die Rakete nur konventionelle Sprengköpfe trug, signalisierte ihr Einsatz, dass Russland mit Atomwaffen zuschlagen könnte, wenn es sich dazu entschließt“, schreibt die New York Times.
Den Ereignissen seien Anfang Dezember Telefonate des amerikanischen mit dem russischen Generalstabschef gefolgt, um die Situation zu deeskalieren, sagt Markus Reisner „In der Folge wurden die Angriffe auf russisches Territorium wieder ausgesetzt – während der Biden-Administration.“ Das Ziel der Biden-Administration sei es gewesen, es den Ukrainern zu ermöglichen, das im Raum Kursk eroberte Gebiet nachhaltig zu halten. „Man wollte aber mit Russland keine Eskalation“, sagt Reisner.
Das Wall Street Journal hatte am Samstag berichtet, das Pentagon blockiere seit Monaten den Einsatz von Raketen mit größerer Reichweite durch die Ukraine für Angriffe auf Ziele in Russland. Ein Genehmigungsverfahren habe die Ukraine seit dem späten Frühjahr daran gehindert, die von den USA gelieferten ATACMS-Langstreckenwaffen gegen Ziele in Russland einzusetzen, werden Beamte zitiert.
3.350 Raketen, finanziert von Europa
US-Präsident Trump hatte laut dpa vergangene Woche gepostet, es sei sehr schwer, wenn nicht unmöglich, einen Krieg zu gewinnen, ohne das Land des Invasors anzugreifen. Als Teil seines „Deals“ mit Europa sollen laut Wall Street Journal in sechs Wochen 3.350 ERAM-Raketen an die Ukraine geliefert werden. Die „Extended-Range-Attack-Munitions“ haben eine Reichweite von 145 Kilometern. ATACMS-Raketen, von denen die Ukraine laut der Zeitung noch einen kleinen Bestand hat, haben eine Reichweite von 300 Kilometern.
Die Ukraine hat zuletzt ihr eigenes Bauprogramm für Drohnen verstärkt und mit „Flamingo“ auch eine neue Rakete präsentiert, die angeblich eine Reichweite von bis zu 3.000 Kilometern haben soll, schreibt dpa. Damit wären selbst Ziele weit hinter dem Uralgebirge theoretisch in Reichweite. Noch befänden sich die Rakete aber in der Testphase – bis Jahresende wolle sich Kiew aber ein größeres Arsenal solcher Waffen zugelegt haben.
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