18. Oktober 2025 - 9.30 Uhr
DeutschlandMerz will das Problem AfD lösen – bevor es die CDU zerreißt

Es ist eine bereits seit dem Sommer verabredete Klausur: Das CDU-Präsidium will sich vertraulich treffen und auch über die Positionierung gegenüber der AfD reden. Nicht über das Einreißen der Brandmauer, sondern sich stattdessen mit der Frage beschäftigen, wie man das Sich-gemütlich-Einrichten der AfD in der Total-Opposition verhindert, wie man die Partei in inhaltliche Auseinandersetzungen bringt und stellt.
Das Thema beschäftigt den CDU-Vorsitzenden und Kanzler Friedrich Merz sehr. Und deswegen sprach er es auch in einem Interview mit dem MDR am Tag der Deutschen Einheit an. Doch wenn man Dinge frühzeitig öffentlich macht, dann hat man oft eine Debatte am Hals – so auch in diesem Fall. Und die wollte man in der CDU so nicht haben. Der Kanzler am allerwenigsten. Denn mit Blick auf das Treffen haben sich – wohlgemerkt – ehemals einflussreiche Unionspolitiker, darunter der frühere CDU-Generalsekretär Peter Tauber und Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), im Grundsatz für eine Lockerung der sogenannten Brandmauer zur AfD ausgesprochen, auch wenn sie hinterher ihre Äußerungen im Stern anders intoniert wissen wollten. Andere prominente Spitzenpolitiker der Union lehnten solche Überlegungen kategorisch ab. Dem Vorwurf eines „Testballons“ wird von einflussreichen CDU-Politikern vehement widersprochen.
Die Debatte ist für die Union allerdings nicht neu. Im Januar hatte die Union im Bundestag versucht, eine Verschärfung der Migrationspolitik durchzudrücken. Ein Antrag hatte dabei nur eine Mehrheit erlangt, weil auch die AfD zustimmte. Merz zog damals als Unionsfraktionschef durch, obwohl viele Vertraute aus seinem Umfeld ihm deutlich abrieten. Er verprellte damit – so die Meinung im Großteil der Partei hinterher – auch Wähler der Mitte. Merz hatte später sein Bedauern darüber geäußert.
Für das Adenauer-Haus aber kamen die Äußerungen des ehemaligen Generalsekretärs Peter Tauber zur Unzeit. Denn reflexhaft geht es wieder um die Brandmauer.
Was heißt hier „bürgerlich“?
Schleswig-Holsteins CDU-Ministerpräsident Daniel Günther und die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Karin Prien stellen sich sofort gegen Überlegungen in der Union zu einem veränderten Umgang mit der AfD. „Wir haben eine klare Haltung gegenüber der AfD, an der wird sich nichts ändern“, sagte Günther. „Wer CDU und AfD in einem Atemzug nennt, hat nicht verstanden, was bürgerlich heißt.“
Ähnlich äußerte sich Bundesbildungsministerin Prien: „Die AfD als Partei ist das genaue Gegenteil von bürgerlich“, sagte sie. „Sie ist zumindest in Teilen – und zwar zunehmend – rechtsextremistisch.“
Das wirklich Zentrale ist, dass wir über die Ursachen sprechen, warum Menschen diese Partei wählen. Wie die Frage, warum sie an der Demokratie zweifeln.
Doch Merz und seinem Generalsekretär Carsten Linnemann, der das Treffen mit seinem Stab organisiert, haben etwas anderes im Sinn. Tatsächlich brachte es jetzt ein Ost-Ministerpräsident ganz gut auf den Punkt: „Das wirklich Zentrale ist, dass wir über die Ursachen sprechen, warum Menschen diese Partei wählen. Wie die Frage, warum sie an der Demokratie zweifeln“, sagte der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer. Es sei nun nötig, über die Gründe zu reden und sie zu lösen. Und da sehe man ein Land, „was nicht handlungsfähig ist, wo an vielen Stellen die Dinge nicht in Ordnung sind, wo keine Bewegung ist“. Hier Veränderungen zu schaffen sei die Aufgabe der Bundesregierung. Das „Verstecken hinter einer Brandmauer“ bringe Deutschland nicht weiter. „Wir müssen jetzt über die Probleme dieses Landes reden, die ganz konkret vor der Tür liegen.“
Und bei der SPD? Es gibt ein gewisses Unwohlsein auch in der SPD-Spitze bei dem Thema Union und mögliche Zusammenarbeit mit der AfD. Immer wieder wird in dem Zusammenhang auf Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) verwiesen.
Es geht um Grundsätzliches
Und auch die „Stadtbild“-Äußerungen hatten zuletzt für Verunsicherungen beim Koalitionspartner geführt. Merz hatte am Dienstag bei einer Pressekonferenz anlässlich seines Antrittsbesuchs in Brandenburg bei einer Frage nach der Strategie gegen die AfD auf die Migrationspolitik verwiesen. Dort sei man „sehr weit“, sagte Merz und ergänzte: „Aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen.“ Die Äußerung wurde von Linken und Grünen, aber auch von Teilen der SPD kritisiert, weil sie als Ablehnung von Migranten gewertet wurde. Die Äußerung von Merz war mindestens ungeschickt und reiht sich ein in die Zuschreibung der „kleinen Paschas“, die Merz auch in den eigenen Reihen viel Kritik eingebracht hatte. Das sieht man auch in Merz Umfeld so.
Doch in der Union geht es um Grundsätzliches. Man sieht sich in der Spitze als letztes Bollwerk gegen die AfD. An eine Zusammenarbeit, so versichern es linker und rechter Parteiflügel glaubhaft, sei nicht zu denken. Im Gegenteil, das würde die CDU und die Union insgesamt zerreißen. Es müsse gelingen, in der Mitte die Probleme des Landes zu lösen. Aber man müsse gegen die Verunsicherung, die die AfD schüre, strategischer vorgehen, sagt einer aus der Führung. Und dafür müsse man zusammenstehen. Und keine Pseudo-Diskussionen in der Öffentlichkeit führen. Ob man im Berliner Süden am Sonntag eine Strategie vor dem Superwahljahr 2026 findet? Offen.
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