Samstag8. November 2025

Demaart De Maart

ItalienMeloni verursacht politische Dissoziation – ausgerechnet Rechte warnen vor der Postfaschistin

Italien / Meloni verursacht politische Dissoziation – ausgerechnet Rechte warnen vor der Postfaschistin
Die Südtiroler FPÖ hasst sie, die österreichische FPÖ feiert Giorgia Meloni Foto: dpa/Andrew Medichini

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Giorgia Meloni verursacht politische Dissoziation: Ungeachtet der ideologischen Nähe warnen ausgerechnet Rechte vor Italiens postfaschistischer Ministerpräsidentin. Der Grund dafür ist Südtirol.

Die Südtiroler Volkspartei (SVP) machte sich die Entscheidung nicht leicht: Sollten ihre Abgeordneten im Römer Parlament gegen die neue Regierung von Giorgia Meloni votieren oder sollte die Besorgnis wegen autonomiefeindlicher Tendenzen der Postfaschistin lediglich sanft per Stimmenthaltung ausgedrückt werden? Die SVP-Jugend etwa drängte auf ein Nein. Nachdem der neue Außenminister Antonio Tajani seinem österreichischen Amtskollegen Alexander Schallenberg (ÖVP) ein Bekenntnis zum Autonomiestatus übermittelt hatte, rang sich der SVP-Vorstand fast einstimmig zu freundlicher Distanz gegenüber der Rechtsregierung durch: Die zwei SVP-Senatoren und drei -Kammerabgeordneten enthielten sich vorige Woche bei der Vertrauensabstimmung über die neue Regierung aus Melonis postfaschistischen Fratelli d’Italia (FDI, Brüder Italiens), der rechtsextremen Lega und der rechtskonservativen Forza Italia.

Meloni dankte in ihrer Antrittsrede nicht nur mit einem Bekenntnis zur Autonomie, sondern versprach Österreichs „zehntem Bundesland“ sogar eine Wiederherstellung von Kompetenzen, die durch Urteile des Verfassungsgerichtes über die Jahre ausgehöhlt worden waren.

Folgen den Worten Taten?

Man wird sehen, welche Taten den Worten folgen. Die Skepsis in Südtirol ist angesichts vergangener Äußerungen Melonis nicht verwunderlich. Pikanterweise schreien jedoch ausgerechnet jene politischen Kräfte am lautesten Alarm, die sowohl der Meloni-Bruderschaft als auch Matteo Salvinis Lega ideologisch nahe sind. So steht auf der Webseite der „Südtiroler Freiheit“ (SF), dem Pendant südlich des Brenners zur österreichischen Rechtspartei FPÖ, nach wie vor die Parole „Nein zur Faschistenregierung Meloni!“ SF-Chef Sven Knoll betont gegenüber dem Tageblatt, dass Melonis Antrittsrede an dieser Einschätzung „überhaupt nichts geändert“ habe.

Jenes Lager, das stets den inflationären Einsatz der Faschismuskeule beklagt, wenn es selbst davon getroffen wird, schwingt selbige ohne zu zögern gegen italienische Nationalisten. Die tun sich naturgemäß schwer mit dem Österreich-Nationalismus von Südtirolern, auch wenn der eine wie der andere in derselben Denke wurzelt.

FPÖ in Freude und Angst

Dieses ideologische Südtirol-Paradoxon plagt auch die FPÖ ganz besonders. Ausgerechnet der Erfolg jener Kräfte, die den südtirolpolitischen Vorstellungen der FPÖ am fernsten stehen, euphorisiert FPÖ-Politiker: „Jetzt wird in Italien endlich eine Frau ohne jegliche Quote Regierungschefin und den ganzen Linken und Emanzen hier passt es wieder nicht. Da soll sich jemand auskennen. #bravo Italia“, twitterte der blaue EU-Abgeordnete Harald Vilimsky nach Melonis Wahltriumph. „Eine starke Frau an der Spitze Italiens. … Brava Giorgia Meloni!“, freute sich auch die stellvertretende FPÖ-Vorsitzende Marlene Svazek. Kurz darauf schickten die Tiroler FPÖ-Landtagsabgeordnete Gudrun Kofler und der frühere FPÖ-Südtirolsprecher Werner Neubauer gemeinsam mit Südtiroler Freiheitlichen einen offenen Brief an die österreichische Regierung, in dem sie dringend vor der von FPÖlern bejubelten Meloni warnten.

Da soll sich noch jemand auskennen …

Ex-Mussolini-Bewunderin

Tatsächlich birgt die Vita der Frau, die den faschistischen Diktator Benito Mussolini einmal als „guten Politiker“ bezeichnete, inzwischen aber dem Faschismus abgeschworen hat, einige Alarmsignale für Südtirol. Am 100. Jahrestag der Kriegserklärung Italiens an Österreich-Ungarn hatte sie gefordert, „dass die Südtiroler nach Österreich auswandern sollen, wenn ihnen die italienische Trikolore nicht passt“. Die Regierung in Bozen hatte sich am 23. Mai 2015 geweigert, auf Landesgebäuden die italienische Flagge zu hissen. Zwei Jahre später tobte Meloni, weil die damalige ÖVP-FPÖ-Regierung im Regierungsprogramm den Südtirolern die Doppelstaatsbürgerschaft in Aussicht gestellt hatte: „Hände weg von Südtirol! … Es ist ein Wahnsinn, zu denken, dass ein Teil Italiens von einer Mehrheit österreichischer Bürger bewohnt sein könnte.“

Die Doppelstaatsbürgerschaft — ein Steckenpferd der Freiheitlichen — ist im türkis-grünen Regierungsprogramm gar nicht mehr enthalten. Ein südtirolpolitischer Sprengsatz wurde also lange vor Melonis Start entschärft. An ihr wird es nun liegen, Vertrauen aufzubauen. Südtirols Schutzmacht Österreich wird wachsam sein, kann aber gelassener bleiben als Melonis aufgeregte Ideologie-Verwandtschaft.