Tageblatt: Seit März dieses Jahres tragen Sie das Trikot von SD Worx und wurden gleich ins Aufgebot von mehreren Etappenrennen der World-Tour berufen. Wie haben Sie es erlebt, bei der Vuelta ins kalte Wasser geworfen zu werden?
Marie Schreiber: Tatsächlich hatte ich den Eindruck, dass ich ins kalte Wasser geworfen wurde. Für mich war es natürlich eine große Herausforderung, bei den größten Rennen dabei zu sein. Im Nachhinein war es das Beste, was mir passieren konnte. Ich bekam gleich einen Eindruck davon, was auf mich zukommen wird. Für mich war es eine sehr gute Erfahrung und ich habe Gefallen an diesen Rennen gefunden.
Wie haben Sie sich in Ihrer Helferrolle zurechtgefunden?
Manchmal bekam ich zu hören, dass ich nicht so gut gefahren bin. Die gesamte Saison ging es für mich aber nicht darum, auf ein Ergebnis zu fahren. Als Helferin stand ich meinen Leadern in den zwei ersten Stunden des Rennens zur Seite. Meistens begannen die Übertragungen im Fernsehen erst, nachdem ich mein Arbeitspensum verrichtet hatte. Gegen Ende der Etappen hätte ich schneller fahren können, das ist jedoch nicht zielführend. Um die Teamkolleginnen, die um den Gesamtsieg fahren, bis zum Schluss unterstützen zu können, ist es wichtig, gegen Ende der Etappen Kraft zu sparen und innerhalb des Zeitlimits ins Ziel zu kommen. Der dreiwöchige Rennblock zu Beginn in Spanien war hart. Danach war ich jedoch deutlich stärker.
In welcher Hinsicht haben Sie sich verbessert? Physisch, mental, taktisch …?
Ich habe mich in allen Bereichen verbessert.
Wie war die Reaktion des Teams nach Ihren ersten Rennen?
Ich glaube, dass sie positiv überrascht waren. Die beiden ersten Tage bei der Vuelta bin ich nicht so gut gefahren, sodass sich einige wahrscheinlich gefragt haben: „Soll das etwas werden?“ Gegen Ende der Rundfahrt war ich dann aber richtig gut unterwegs, sodass die Manager, aber auch meine Teamkolleginnen von meiner Leistung sehr angetan waren. Mit Christine (Majerus) bin nur ein Rennen gefahren. Wir sind aber ständig in Kontakt.
Was bedeutet es für Sie, Teil dieser Top-Mannschaft zu sein?
Das Umfeld ist optimal. Ich bin froh, Teil einer großen Mannschaft zu sein, da es mir weniger liegen würde, bei einem kleineren Team im Mittelpunkt zu stehen.
Die derzeitige Form verdanke ich eindeutig der Straßensaison. Das große Volumen, das ich erstmals über den Sommer gefahren bin, verleiht mir viel mehr ‚Power‘.
Mit zwei Siegen sind Sie optimal in die Cross-Saison gestartet und Ihr fünfter Platz im Weltcup letzten Sonntag war gleichbedeutend mit dem Sieg bei den Espoirs. Worauf ist Ihre Form zurückzuführen?
Die derzeitige Form verdanke ich eindeutig der Straßensaison. Das große Volumen, das ich erstmals über den Sommer gefahren bin, verleiht mir viel mehr „Power“. Das gute Ergebnis im Weltcup hatte ich mir dennoch nicht erwartet, da es tags zuvor beim Superprestige nicht so gut gelaufen war. Das hängt damit zusammen, dass ich anderthalb Wochen zuvor bei einer Trainingsfahrt mit den Team-Sponsoren gestürzt war. Davon abgesehen bin ich jedoch gut drauf und der fünfte Platz spiegelt meine derzeitige Verfassung auch wider.
Demnach heißt die Topfavoritin auf den EM-Titel Marie Schreiber?
Topfavoritin bin ich definitiv nicht. Ich gehöre zum Kreis der Favoritinnen, da Zoé Backstedt (GB), Leonie Bentfeld (NL), Kristyna Zemanova (CZE) und auch Lauren Molengraf (NL) auf einem ähnlich hohen Niveau fahren. Wenn die Espoirs beim Weltcup zusammen mit der Elite starten, ist das nicht das Gleiche wie ein separates U23-Rennen. Im Cyclocross kann unterwegs viel passieren. Daher will ich mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Ein Platz auf dem Podium ist durchaus realistisch. Ich will die Erwartungen nicht hochschrauben, damit ich das Rennen ohne Druck angehen kann.
Kennen Sie die Strecke in Pontchâteau?
Ich kenne die Strecke nicht und habe mir auch noch nicht allzu viele Gedanken darüber gemacht. Es soll ein physischer und gleichzeitig schneller Parcours sein. Es reicht mir völlig aus, wenn ich die Strecke am Tag zuvor kennenlerne.
Welche Strecke würde Ihnen entgegenkommen?
Ich bevorzuge Strecken, wo viel Krafteinsatz verlangt wird. Mit einem Parcours ähnlich wie letzten Sonntag in Belgien wäre ich ganz zufrieden.
Werden Sie das Gaspedal beim Start sofort durchtreten?
In der ersten Runde ist jeder schnell unterwegs, da es wichtig ist, gleich vorne dabei zu sein. Es ist nicht so, dass ich zu Beginn 150 Prozent gebe. Ich gehe jedes Rennen in meinem gewohnten Rhythmus an. Da man ständig am Limit fährt, ist man hinten raus langsamer unterwegs.
Wie geht es nach der EM weiter? Ist eine Pause vorgesehen?
Eine Pause gibt es erst im Februar nach der Cross-Saison, es sei denn, ich werde krank oder ziehe mir eine Verletzung zu. Es geht mir darum, über die gesamte Saison hinweg konstant zu fahren. Die U23-WM ist natürlich mein großes Ziel. In den beiden kommenden Jahren werde ich im Prinzip ein ähnliches Programm absolvieren wie in diesem Jahr. Der Cross kommt also nicht zu kurz.
Meylender hat das Zeug für eine Top-20-Platzierung
Neben Marie Schreiber wird auch Rick Meylender bei der EM im Einsatz sein. Das Nachwuchstalent der UC Dippach ist der dominierende Fahrer in der Altersklasse der Junioren, bei seinen drei Starts in Luxemburg fuhr der 17-Jährige jedes Mal als Erster über den Zielstrich. Den Weltcup in Maasmechelen (B) beendete er kürzlich auf dem 24. Platz unter 71 Konkurrenten. Insgesamt 76 Talente aus 17 Nationen werden sich am Sonntag am Start der EM präsentieren, um den Nachfolger von Léo Bisiaux zu ermitteln, als einer der Jüngsten wurde Meylender in Namur (B) letztes Jahr 53., 6:22 hinter dem Franzosen. Wenn Meylender ein guter Start aus der hinteren Startreihe gelingt und er eine schnelle Gruppe erwischt, kann er das Ergebnis von Noa Berton (CT Atertdaul), der 2022 Rang 29 (auf 2:34) erreicht hatte, sicherlich toppen.
Ein spannendes Rennen ist bei der Elite zu erwarten, wo gleich mehrere Fahrer für den Titel in Frage kommen. In Abwesenheit der Stars Wout Van Aert (B) und Mathieu van der Poel (NL) dürfte es zu einem Duell zwischen den Belgiern und den Niederländern kommen. Topfavoritin bei den Frauen ist die in dieser Saison noch ungeschlagene Niederländerin Fem van Empel.
Programm
Cyclocross-EM in Pontchâteau (F):
Am Freitag:
15.15 Uhr: Team Relay
Am Samstag:
11.00 Uhr: Juniorinnen
13.30 Uhr: U23-Männer
15.00 Uhr: Elite Frauen
Am Sonntag:
11.00 Uhr: Junioren
13.30 Uhr: U23-Frauen
15.00 Uhr: Elite Männer
De Maart
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