Emmanuel Macron befindet sich seit einem Monat in einem halsbrecherischen Spagat: als Präsident musste er sich zuvorderst um den Ukraine-Krieg, die Corona-Pandemie und die Autonomie-Demonstrationen auf Korsika kümmern, bevor er als Kandidat für sein Wahlprogramm werben konnte. Viele Berater machen sich daher Sorgen, seine „potemkinsche Wahlkampagne“ würde bei den Franzosen nicht richtig Feuer fangen. Sein Auftritt in der „#MacronArena“ mit Feuerwerfern und DJ-Set vor rund 30.000 Zuschauern am Samstag sollte diese Befürchtung zerstreuen.
Mitten in einem Meer aus EU- und Frankreich-Flaggen inszenierte sich Emmanuel Macron als einziger Kandidat mit Realitätsbezug: „Ich sage euch, wie es ist. Glaubt nicht denjenigen, die euch verkünden, ihr könntet mit 60 Jahren oder mit 62 Jahren in Rente gehen und dass alles gut ausgehen wird. Das stimmt nicht!“
Wirtschaftlich bleibt der französische Staats-Chef seiner rechts-liberalen Linie treu. Das Rentenalter will er weiterhin von 62 Jahren auf 65 Jahre erhöhen, die Vermögensteuer senken, das Arbeitslosengeld RSA mit einer professionellen Aktivität von 20 Stunden pro Woche konditionieren. Ganz nach seinem Vorgänger Nicolas Sarkozy erklärt er, dass die Franzosen mehr arbeiten müssen, damit sich die Situation im Land verbessert.
Verbale Hiebe gegen rechtsextreme Konkurrenz
Abgesehen von ökonomischen Fragen, versucht Emmanuel Macron von seinen sozio-demokratischen Ambitionen zu überzeugen. Er sei der bestplatzierte Kandidat, um gegen die Umweltkrise und den „aus den Fugen geratenen Kapitalismus“ vorzugehen. Ein zehn Meter langes Banner mit der Aufschrift „Criminel Climatique“, das während seiner Rede von Aktivisten hochgehalten wurde, veranschaulicht, dass seine ökologischen Errungenschaften nicht alle zufrieden stellen.
Wenn er seiner linken Wählerschaft mit offenen Armen entgegenkommt, so teilt er bei seinen rechts-extremen Widersachern saftige Schellen aus. Als Anlehnung auf die Verschwörungstheorie des „grand remplacement“, des großen Austauschs, auf welche der ehemalige Kolumnist Éric Zemmour seine Kandidatur zu begründen versucht, beschreibt Emmanuel Macron das Aufsprießen despotischer Ideologien als „grand rabougrissement“, als „großes Verkümmern“.
Doch auch seine Rivalin Marine Le Pen lässt der französische Präsident nicht unverschont: „Morgens kann sie aus dem Euro austreten und abends wieder in die EU eintreten wollen. Ihr Programm wird Kleinsparer in den Ruin treiben. Sie nennt sich eine Patriotin und lässt ihr Programm und ihre Partei vom Ausland finanzieren.“ Mit letzterer Aussage bezieht er sich auf die russische und ungarische Finanzierungen ihrer Partei Rassemblement National.
Als das Publikum seine Konkurrenten von rechts außen ausbuhen wollte, unterbricht sie der Präsident ohne zu zögern: „Nein, hört auf, sie auszubuhen! Bekämpft sie mit Argumenten und mit Respekt!“ Nachdem Éric Zemmour am vergangenen Sonntag in seinem Meeting auf dem Pariser Place de Trocadero seine Sympathisanten „Macron Assassin“ rufen ließ, ohne dazwischen zu greifen, bevorzugt der französische Präsident das Fairplay.
Aufruf zur „großen Mobilisierung“
Dabei scheint die Bedrohung aus dem rechtsextremen Spektrum so real wie noch nie. Letzten Umfragen zufolge liegt der aktuelle Präsident bloß fünf Prozentpunkte vor seiner rechts-populistischen Konkurrentin Marine Le Pen. Am Samstag warnt er davor, die Gefahr nicht zu unterschätzen: „Schaut euch an! (In der letzten Präsidentschaftswahl) 2017 hat man euch gesagt, wir seien unmöglich. Brexit hielt man für unmöglich! Also sag ich es euch heute Abend mit viel Kraft: nichts ist unmöglich!“ Emmanuel Macron warnt, man dürfe den Umfragen und den Politologen keinen Glauben schenken, wenn sie behaupten, die Wahl sei schon gewonnen. Er ruft zur „großen Mobilisierung“ gegen den Populismus auf.
Der sogenannte „Front républicain“, der während den Wahlen 2002 und 2017 ausgerufen wurde, um Jean-Marie und Marine Le Pen den Einzug in den Élysée-Palast zu versperren, scheint an Impuls zu verlieren. Da Emmanuel Macrons Umfragewerte lange als unantastbar galten, könnten am Wahlsonntag viele seiner Wähler zu Hause bleiben. Dieses Phänomen könnte durch die Osterferien verstärkt werden.
Der frühere Premierminister von François Hollande, Manuel Valls, hat daher gestern im Journal du Dimanche in einer Kolumne dafür plädiert, die Bedrohung durch einen Schulterschluss zwischen Marine Le Pen und Éric Zemmour nicht zu unterschätzen. Ob sein Beitrag die nötige Alarmglocke läutet, ist jedoch unwahrscheinlich.
De Maart
Erstaunlich,dass Le Pen überhaupt noch Stimmen bekommt.Ihre Auftritte in Moskau beim Diktator und in Polen beim "Restzwilling" müssten doch den hitzigsten "Coq hardi" aufgerüttelt haben. Aber schon Papa Le Pen lebte von rechter Hetze gegen jeden und alles. Am Ende wird wohl wieder ein Mélenchon aufrufen seine Stimmen an Macron abzugeben.Déjà vu. Aber einen Besseren als Macron haben wir nicht. Egal: Le Pen,Salvini,Wilders & Co wären eine Katastrophe für die Union.