Mittwoch17. Dezember 2025

Demaart De Maart

EditorialMacht Musik! Über die politische Dimension der Musik

Editorial / Macht Musik! Über die politische Dimension der Musik
Ein Konzert der Band Kraftwerk ist, hier in der Düsseldorfer Mitsubishi-Electric-Halle, früher Philipshalle, auch im digitalen Zeitalter noch ein Ereignis  Foto: Stefan Kunzmann

Musik ist immer irgendwie politisch, auch wenn sie unpolitisch wirkt. Sie sollte die Menschen verbinden, kann aber auch Ausdruck des Widerstands sein.

Als die vier Musiker von Kraftwerk am Sonntag die Bühne der Mitsubishi-Electric-Halle in Düsseldorf betraten, an ihre Pulte gingen und Stücke wie „Computerwelt“, „Autobahn“, „Das Model“ oder „Radioaktivität“ spielten, nahmen sie ihre Fans mit auf eine Reise voll elektronischer Rhythmen in den futuristischen Kosmos einer Multimediashow. Seit sich die Gruppe 1970 gegründet hat, ist sie stilprägend für etliche Musikgenres und visionär in vielerlei Hinsicht. Am deutlichsten zeigte sich im Konzert bei „Mensch-Maschine“ oder „Die Roboter“, dass die Band lange vor Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz ihrer Zeit weit voraus war.

Dass Musik nicht nur unterhält, sondern ein Spiegel der Gesellschaft oder gar Teil der künstlerischen Avantgarde sein kann, ist ein Allgemeinplatz. Auch wenn sie unpolitisch wirkt, hat sie immer eine politische Dimension. Dies gilt selbst für Liebeslieder. Ob zur Huldigung eines Herrschers, als martialische Begleitmusik für Armeen und Soldaten im Krieg, oder im Nationalsozialismus und in kommunistischen Diktaturen für Ideologie und Propaganda instrumentalisiert – Musik war immer ein Machtinstrument. Ihre emotionale Wirkung macht sie für Herrschende, Staaten, Religionen und politische Gruppen attraktiv. Die Vorliebe der Nazis für den Antisemiten Richard Wagner ist bezeichnend.

Ein anderes Beispiel zeigt die besondere Vielschichtigkeit der Musik: Während in der stalinistischen Sowjetunion genau vorgegeben war, wie systemkonform sie zu klingen hatte, zeigte Dmitri Schostakowitsch, wie er sich als Komponist seine schöpferische Freiheit bewahren konnte, indem er auf subtile, ironische Art und Weise das System kritisierte. Als Mittel des Widerstands diente Musik während der „Singenden Revolution“ im Baltikum um 1990. Die Blütezeit der Popmusik als Protestform begann Mitte des 20. Jahrhunderts: Seit den 60er Jahren wurden Rock, Folk und Black Music „mit einem neuen, der politischen Linken nahestehenden Lebensgefühl assoziiert“, schrieb der Poptheoretiker Martin Büsser. Unter anderem Jimi Hendrix, Bob Dylan und die Rolling Stones schufen den „Soundtrack der 68er Bewegung“, Soul wurde zur musikalischen Plattform der schwarzen Bürgerrechtsbewegung. Später wurde Punk zu einer prägenden progressiven Bewegung, die sich politisch links artikulierte – in Teilen auch Hip-Hop. Im Lauf der Zeit wurde ein Popgenre nach dem anderen vom Kommerz aufgesogen und vom Mainstream gefressen.

Welche Musik steht heute im besonderen Maße für die Demokratie? Es geht hierbei nicht so sehr um Musiker, die sich politisch engagieren, auch nicht um Politiker, die Musik für ihre Wahlkampfzwecke benutzen. Der Journalist Tomás Peña nennt den Jazz eine „kraftvolle Metapher der Demokratie“. Er sei mehr als ein Genre und verkörpere eine Philosophie, welche die Grundprinzipien der Demokratie widerspiegele. Sein Herzstück sei die Improvisation. „Er feiert die Individualität, Zusammenarbeit und das ständige Streben nach Harmonie inmitten unterschiedlicher Stimmen.“ Die Spontaneität des Jazz entspreche dem improvisatorischen Charakter demokratischer Entscheidungsfindung.

Nicht zuletzt können und müssen Kunst und Musik bisweilen unbequem sein, vom Noise Rock von Sonic Youth bis zur experimentellen Musik der Einstürzenden Neubauten. Musik kann jedoch auch verbinden – wie es eigentlich auch der Eurovision Song Contest tun sollte, oder wie das von Daniel Barenboim ins Leben gerufene West-Eastern Divan Orchestra, das aus israelischen und palästinensischen Musikern besteht, oder trösten, wie das Klavierspiel von Davide Martello: Der Pianist war kurz nach dem Überfall der russischen Truppen auf die Ukraine mit seinem Flügel in die Ukraine gereist, um zu spielen und, wie er sagt, „ein Zeichen für den Frieden zu setzen“.