Jeannette Braun-Giampellegrini wurde im Juni 1938 geboren und verbrachte ihre Kindheit in Niederkorn. Ihre Mutter, Fernanda Gallo, war Malerin in der Manufaktur Émaux de Longwy und sang leidenschaftlich gerne. Ihr Vater, Antonio Giampellegrini, arbeitete im Differdinger Stahlwerk der Hadir. Er hatte an der Musikschule Esch/Alzette und am Konservatorium in Luxemburg Stadt studiert und spielte Kontrabass, Saxofon und Geige. Er war es, der alles daransetzte, seine Tochter als Musikerin zu fördern. Im Interview erinnert Jeannette Braun-Giampellegrini sich: „Ech si mat Musek op d’Welt komm, well anscheinend huet mäi Papp gesot, wéi ech op d’Welt komm sinn: ‚Hatt mécht Piano!‘ Dat war bei him eng idée fixe.“
Über die Autorin
Danielle Roster ist Musikwissenschaftlerin und arbeitet als Forscherin an der Universität Luxemburg, wo sie zusammen mit Sonja Kmec und Anne Schiltz das Projekt MuGi.lu betreut. Im Rahmen von MuGi.lu hat sie das Projekt Klangbilder der Stadt Luxemburg initiiert, das im Februar in einer Kooperation zwischen der Stadt Luxemburg und der Universität Luxemburg und für einen Zeitraum von drei Jahren starten konnte. In dessen Rahmen werden neue Portale erarbeitet, die jeweils in musikalischen Veranstaltungen mit Erstaufführungen vorgestellt werden.
Die männlichen Mitglieder der Familie väterlicher- und mütterlicherseits bildeten ein Tanzorchester, das jeweils sonntags nachmittags bis spät in die Nacht in einem Repertoire aus Foxtrott, Tango und Walzer zum „Thé dansant“ aufspielte. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs kaufte der Vater ein Klavier für seine Tochter und begann sie selbst zu unterrichten, damit sie als junges Mädchen im Familienorchester mitwirken konnte.
Knapp zwei Jahre später schrieb der Vater seine Tochter in die Escher Musikschule ein, wo sie Solfège bei Louis Petit und Klavier zuerst bei Eléonore Deloos und später bei Jean Dax studierte. Sie war außergewöhnlich begabt, denn bereits mit elf Jahren erhielt sie ihren „Premier prix“ und mit 14 den „Prix supérieur“ in Klavier, beide Male mit der höchsten Punktezahl. Auf den Wunsch von Jean Dax hatte sie das Spielen von Unterhaltungsmusik aufgegeben.
Auf nach Paris
Während eines Aufenthaltes in Luxemburg entdeckte der Komponist und Direktor des Pariser Konservatoriums Claude Delvincourt die junge Pianistin und lud sie zum Vorbereitungsstudium am „Conservatoire national supérieur de musique et de danse de Paris“ ein. Im Oktober 1953 zog die 15-Jährige also, unterstützt von den Eltern, allein nach Paris, um den Unterricht von Joseph Benvenuti und seiner Assistentin Simone Druilhe-Darrieulat zu besuchen. Sie lebte bei den Soeurs de Saint-Vincent de Paul in einer Pension für berufstätige, alleinstehende Frauen. Für das achtstündige Üben in der unbeheizten Unterkunft hatte ihr die Mutter fingerlose Handschuhe gestrickt. Über diese Zeit berichtet die Pianistin: „Ech hat ee Mantel, ech hat ee Rack, ech hat eng Jupe an, c’était tout que j’avais. J’avais rien. Heiansdo hu meng Elteren, déi haten d’Suen net fir d’Pensioun ganz ze bezuelen, do sinn ech déi Zäit och nach Coursen hale gaangen oder Kanner versuerge gaangen an de Quartier.“
Ech hat ee Mantel, ech hat ee Rack, ech hat eng Jupe an, c’était tout que j’avais. J’avais rien. Heiansdo hu meng Elteren, déi haten d’Suen net fir d’Pensioun ganz ze bezuelen, do sinn ech déi Zäit och nach Coursen hale gaangen oder Kanner versuerge gaangen an de Quartier
Nach der zweijährigen Vorbereitungsphase wurde sie als reguläre Studentin am Pariser Konservatorium aufgenommen. Zu ihren Lehrer:innen zählten Joseph Benvenuti (Klavier), die heute als Komponistin international anerkannte Komponistin Elsa Barraine (Blattspiel und „harmonie pratique“), Jean Hubeau (Kammermusik), René Duclos (Solfège) und Norbert Dufourcq (Musikgeschichte). Ihre Freundin und Mitbewohnerin in der Pension war die spätere bekannte Opernsängerin Andréa Guiot, die sie öfters bei ihren Auftritten am Klavier begleitete. 1958 schloss sie ihr Musikstudium mit Erfolg ab. Sie blieb noch für zwei weitere Jahre als Korrepetitorin der „Opéra comique“ in Paris.
RTL-Orchester und Direktorin in Esch

1960 kehrte sie nach Luxemburg zurück, wo sie zunächst nur als Ersatzlehrerin in verschiedenen Musikschulen tätig war. Schnell wurde sie aber zu einer viel gefragten Klavierbegleiterin und Solistin und arbeitete unter anderem regelmäßig mit dem RTL-Orchester zusammen. Im Musikstudio von Radio Luxemburg wurden 43 Aufnahmen mit ihr aufgezeichnet. Diese befinden sich heute alle im CNA. Auf dem neuen, der Musikerin gewidmeten Portal kann man eine Auswahl davon, die die Breite des pianistischen Repertoires und musikalischen Netzwerks zeigt, hören. Die Pianistin, die gerne auch zeitgenössische Musik spielte, ist auch Widmungsträgerin einiger Klavierwerke, zum Beispiel von Claus Krumlovsky oder Walter Civitareale. 1963 wurde sie, für insgesamt zehn Jahre, festes Mitglied in dem von der Komponistin Lou Koster gegründeten Ensemble Onst Lidd. Durch das langjährige Zusammenmusizieren mit der Komponistin gilt sie heute als Expertin im Interpretationsstil der Lieder und Klavierwerke von Koster.
Mit vier Professoren des Escher Konservatoriums zusammen gründete sie das „Quintette luxembourgeois“, ein Bläserquartett mit Klavier, das rasch einen internationalen Ruf genoss. Erst 1965 erhielt die begeisterte und innovative Pädagogin an der Escher Musikschule – die 1969 zum Escher Konservatorium ernannt wurde – einen ersten festen Kontrakt als Klavierlehrbeauftragte. Zwei Jahre später wurde sie hier als Professorin für Klavier ernannt und im Herbst 1989 wurde sie stellvertretende Direktorin, einen Posten, den sie bis zu ihrer Pensionierung im Oktober 1998 innehielt.
Über MuGi.lu
MuGi.lu (Musik und Gender in Luxemburg), ein Projekt der Universität Luxemburg, erforscht, sammelt und vermittelt Wissen über Musikschaffen mit besonderem Fokus auf Geschlechterverhältnisse. Es umfasst mittlerweile neun digitale Portale (www.mugi.lu). Das Portal zu Jeannette Braun-Giampellegrini enthält rund 80 Quellendokumente: neben einer Auswahl von Musikaufnahmen, Fotos, Korrespondenz, Konzertprogramme, Presseausschnitte, TV-Sendungen auch einige Auszüge aus einem längeren, von Anne Schiltz für das Portal gefilmten Interview. MuGi.lu verfügt des Weiteren über ein digitales Archiv zu dieser Pianistin von insgesamt mehr als 500 Dokumenten. (Kontakt: [email protected])
Als Klavierlehrerin, mit einer eigenen ganzheitlichen und kindgerechten Methodik, war sie sehr beliebt. Über ihr beständiges Suchen in dieser Vermittlungsarbeit nach den besten Zugängen spricht sie auch heute noch mit großer Freude: „Wéi bréngs du dat deene Kanner bäi? […] All Kand ass ee Charakter. Du muss dat mol kenneléieren. […] Ech hu mir Méi ginn, fir se ze verstoen. […] Jo, ech hunn ëmmer Geschichten erzielt. […] Ech hu mat de Schüler heiansdo gedanzt, fir dass se de Rhythmus spieren. […] du muss däin Instrument kennen. […] An da gees de an d’Musek eran. Là, ça devient bon. An dann erliefs du dat. Da kënnt dat vu bannen. […] On a regardé le piano, fir dat se kënneg si mat hirem Instrument. Déi aner kréien dat esou an de Grapp, mee hei stees de virun eppes. […] Do waren d’Kanner interesséiert, well se bannen dra gesinn, wat lass war. Mir hu virgespillt, mir hunn héieren, dat ass déif … […] De Piano op, an da mat der Pedal, an da kënne se erajäizen, an dann héieren se mol … Jo, wéi dat kléngt … […] Déi bescht Method ass ëmmer vun engem Proff: Setz dech un de Piano, spill et vir, dann ass deng Erklärung scho gutt.“
Auch privat, in ihrer eigenen Familie, spielte und spielt Musik eine große Rolle: 1968 hatte sie den heute verstorbenen Militärmusiker Jean-Pierre Braun geheiratet, den sie zuvor in Klavier unterrichtet hatte. Zwei Jahre später war ihr Sohn Jean-Claude zur Welt gekommen, der heute als Dirigent der Militärmusik Luxemburg wirkt. Und auch ihre Schwiegertochter Isabelle Dominicy und ihre Enkel:innen haben sich der Musik verschrieben. Jeannette Braun-Giampellegrini wird weiterhin als Mitglied internationaler Jurys nach Metz, Brüssel und Nancy unter anderem berufen und spielt als 86-Jährige noch immer täglich Klavier.


De Maart
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