Hass im Netz ist ein Thema, an dem kaum ein Internetnutzer vorbeikommt. Besonders hart trifft es derzeit Menschen, die sich mit dem Wetter auseinandersetzen. In ganz Europa werden Meteorologen regelmäßig zur Zielscheibe für Beleidigungen, Anfeindungen und Gewaltandrohungen – auch in Luxemburg.
Tageblatt-Wetterexperte Philippe Ernzer von Météo Boulaide bezeichnet die Zeit vor der Corona-Pandemie als „gute, alte Zeit“. Damals habe er noch guten Gewissens seine Nachrichten lesen können – es war unwahrscheinlich, „dass wieder jemand einen Roman geschickt hat, nur um einem zu sagen, dass man ein Vollidiot ist“. Negative Kommentare hätten hauptsächlich darin bestanden, dass die Leute eine Wetterprognose nicht glauben wollten. Doch seit Corona sei es anders – es habe angefangen, „richtig extrem“ zu werden.
In den vergangenen Monaten gab es tatsächlich einen Menschen, der fast handgreiflich wurde
„Man wird oft in Ideologien hineingezogen, von denen man selbst nicht wusste, dass Leute daran glauben“, sagt Ernzer. „Der Hauptvorwurf ist meistens, dass wir vom Staat dafür bezahlt werden, um mit dem Klimawandel Panik zu verbreiten oder zu vertuschen, dass das Wetter manipuliert wird.“ Diese Menschen mit Fakten zu konfrontieren, beschreibt der Experte als schwierig – oft habe man keine Chance, zu ihnen durchzudringen, um sie aufzuklären. „Wir befassen uns nicht nur mit Studien, sondern messen mit unseren Wetterstationen auch selbst – da ist nichts manipuliert“, sagt der Experte.
Der Ton wird immer aggressiver
Er selbst erhalte über die sozialen Medien nicht nur viele Beleidigungen, sondern auch regelmäßige Gewaltandrohungen. Auch mit dem Tod sei ihm bereits gedroht worden. Doch das aggressive Benehmen mancher User beschränkt sich nicht auf das Internet: „In den vergangenen Monaten gab es tatsächlich einen Menschen, der fast handgreiflich wurde“, sagt Ernzer. Vor den Attacken im „echten Leben“ bleibe inzwischen auch seine Familie nicht verschont.
Begegnungen, die Spuren hinterlassen. Und unter denen auch das eigene Sicherheitsgefühl leidet. „Ich gehe meistens nicht mehr alleine raus“, sagt der Wetterexperte. „Das klingt vielleicht ein bisschen extrem, aber ich fühle mich sicherer, wenn ich Leute um mich herum habe – man weiß ja nie.“
Die Kommentare ganz abzuschalten, komme jedoch nicht infrage – das bestrafe einerseits die Leute, die nicht beleidigen, und sei andererseits schlecht für die Verteilung seiner Berichte. „Das, was ich hier mache, ist meine Leidenschaft“, sagt Ernzer. Er wolle sich das nicht kaputtmachen lassen. Dennoch frage er sich oft auch, ob es noch Sinn ergebe, so weiterzumachen wie bisher – ob er nicht doch etwas anders machen könne. Aktuell tue er sich schwer damit, seine Nachrichten überhaupt zu lesen.
Persönliche Angriffe gehören zum Alltag
Auch Sven Rock, der Betreiber von Météo Réimech, bestätigt die zunehmende Aggressivität im Internet. In einem Facebook-Post vom Montag beschreibt er den Ton im Netz als „extrem ekelig“ – es sei in den vergangenen Monaten und Wochen immer schlimmer geworden. „Sonst war es üblich, dass Diskussionen zum Klimawandel eskaliert sind. Jetzt muss man eigentlich bei jedem Bericht befürchten, dass es zu eskalierenden Diskussionen kommt“, sagt Rock, der sich zusätzlich zu seiner Arbeit täglich zwischen vier und acht Stunden mit dem Wetter beschäftigt, auf Nachfrage vom Tageblatt.
Den Meteorologen werde vorgeworfen, „wir seien Staatsmarionetten, wir würden vom Staat bezahlt, wir würden von Lobbyisten aus Brüssel bezahlt, und so weiter“, sagt der Experte. Basieren würden sich die Leute bei solchen Aussagen auf „komische Blogartikel“ oder eher rechte Medien.
Persönliche Angriffe seien in den vergangenen Monaten und Wochen zum Alltag geworden. „Bei mir selbst handelt es sich bisher ‚nur‘ um Beleidigungen, Unterstellungen und diffuse Bedrohungen“, sagt Rock. Er könne jedoch „relativ gut“ damit umgehen – Arbeit, Sport sowie der Rückhalt von Familie und Freunden erlaubten es ihm, genügend Abstand zu halten. Dennoch ist der Hass im Netz auch mit einem gewissen Zeitaufwand verbunden: „Neben dem Löschen und Blockieren von Kommentaren speichere ich auch viele Attacken und melde sie bei BeeSecure – wegen Cybermobbing oder Beleidigung“, sagt Rock.
Eskalationen beeinflussen Arbeitsweise
Einen Angriff im echten Leben hat er bisher noch nicht erlebt – und bezweifelt aktuell, dass das passieren wird. „Ich hatte bereits ein paar Fälle, bei denen mich Leute im Internet angegriffen haben, die mich persönlich kennen. Wenn ich ihnen dann in der Öffentlichkeit begegnet bin, haben sie entweder kehrtgemacht oder den Boden angeschaut“, sagt der Wetterexperte. Angst vor einem körperlichen Angriff hat er nicht – sollte es zu einer Attacke kommen, würde die Gesellschaft nicht wegsehen.
Man muss aufpassen, was man schreibt, wie man es schreibt und sogar mittlerweile, zu welcher Tagesphase man es schreibt
Auf seine Arbeitsweise hätten die Hasskommentare jedoch sehr wohl einen Einfluss. „Man muss aufpassen, was man schreibt, wie man es schreibt und sogar mittlerweile, zu welcher Tagesphase man es schreibt“, sagt Rock. Verschiedene Themen seien mittlerweile Tabu-Themen geworden, weil sie „einfach nur zu unnötigen Diskussionen führen“ – zum Beispiel verschiedene Wolkenformationen oder Saharastaub. Auch Rock möchte seine Kommentarfunktion trotz allem nicht vollständig abschalten – sonst gehe die Dynamik seiner Seite verloren. Dennoch hinterlassen „der Hass, die Hetze, die unnötigen Diskussionen“ ihre Spuren, wie er in seinem Facebook-Beitrag schreibt.
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De Maart

"Digitale Demenz" ein Buch von Manfred Spitzer. Da ist von der "Google-Generation" die Rede. Gemeint sind Menschen, die ohne das geringste Grundwissen,auf Falschinformationen hereinfallen. Da das Grundwissen fehlt saugen sie jeden Mist in sich auf und treten dann als "Fachleute" auf,meist im Netz,da sie da unantastbar sind. Es gibt da einen sehr bekannten Kandidaten.Er ist Präsident der USA.