Am Montag- und Dienstagabend wurden beim „City Open Air Cinema“ in den Rotondes zwei Filme aus der Rubrik „Freaks & Geeks“ gezeigt. Die Rede ist vom Trash-Klassiker „The Room“, erschienen 2003, und „The Disaster Artist“ (2017), der Hommage an den vermutlich „besten schlechtesten“ Film auf Erden.
Von Caroline Rocco
Die narrative Ebene von „The Room“ ist schnell erzählt. Johnny (Tommy Wiseau) ist ein erfolgreicher Banker, der seine Freundin Lisa (Juliette Danielle) bald heiraten möchte. Jedoch langweilt sie ihr zukünftiger Ehemann und sie betrügt diesen mit seinem besten Freund Mark (Greg Sestero). Hinzu kommt Denny (Philip Haldiman), ein Nachbarjunge, der für das Paar wie ein Adoptivsohn ist. Er ist in Lisa verliebt und äußert bereits während der ersten zehn Minuten des Films seinen Wunsch, ihnen beim Sex zugucken zu dürfen. Das lehnt das Paar jedoch liebevoll ab und schickt den Jungen fort.
Das bunte Treiben wird vervollständigt durch Lisas krebskranke Mutter Claudette (Carolyn Minott) und diverse Freunde.
Neben dem klar überschaubaren Haupterzählstrang werden im Laufe des Films weitere Nebenstränge angedeutet (Red Herring? MacGuffin?!), die jedoch ins Nichts führen. So wird man keine Antwort auf die Frage finden, was denn nun mit der an Brustkrebs erkrankten Claudette passieren wird oder was es mit dem Unterwäsche-Problem von einer von Lisas Freundinnen auf sich hat.
Nach gefühlten zwanzig eher lausigen Sexszenen, einem größeren Streit und Hunderten „I don’t wanna talk about it“-Szenen eskaliert gen Ende die Situation und mündet in einen Suizid.
Auf formaler Ebene geht so vieles schief, dass es den Rahmen des Artikels sprengen würde. Kurz und knapp: Die Kameraführung ist schlampig, die Vertonung lässt zu wünschen übrig, die Musik gibt einem das Gefühl, in einer amerikanischen „Sub-Cult Soap Opera“ festgefahren zu sein und die visuellen Effekte sind alles andere als unsichtbar.
Dennoch bleibt die Faszination. Tommy Wiseau ist ein Gesamtpaket, ein Phänomen. Er ist Autor, Produzent, Schauspieler und Regisseur und vereint alle Posten unter einem Hut. Er ist ein dunkelhaariger Mann mit leuchtend blauen Augen und stählernem Körper. Es reicht trotzdem nicht, um den Helden spielen zu dürfen. Ihm wird vorgeworfen, ein Bösewicht-Gesicht zu haben. Grässlich-schön. Oft hört man sogar den Vergleich mit Frankensteins Monster.
Sein Schauspiel und seine Qualitäten als Regisseur sind im Gegensatz zu seinem Aussehen alles andere als überzeugend. Wiseau ist vergleichbar mit einem Fisch, der versucht, einen Film zu drehen, ohne im Vorfeld zumindest einen Hauch von Grundverständnis für zwischenmenschliche Beziehungen entwickelt, geschweige denn die Sprache des Kinos verinnerlicht zu haben.
Der Hype um die beiden Filme ist nicht zu verleugnen und auch an diesen beiden Abenden haben der hartgesottene Fan, der Neugierige und Schaulustige sowie auch der Kritiker zueinander gefunden und sich amüsiert. Der Grund dafür ist nicht der Film selbst, sondern die für ihn angepassten Spielregeln, wie bei einem Trinkspiel. Wer wirft nicht gerne mit umweltfreundlichen Plastiklöffeln um sich und schreit „Spoon!“ jedes Mal, wenn ein Löffel im Hintergrund zu sehen ist?
Der Zuschauer kann sich aktiv begeistern lassen, jedoch nicht vom Film selbst, keineswegs, sondern durch das Erlebnis des Film-Anschauens. Es ist ein Ereignis vergleichbar mit Musicals, bei denen man die bekannten Lieder lauthals mitschreien oder sich verkleiden darf („Mamma Mia!“ oder „The Rocky Horror Picture Show“). Es ist das Beisammensein, was diesen Trash-Klassiker so anziehend macht. Nach einer Stunde zwanzig Minuten mittleren bis starken Wahnsinns kann man sich vor Lachen kaum noch auf dem Stuhl halten. Klingt eigentlich schrecklich, über anderer Leid zu lachen, doch ein schlechtes Gewissen braucht man trotzdem nicht zu haben.
Bei dem ganzen Trubel bleibt dennoch eine Frage: Wie kann ein Mensch so viel in ein Vorhaben investieren und seine volle Überzeugungskraft hineinstecken, obwohl der Film klar zum Scheitern verurteilt war? Diese Frage wird in „The Disaster Artist“ zum Hauptthema und macht den Film deshalb so spannend, weil man dem unergründlichen Tommy Wiseau endlich auf die Spur kommen darf.
Doch während „The Room“ dank seiner unkonventionellen Form und einer primitiven Erzählstruktur mit ungewollter, aber gewaltiger Wucht einschlägt (abgesehen von einer kurzen, dumpfen Implosion in den ersten Wochen), ist „The Disaster Artist“ zwar eine liebevolle Hommage, doch nur ein mittelmäßiger Hollywood-Blockbuster.
Gleiche Erzählstruktur, gleiche Gags, selbst die Kameraführung beschränkt sich auf Schuss-Gegenschuss-Montagen, die mehr dem schnellen Fluss von Information dienen als neu und überraschend zu wirken. Hollywood hat ein neues Produkt geschaffen. Nicht mehr und nicht weniger. Gerade einem Film, bei dem man sich erwartet, dass er vor Wiseaus Genie niederkniet, hätte ein Funken mehr Kreativität gutgetan.
Dennoch machen die beiden Streifen einfach Spaß und reichen vollkommen für einen gelungenen Abend unter Freunden und Bekannten. Somit will nicht nur dem Trash-Kult gedient sein, sondern auch unserer heimischen Feier- und Biertradition.
De Maart
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