Samstag25. Oktober 2025

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InterviewLuxemburger Jugendschützer über Rachepornos, Cybermobbing und die Serie „Adolescence“

Interview / Luxemburger Jugendschützer über Rachepornos, Cybermobbing und die Serie „Adolescence“
Jeff Kaufmann von Bee Secure Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Die Plattform „Bee Secure“ verweist auf ihrer Website auf die Serie „Adolescence“: Sie dient als Anhaltspunkt zur Aufklärung über Internetphänomene unter Jugendlichen. Jeff Kaufmann, Projektleiter bei „Bee Secure“, im Interview.

Tageblatt: Wie präsent sind die Themen der Serie „Adolescence“, vor allem genderbasierte Gewalt unter Jugendlichen, in Luxemburg?

Jeff Kaufmann: Luxemburg ist keine Insel. Wir führen keine offiziellen Statistiken zur Incel-Community in Luxemburg, doch wir wissen: Junge Menschen beschäftigen sich auch hierzulande mit diesen und anderen Themen, beispielsweise durch Inhalte auf sozialen Plattformen und Internetforen wie TikTok oder Reddit.

Warum untersuchen Sie nicht, wie viele Menschen in Luxemburg in Incel-Communitys vernetzt sind?

Die Themen, mit denen wir uns im „Bee Secure Radar“ befassen, variieren jährlich. Vergangenes Jahr haben wir Künstliche Intelligenz einbezogen und es ist denkbar, dass wir in einer nächsten Ausgabe der Thematik der Subkulturen – wie zum Beispiel Incel-Communitys – nachgehen.

Ein weiteres Phänomen, das Jugendliche in der Serie besonders hart trifft, ist das Cybermobbing.

Wir betreiben seit 15 Jahren Sensibilisierungsarbeit hierzu. Es ist ein anhaltendes Phänomen. Nach dem „Bee Secure Radar 2025“ bestätigen 44 Prozent der 17- bis 30-Jährigen sowie der 12- bis 16-Jährigen, mindestens schon einmal von Cybermobbing betroffen gewesen zu sein. Wichtig ist: Die Übergänge von der Online- zur Offline-Gewalt sind fließend. Wir werden hierzu regelmäßig von Schulen kontaktiert und um Rat gebeten.

Die Trennung zwischen realer und digitaler Welt können wir vergessen – sie existiert nicht mehr, schon gar nicht für Jugendliche.

Jeff Kaufmann, BEE SECURE

Wie oft wird aus digitaler körperliche Gewalt in Luxemburg?

Das ist schwer zu beziffern. Klar ist: Wir können und dürfen Gewalt auf digitalen Plattformen nicht isoliert betrachten, denn sie sind Teil unseres sozialen Umfeldes. Die Trennung zwischen realer und digitaler Welt können wir vergessen – sie existiert nicht mehr, schon gar nicht für Jugendliche.

Erfahren Jungen und Mädchen unterschiedliche Formen digitaler Angriffe?

Frauen sind stärker von ‚revenge porn‘ betroffen: Das beschreibt die unerlaubte Weitergabe von Intimfotos und -videos, um die Person online oder offline anzugreifen. Das geht oft mit Mobbing einher. Auch unter Stalking leiden Frauen häufiger als Männer. Bei ‚sextorsion‘ ist das Gegenteil der Fall – das trifft eher junge Männer. Darunter versteht man die Erpressung mit intimen Inhalten.

Wie kommt es dazu?

Erwachsene mit falschen Profilen locken Jungen auf Dating-Plattformen an und fordern intime Inhalte. Später stellt sich heraus, dass es sich um Kriminelle handelt, welche die Jugendlichen mit den verschickten Dateien erpressen.

Weshalb eignet sich „Adolescence“ gut, um all das aufzugreifen?

Die erste Botschaft, welche die Serie vermittelt, ist: Erwachsene sollten sich über die digitale Lebensrealität der jungen Menschen informieren und sich bewusstwerden, wie wichtig diese für Jugendliche ist. Digitale Netzwerke sind eine Kommunikationsplattform und entsprechen selten dem, wofür Erwachsene sie halten oder wofür sie soziale Medien nutzen.

Inwiefern?

Die Jüngeren konsumieren andere Inhalte, sind in Online-Subkulturen unterwegs. Im Kontext von Videospielen ist oft von Gewalt oder Sucht die Rede, dabei spielen die meisten Jugendlichen zum Spaß und um soziale Kontakte zu knüpfen. Sie kommunizieren während des Spiels mit Bekannten oder es entstehen neue Freundschaften. Die Gespräche werden auf Plattformen wie Discord oder Reddit ausgelagert und gehen über das Spiel hinaus. Manche radikalisieren sich dort und geraten in toxisch männliche Communitys – das ist natürlich möglich. Erwachsene müssen jedoch einen Raum schaffen, in dem Jugendliche ohne Angst vor Verurteilung über ihre Online-Aktivitäten sprechen können. Die Serie bildet einen guten Ausgangspunkt, um über Gruppenzugehörigkeiten zu sprechen.

Planen Sie weitere Aktionen hierzu?

In den kommenden Wochen werden wir tiefer auf bestimmte Themenfelder eingehen, so beispielsweise auf Emojis: Was bedeuten sie in den sozialen Netzwerken? Für Erwachsene ist Aubergine ein Gemüse, für Jugendliche stellt sie ein Geschlechtsteil dar – um nur ein Beispiel zu geben.


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