Zurückhaltung und Bescheidenheit. Zum Teil Fremdwörter in der Fußball-Rhetorik. Dass das ethisch sicherlich fragwürdig ist, steht außer Frage. Ein Versuch, die eine oder andere verbale Eskapade zu erklären (ohne sie zu rechtfertigen), und der Beweis, dass es sogar Vorteile haben kann, eine Nationalmannschaft als „Hütchen mit Beinen“ zu betiteln.
Während banale Fachsimpelei und angebliche Expertise vor ein paar Jahren nicht viel weiter als über die Theke im Stammlokal hinauskamen, wird die eigene Meinung inzwischen fast bedenkenlos im öffentlichen Raum zur Schau gestellt – den sozialen Medien sei Dank. Es ist kein Geheimnis: Nicht jeder Kommentar bleibt über der Gürtellinie, denn die Sportart Nummer eins ist populär, polarisierend und emotionsgeladen.
Und dann gibt es noch eine andere Sparte. Die echten Kenner. Sie sind ehr- und vertrauenswürdig. Bekannte Leistungsträger, Trainer und Co., die ihr Fachwissen und die Spielanalyse gerne mal mit dem breiten Publikum in einer TV-Sendung teilen. Zu diesen Kandidaten gehört bei Talkrunden häufig Peter Neururer. Ein Mann, der für seinen Ruf als „Feuerwehrmann“ im deutschen Trainerbusiness bekannt wurde – und eben nicht für Zurückhaltung und Bescheidenheit. Zu den bekanntesten Anekdoten dieser Persönlichkeit gehört ein Vorfall aus dem Jahr 2015, als man sein Kennzeichen während der Halbzeitpause in Bielefeld auf der Anzeigetafel einblendete: Der Sport1-Experte musste kurzerhand das Mikrofon niederlegen und sein Auto umparken, da er immerhin 50 Wagen blockierte.
Es besteht kein Zweifel: Der inzwischen 70-jährige Neururer, der in seiner Biografie als Ruhrpotthund beschrieben wird, hätte die Luxemburger Fußballnationalmannschaft nicht in einem „Hütchen mit Beinen“-Vergleich umschreiben müssen, um seinen Standpunkt zu untermalen. Doch sind einige provokative Äußerungen und Grenzüberschreitungen nicht genau das, was man in dieser Rolle (und einer gewissen Stammtisch-Atmosphäre) eigentlich von ihm erwartet? Wahrscheinlich schon, ansonsten wären diese Formate schon längst vom Programm der Fernsehsender verschwunden.
Für die „Roten Löwen“ wird diese verbale Grätsche nicht mehr als ein zusätzlicher Motivationsschub sein, am Freitag das Gegenteil zu beweisen. Auf diesem Niveau haben Profispieler ohnehin gelernt, nicht auf solche Kommentare einzugehen. Außerhalb der Kabinen hatte die Hütchen-Causa aber auch ihre gute Seite: Wenige Tage vor dem Duell in Sinsheim rüttelten die unüberlegten Worte die Luxemburger Fans noch mal richtig wach. Innerhalb weniger Stunden wurden die verbleibenden Eintrittskarten des Auswärtsblocks verkauft. Es scheint, als hätte Neururer also schlussendlich für etwas zusätzliches Zusammengehörigkeitsgefühl im FLF-Fanblock gesorgt.
De Maart

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