RückblickLuxemburg – Katar: Eine wirtschaftliche Beziehung, um die es ruhig geworden ist

Rückblick / Luxemburg – Katar: Eine wirtschaftliche Beziehung, um die es ruhig geworden ist
Blick auf die Skyline von Doha Foto: AFP/Gabriel Bouys

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Nach der Finanz- und Schuldenkrise von 2008/11 sah es kurzfristig aus, als würde Katar zu einem der wichtigsten Partnerländer überhaupt für die Luxemburger Wirtschaft werden. Davon übrig geblieben ist jedoch nur noch wenig.

Nichts weniger als eine „langfristige strategische Partnerschaft“ von zwei kleinen Staaten hatten Premierminister Jean-Claude Juncker und der katarische Premier Scheich Hamad ibn Dschasim ibn Dschabir Al Thani am 9. Juni 2011 in Luxemburg angekündigt. Auf einen Schlag wurden gleich mehrere Abkommen in unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen (Luftfahrt, Satelliten und Finanzen) unterzeichnet.

„Katar ist ein kleines Land wie unseres“, so Jean-Claude Juncker damals über den neuen Partner aus dem Persischen Golf. Hervorgehoben wurden die vielen Gemeinsamkeiten der zwei kleinen und dynamischen Länder: Beide Länder zählen zu den reichsten der Welt, sind geschäftstüchtig und haben einen Finanzplatz. Beide sind unter anderem wegen international tätigen Medienkonzernen weltweit bekannt geworden – RTL in Luxemburg und Al Jazeera in Katar.

Zudem strengen sich beide Länder an, um ihre Volkswirtschaften zu diversifizieren. Katar sucht nach Alternativen zum Verkauf von Öl und Gas – Luxemburg nach zusätzlichen Geschäftsfeldern außerhalb der Finanzindustrie. Daneben haben beide einen hohen Ausländeranteil in ihren jeweiligen schnell wachsenden Bevölkerungszahlen. Etwa 90 Prozent der 2,8 Millionen Einwohner Katars sind Ausländer.

Entstanden war die angekündigte Partnerschaft nicht „spontan“ aus dem Nichts, so Juncker damals weiter. Sowohl Finanzminister Luc Frieden als auch Wirtschaftsminister Jeannot Krecké hatten das Land, wie auch andere am Persischen Golf, in den Jahren zuvor mehrmals besucht. Es sei ein langer Prozess von Vertrauensbildung gewesen. Mitgeholfen haben wohl auch die Beziehungen der Herrscherfamilien beider Länder.

Ein vielversprechender Anfang

Der Anfang war vielversprechend: Das wichtigste Abkommen für Luxemburg, das damals unterzeichnet wurde, war der Kauf durch Qatar Airways von 35 Prozent an der Luftfrachtgesellschaft Cargolux. Ein Luxemburger Traditionsunternehmen. Lange war zuvor nach einem langfristigen industriellen Partner gesucht worden.

In der Diskussion stand auch die Errichtung einer Passagier-Fluglinie zwischen Doha, Katars Hauptstadt, und Luxemburg. „Die Pläne sind schon relativ konkret“, war damals aus Regierungskreisen zu erfahren.

Die erste Seite einer Tageblatt-Ausgabe aus dem Jahr 2011
Die erste Seite einer Tageblatt-Ausgabe aus dem Jahr 2011

Bis Jahresende waren weitere große und für Luxemburg wichtige Abkommen ausgehandelt worden. Ein katarischer Staatsfonds kaufte über seine Luxemburger Tochtergesellschaft Precision Capital erst die traditionsreiche Privatbank KBL und später noch 90 Prozent an der Dexia BIL, die so wieder zur BIL werden konnte. Mit einem Schlag war der Katar zu einem großen Akteur am Finanzplatz geworden.

Es war eine Zeit, in der Investoren aus dem Katar quer durch Europa (krisenbedingt günstige) Beteiligungen an vielen Konzernen kauften. Nach der Finanzkrise wurden vielerorts neue Geldgeber gesucht. Und in Katar suchte man nach Anlegemöglichkeiten für die Einnahmen aus dem Energiegeschäft.

Euphorie schnell wieder verflogen

Die anfängliche Euphorie war jedoch überaus schnell wieder verflogen. Schnell wurde klar, dass es sich für die Geschäftsleute vom Persischen Golf weniger um eine „strategische“ Liebesbeziehung, sondern vielmehr „nur“ um eine gewöhnliche Geschäftsbeziehung handelte.

Besonders die Zusammenarbeit zwischen Cargolux und Qatar Airways klappte nicht. Schnell wurde festgestellt, dass es sowohl in der Unternehmenskultur als auch bei der langfristigen Vision und vor allem der Führungskultur große, unüberbrückbare Differenzen gab. Keine zwei Jahre später kaufte der Luxemburger Staat die Anteile, für den gleichen Preis, wieder zurück. Ein neuer Partner wurde 2014 mit der HNCA (Henan Civil Aviation and Investment) gefunden. Die Firma aus China übernahm den Aktienanteil – und hält ihn auch heute noch.

Auch die erwartete Passagier-Flugstrecke zwischen Luxemburg und Doha wurde nie aufgebaut. Regelmäßig fliegen heute jedoch Maschinen von Qatar Airways Cargo den Findel an. Die Luxair fliegt zum Persischen Golf, doch nach Dubai.

Im Jahr 2015 hat der katarische Staatsfonds seinerseits entschieden, seine Beteiligung von fast 90 Prozent an der BIL an Investoren aus China zu verkaufen. Diese hatten den Katarern rund das Doppelte von dem ursprünglichen Kaufpreis geboten.

Precision Capital hält aber weiterhin die ehemalige KBL (mittlerweile in „Quintet Bank“ umbenannt), und baut sie weiter aus. Der Sitz von Precision Capital wurde jedoch Ende letzten Jahres von Luxemburg nach Katar verlegt.

Wenig Waren – viel Finanzen

Alles in allem ist der Warenhandel zwischen den beiden Staaten heute verschwindend gering. Was die Exporte angeht, nimmt Katar im Ranking der wichtigsten Handelspartner des Großherzogtums Platz 62 ein und liegt somit zwischen Gibraltar und der Dominikanischen Republik. Es steht (laut letzten Zahlen) 2021 für einen Anteil von 0,06 Prozent an den Luxemburger Exporten. In der Liste der wichtigsten Importakteure kommt Katar nicht einmal vor. Es könnte aber sein, dass Katar Herkunftsland von einem Teil des hierzulande verbrauchten LNG-Gases ist, das über Belgien importiert wird.

Gewichtiger bleibt die Beziehung beider Staaten jedoch im Finanzbereich. Luxemburg ist ein Finanzplatz, der sich auf grenzübergreifende Dienstleistungen spezialisiert hat, und Katar verdient immer noch viel Geld aus dem Verkauf von Öl und Gas, das es für die Zukunft gewinnbringend anlegen will.

Trotzdem ist Handelsvolumen beider Staaten, verglichen mit vor zehn Jahren, deutlich geschrumpft. Bei Waren und Dienstleistungen sowohl bei Importen als auch bei Exporten.

In beiden Bereichen (Waren und Dienstleistungen) erwirtschaftet Luxemburg einen Überschuss im beidseitigen Handel. Bei den Waren war es 2021 ein Plus von sechs Millionen Euro. Bei den Dienstleistungen ein Plus von 38 Millionen.

Dass das Handelsvolumen seit Jahren rückläufig ist, erklärt das Wirtschaftsministerium so: „Seit der Eröffnung einer Botschaft (2011) und besonders von einem Luxemburger Trade and Investment Office (LTIO) in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) haben sich die Promotionsanstrengungen des Ministeriums in dieser Region mehr auf die VAE fokussiert. Auch die Märkte in der VAE sind – schon allein von der Zahl der Einwohner her – interessanter für Luxemburger Betriebe, die von dort aus auch einen besseren Zugang zu anderen Ländern in der Golfregion haben.“

Die Entwicklung der Handelsbeziehung zwischen Luxemburg und Katar
Die Entwicklung der Handelsbeziehung zwischen Luxemburg und Katar
blumrom
21. November 2022 - 0.41

Dieser Artikel war längst überfällig um gewisse Fakten wieder ins Gedächtnis zu rufen.