Seit 22 Jahren veröffentlicht die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ihre „Europe Attractiveness Research“ – und zum zweiten Mal die Ausgabe zum hiesigen Wirtschaftsstandort, betonte Olivier Coekelbergs, der geschäftsführende Gesellschafter von EY Luxembourg. „In unserem ersten Bericht im letzten Jahr, der die FDI-Daten für 2021 analysierte, hatten sich die Investitionen in Luxemburg und Europa von der Gesundheitskrise erholt“, so Coekelbergs. „Im Jahr 2022, als sich die Auswirkungen der Pandemie deutlich abgeschwächt hatten, führten der Krieg in der Ukraine und die geopolitischen Spannungen zu steigenden Zinssätzen, zur Inflation und zu einer Störung der globalen Lieferketten.“
Einer der wichtigsten Wachstumstreiber ist die Fähigkeit eines Landes oder einer Region, Investitionen anzuziehen, um wettbewerbsfähiger zu werden und Arbeitsplätze zu schaffen. Aber was sind die Faktoren, welche die Entscheidungen von potenziellen Investoren beeinflussen? Und was sind die Haupthindernisse? Einerseits wirft die Studie einen Blick auf die Realität der FDI, und nutzt dabei die eigene Datenbasis, den EY European Investment Monitor. Dabei werden die Investitionen analysiert. Andererseits wird die Wahrnehmung der Attraktivität Europas mit Hilfe einer Umfrage unter internationalen Entscheidungsträgern gemessen.
Zuwachs um 48 Prozent
Eine bedeutende Rolle, gerade in einem Wahljahr, spielen sicherlich auch die Strategien, um Investitionen im Land anzuziehen – oder abzuhalten. Dass Luxemburg besser abschneidet als die anderen Länder Europas, erklärt EY-Experte Julien Delpy: Während europaweit die FDI im vergangenen Jahr von 5.877 (2021) auf 5.962 anstiegen und damit fast zum Stillstand kamen, was einen geringfügigen Anstieg von einem Prozent bedeutete, verzeichnete Luxemburg einen starken Zuwachs um 48 Prozent. Damit lag das Land mit 5,83 Projekten pro 100.000 Einwohnern an erster Stelle, verglichen mit 3,94 im Vorjahr. Die Spitzenpositionen behielten Frankreich, das Vereinigte Königreich und Deutschland, die mehr als 50 Prozent aller Projekte in Europa ausmachen. Sie hatten nur wenige Verluste. Derweil verzeichneten Portugal (plus 24 Prozent), Italien (plus 17 Prozent), Polen (plus 23 Prozent) und die Türkei (plus 22 Prozent) zweistellige Zuwächse ebenso wie Irland (plus 21 Prozent), das viele Parallelen zu Luxemburg aufweist, insbesondere im Finanz- und Vermögensmanagement.
Während 67 Prozent der Anleger planen, in den nächsten Monaten in Europa zu investieren, nennen elf Prozent Luxemburg ausdrücklich als eines der attraktivsten Länder Europas, verglichen mit neun Prozent im Jahr zuvor. Damit liegt das Großherzogtum gemeinsam mit der Schweiz auf dem achten Platz. Die ausländischen Direktinvestitionen steigen hauptsächlich in den wirtschaftsstützenden Sektoren: Unternehmensdienstleistungen stellen 54 Prozent aller FDI. Dieser primäre Investitionsschwerpunkt stehe, so die EY-Experten, nicht im Einklang mit dem Ziel des Landes, industrielle und primäre Geschäftsaktivitäten anzuziehen. Die Zahl der Projekte, bei denen es um reines verarbeitendes Gewerbe geht, habe sich sogar halbiert. Die oberste Priorität werde darin bestehen, wichtige übergreifende Hindernisse für das Unternehmenswachstum zu beseitigen – etwa Grundstückskosten, aber auch Arbeitskosten und Steuern.
Mangelnde Beweglichkeit
Die Wirtschaftsberater haben verschiedene Bereiche ausgemacht, die mögliche Risiken bergen: So macht der Finanzplatz Luxemburg 27 Prozent des Marktanteils des FDI-Marktes aus, weit überdurchschnittlich im Vergleich zu ganz Europa (fünf Prozent). Die Fondsbranche floriert aufgrund eines beweglichen Finanzsystems, doch gibt es aus EY-Sicht erste Warnzeichen hinsichtlich der Regulierungsagilität. Mehr als 40 Prozent der Investoren bewerten die Geschwindigkeit der Umsetzung sowie die Genehmigung als weniger attraktiv. Das Thema der mangelnden Beweglichkeit zieht sich durch alle Bereiche des Finanz- und Vermögensmanagements, so Delpy. Luxemburg solle danach streben, ein „gesundes Gleichgewicht zwischen Pragmatismus und Compliance zu finden“. Luxemburg habe zwar im Bereich der grünen Finanzen von der frühzeitigen Einführung von Initiativen wie „Luxembourg Green Exchange“ (LGX) profitiert, über die Einhaltung der EU-Richtlinien hinaus wird Luxemburg jedoch „ermutigt“, proaktiver vorzugehen und die nachhaltige Finanzlandschaft aktiv mitzugestalten. Dazu zählt nicht zuletzt die Koordination verschiedener Interessengruppen.
Laut Umfrage gaben 40,4 Prozent der Befragten an, dass Luxemburg sich darauf konzentrieren solle, Hightech-Industrien und Innovationen zu unterstützen, ebenso (36,4 Prozent) kleinere und mittlere Unternehmen. Die Investoren sind optimistisch, was die Arbeitskräfte in Luxemburg mit technischen Fähigkeiten angeht. Auch sind mehr als 80 Prozent der Meinung, dass die lokalen nachhaltigen Ökosysteme hierzulande gut oder sogar besser als anderswo funktionieren. Allerdings stimmten die FDI für das Kerngeschäft – etwa Fertigung, Forschung, Entwicklung, Logistik – noch nicht mit diesen positiven Wahrnehmungen überein. Mit seinen mittlerweile mehr als 60 Raumfahrtunternehmen, Forschungslabors und 800 Fachleuten ist Luxemburg führend bei Initiativen, die Raumfahrt betreffen, und hat das Potenzial, noch mehr internationale Akteure anzuziehen, indem es sich mit globalen Raumfahrtzentren wie in den USA verbindet.
„Talent and tax“ nannte EY-Experte Brice Lecoustey als Hauptschwerpunkte. Bei der Studie im vergangenen Jahr stand das Thema Steuersenkung mit Abstand im Vordergrund. Dieses Mal belegte es unter den Prioritäten nur noch den sechsten Platz. Auf was es bei der Entscheidungsfindung der Anleger ankommt, sind Steuersicherheit und Steuersysteme. Vier Fünftel der Anleger bewerten den Steueransatz für „globale Technologieunternehmen“ in Luxemburg als mindestens gleichwertig im Vergleich zu anderen Ländern.
Krieg um Talente
Sowohl als größter positiver Faktor als auch als größtes Risiko für Investitionen im Finanz- wie auch im Industriesektor hierzulande werden „Talente“ genannt. „Wir befinden uns in einem Krieg um Talente“, hatte Wirtschaftsminister Franz Fayot vergangene Woche gesagt, als er ein neues Programm der Regierung vorstellte, mit dem neue Talente und Start-up-Betriebe gefördert werden sollen.
Positiv wird bewertet, dass die Beschäftigten in Luxemburg einen flexiblen und gesunden Arbeitsplatz zur Verfügung haben. Europaweit liegt das Land hierbei auf Platz vier. Besorgniserregend sei jedoch, wie Lecoustey ausführt, dass die Talentlücke dringend geschlossen werden müsse. Unter den zahlreichen Faktoren nennt er in diesem Zusammenhang nicht zuletzt die Wohnungsproblematik. Aber auch Telearbeitsflexibilität sowie Arbeitserlaubnisse und andere administrativen Hindernisse gehören dazu. Dies seien Herausforderungen, die es zu lösen gelte. Auch wenn Luxemburg nicht unter den Top drei sei, klettert es immerhin schrittweise nach oben.
Apropos Investitionen: Vergangene Woche hat das Parlament einstimmig einen Gesetzentwurf zur Kontrolle von ausländischen Direktinvestitionen aus Nicht-EU-Ländern in strategisch wichtigen und sensiblen Bereichen verabschiedet. Damit soll verhindert werden, dass die Beteiligung oder Übernahme einer Firma ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen erfolgt. Problematisch sind dabei vor allem Investitionen von Unternehmen, die von einem Staat kontrolliert werden, zum Beispiel chinesische Konzerne, die während der Finanzkrise in europäische Unternehmen einstiegen. Grundlage des Gesetzes ist eine EU-Direktive.
Kennt der Franz überhaupt diese Neustarter? Glaube nicht, er sollte mal einige von denen unter die Lupe nehmen lassen.
Krieg um Talente, ja, sie kommen bestimmt auch zum Mindestlohn oder sind das etwa keine Talente. Haben bereits Erfahrung gemacht.