Atom-DrohungLukaschenko beteiligt sich an Putins Nuklear-Säbelrasseln

Atom-Drohung / Lukaschenko beteiligt sich an Putins Nuklear-Säbelrasseln
Bereits am Donnerstag hatten die beiden Verteidigungsminister Sergej Schoigu (l./Russland) und Wiktor Chrenin (Belarus) in Minsk ein Abkommen über die Stationierung der Atomwaffen unterzeichnet Foto: Vadim Savitsky/Russian Defence Ministry/AFP

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Der Autokrat in Minsk gibt sich sichtlich Mühe, die angespannte Lage zwischen Russland und dem Westen weiter zuzuspitzen. Laut Alexander Lukaschenko hat der Transfer von strategischen russischen Atomwaffen in sein Land bereits begonnen. Die Stationierung sollte ursprünglich Anfang Juli beginnen. Nun ist sie bereits angelaufen.

„Ich verrate keine Zahlen oder Ortschaften, aber wir haben uns auf die Stationierungsorte und Waffentypen für die Atomsprengköpfe geeinigt“, sagte Lukaschenko am Donnerstagabend in Minsk. Sein russischer Amtskollege Wladimir Putin habe die letzte Entscheidung getroffen. „Der Transfer der Sprengköpfe ist bereits im Gange“, fügte Lukaschenko an.

Die Stationierung russischer Atomsprengköpfe in Belarus war Ende März von Putin angekündigt worden. Offiziell soll Belarus Russland um diesen Schritt gebeten haben. Die beiden Staaten sind in einem Unionsvertrag aus den 90ern verbunden, dem seit Herbst 2020 zunehmend auch die Sicherheitspolitik unterworfen ist. Der Grund dafür ist, dass sich der Langzeitherrscher Lukaschenko nach den mutmaßlich gefälschten Präsidentenwahlen und den wochenlangen Protesten nur dank Moskaus Hilfe an der Macht halten konnte. So musste Belarus bereits sein Gebiet für den russischen Angriff auf Kiew im Februar und März 2022 zur Verfügung stellen. Inzwischen benutzt die russische Luftwaffe mehrere Militärflugplätze des weißrussischen Heeres für ihre Angriffe auf die Zentral- und Westukraine.

Am Donnerstag unterzeichneten die beiden Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Wiktor Chrenin in Minsk ein entsprechendes Abkommen. Eine ungenannte Anzahl von taktischen Atomwaffen soll demnach unter russischem Kommando in Belarus stationiert werden. Bedient werden die jedoch zumindest teilweise offenbar von Lokalkräften. „Belarussische Soldaten haben die nötigen Schulungen in russischen Einrichtungen erhalten“, sagte Schoigu in Minsk. Laut dem Russen sollen auch ein paar weißrussische Kampfflugzeuge des Typs SU-25 so umgerüstet worden sein, dass sie Atomraketen transportieren können. Auch soll Minsk von Moskau die nötigen atomwaffenfähigen Iskander-M-Raketen bereits erhalten haben.

Belarus verfügte bereits bei seiner Unabhängigkeit 1991 über Atomraketen. Doch gab es diese auf Initiative des damaligen Staatspräsidenten Stanislaw Schuschkiewitsch, eines Atomphysikers, bis 1994 an Russland ab. Unter den Nachfolgestaaten der Sowjetunion hatten damals auch die Ukraine und Kasachstan neben Russland selbst Atomwaffen. Der Sowjet-Nostalgiker Lukaschenko hat diesem Schritt schon früher nachgetrauert, gleichzeitig wird er nicht müde, das von ihm und seiner Clique de facto gekaperte Land Belarus als Friedensstifter darzustellen.

Bedrohung eher symbolisch als qualitativ neu

Putin hatte die Rückkehr der Atomwaffen nach Belarus im März „auf Bitten von Minsk“ als Nachvollzug der schon lange zuvor erfolgten Stationierung von Atomwaffen durch die USA in Europa dargestellt. Dabei hat er tunlichst verschwiegen, dass weder in Polen noch anderen bei der NATO-Osterweiterung von1999 beigetretenen Staaten Atomraketen stationiert worden sind. Am Freitag führte Putin-Sprecher Dmitri Peskow in Moskau aus, Belarus sei einer vielgestaltigen Aggression des Westens bis hin zu Umsturzplänen ausgesetzt. „Dieses feindliche Umfeld führt zu engerer militärischer Zusammenarbeit“, sagte der Sprecher. Gleichzeitig weigerte er sich vor Journalisten, die angeblich bereits erfolgte Verlegung von russischen Atomsprengköpfen zu bestätigen.

Die NATO reagierte bisher auf das Säbelrasseln in Minsk und Moskau eher gelassen. „Dies ist eine gefährliche und unverantwortliche Rhetorik“, kommentierte ein Sprecher Putins Stationierungsankündigung im März.

An der NATO-Sicherheitsarchitektur ändern nun auch in Belarus stationierte Atomsprengköpfe wenig. Die dafür eingesetzten Iskander-Raketen reichen 500 Kilometer weit und können Ziele im ganzen Gebiet des NATO-Mitglieds Polen erreichen. Diese Gefahr besteht indes bereits durch die Atomsprengköpfe in der russischen Exklave Kaliningrad. Dort sind seit 2016 in der Kleinstadt Tscherniakow, 30 Kilometer von der polnischen Grenze entfernt, atomwaffenfähige Iskander-Batterien stationiert. Ein Atomsprengkopf-Lager befindet sich in Luftlinie rund 80 Kilometer nordöstlich von Danzig. Die paar atomwaffenfähigen weissrussischen Iskander-M-Raketen bedrohen im Prinzip maximal dasselbe Gebiet in Polen.

Die Bedrohung für die NATO ist also eher symbolisch als qualitativ neu. Anders sieht es für die Ukraine aus. Dort könnten in Belarus stationierte Iskander-Raketen auch den Westen des Landes erreichen.