Seit vergangenen Montag wird wieder demonstriert. Sowohl die Linkspartei als auch die AfD und andere rechtsextreme Gruppierungen hatten wegen der steigenden Energiepreise und gegen die Energiepolitik der Bundesregierung zu Protesten in verschiedenen ostdeutschen Städten aufgerufen. Auch an diesem Sonntag mobilisierten Gewerkschaften, Sozialverbände und andere Organisationen im thüringischen Erfurt zur Kundgebung und Demonstration unter dem Motto „Nicht mit uns! – Wir frieren nicht für Profite!“.
Besondere Aufmerksamkeit aber zogen die montäglichen Proteste auf sich, nicht nur wegen des historischen Bezugs: 1989 gingen Tausende DDR-Bürger bei Montagsdemos auf die Straße und brachten mit ihrer friedlichen Revolution die Diktatur zu Fall. 2004 wurde montags auf den Straßen gegen das Hartz-IV-System aufbegehrt. Bei den aktuellen Protesten sorgt viel mehr der Umstand für Empörung, dass Linke wie Rechte zeitgleich und mit fast gleichlautenden Sprüchen mobilisieren. Die Linke ruft zu einem „heißen Herbst gegen soziale Kälte“ auf. Die AfD wirbt mit dem Motto „Heißer Herbst, statt kalte Füße“. Auch Gruppierungen wie die rechtsextreme Splitterpartei „Freie Sachsen“ waren an den Montagsdemos beteiligt.
Trotz der parallelen Aufrufe von rechts hält die Linkspartei an ihrer Kampagne fest. „Auf den Begriff ,heißer Herbst‘ hat Die Linke kein Patent, Gewerkschaften haben diesen Begriff bereits in den 80er Jahren für anstehende Tarifauseinandersetzungen verwandt“, sagte Parteichef Martin Schirdewan dem Tageblatt. „Wir werden uns aber niemals von Rechten vereinnahmen lassen und überlassen ihnen in der Begrifflichkeit der Proteste keine Deutungshoheit.“ Man demonstriere in breiten Bündnissen und stelle die sozialen Forderungen in den Mittelpunkt, so der Linke-Chef.
Rechtsextremen geht es nur gut, wenn es den Menschen schlecht geht
Im politischen Berlin kursieren seit vielen Wochen Befürchtungen, dass die steigenden Preise und damit verbundene soziale Sorgen zu wachsenden Unruhen führen könnten. So sagte Bundeskanzler Olaf Scholz bereits Anfang Juli, die Inflation und hohe Energiekosten würden „sozialen Sprengstoff“ bergen. Außenministerin Annalena Baerbock hatte vor „Volksaufständen“ gewarnt, um diese Aussage danach wieder zu relativieren.
Dennoch, die Sorge bleibt, dass die Preisexplosionen den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden und immer mehr Menschen gegen die Regierungspolitik aufbringen. So warnen nun die Grünen vor einer Instrumentalisierung der sozialen Lage, insbesondere durch Rechtsextreme. Die Union sieht ein „Verhetzungspotenzial“ und nimmt die Bundesregierung in die Pflicht, die Existenzängste der Menschen gezielter abzufedern.
Inflation und explodierende Energiepreise
Der Vizevorsitzende der Grünen-Fraktion im Bundestag, Konstantin von Notz, sagte, es sei das gute Recht von jeder und jedem, auf der Straße die eigene Meinung zum Ausdruck zu bringen. „Wir müssen aber klare Kante zeigen gegen Extremisten, die aktiv auf ein Klima der gesellschaftlichen Verunsicherung hinwirken“, so von Notz. „Die Bestrebungen aus dem extremistischen Spektrum nehmen massiv zu, einen Nährboden für die eigene menschenverachtende Ideologie zu bereiten, indem gezielt eine Grundstimmung von Angst geschürt wird“, sagte der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums dem Tageblatt. Man müsse sich diesen Tendenzen „politisch entschieden entgegenstellen“, so der Grünen-Politiker. Zuvor hatte bereits seine Parteikollegin, Grünen-Chefin Ricarda Lang, vor gemeinsamen Protesten mit Rechtsextremisten gewarnt. „Rechtsextremen geht es nur gut, wenn es den Menschen schlecht geht“, so Lang.
Unionsfraktionsvize Andrea Lindholz (CSU) zeigte Verständnis, dass Inflation und explodierende Energiepreise viele Menschen und Unternehmen vor „gewaltige Probleme“ stelle. Zugleich betonte sie aber: „Es entsteht viel Verhetzungspotenzial, das Extremisten von links und rechts ausnutzen. Ob ihnen das gelingt, hängt von vielen Faktoren ab, nicht zuletzt auch den Entscheidungen der Bundesregierung.“ Man solle soziale Unruhen aber auch nicht herbeireden. „Mit den ursprünglichen ,Montagsdemos‘, die zum Mauerfall führten, haben von Extremisten unterwanderte Aufmärsche aber nichts zu tun.“ Zugleich erneuerte die CSU-Innenpolitikerin die Kritik am neuen Entlastungspaket. Mit der „sozialdemokratischen Gießkanne“ werde Kanzler Scholz die „brennenden Existenzängste der Menschen“ nicht löschen können, so Lindholz.
De Maart
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