Im letzten Teil unserer Artikelserie „Wandel im Handel“ ziehen wir eine erste Zwischenbilanz zur Nutzung des Cadastre-Tools durch die luxemburgischen Gemeinden. Seitdem das Tool vor etwas mehr als drei Jahren für die Gemeindeverwaltungen eingeführt wurde, haben insgesamt 14 Städte und Gemeinden eine Konvention mit dem GIE unterzeichnet – und sich damit den Zugang zu diesem strategischen Instrument gesichert. Unter den Partnergemeinden finden sich die bevölkerungsreichsten Städte des Landes, verteilt über nahezu alle Landesteile – darunter Esch, Differdingen, Petingen, Düdelingen, Mondorf, Diekirch, Echternach und Wiltz. Zusammengenommen repräsentieren diese Kommunen rund 84 Prozent des innerstädtischen Einzelhandels sowie knapp die Hälfte der gesamten Verkaufsflächen des Landes.
Handel im Wandel: Die Serie
In der wöchentlichen Artikelserie „Handel im Wandel“ schaute sich das Tageblatt in Zusammenarbeit mit dem „Observatoire national des PME“ (GIE) die Geschäftswelt der Luxemburger Gemeinden an. Mithilfe des Datentools „Cadastre de commerce“ wurde zunächst die Situation in der jeweiligen Kommune analysiert, dann kamen die Gemeindeverantwortlichen zu Wort: Wie steht es um den lokalen Einzelhandel? Was unternimmt die Politik, um die Geschäftswelt zu beleben? Das Tageblatt untersuchte jede Woche eine oder mehrere neue Gemeinden – mit dem letzten Teil von zwölf schaut der Autor noch einmal auf die vergangenen Wochen zurück.
Diese breite Beteiligung unterstreicht nicht nur das wachsende Interesse an datenbasierten Entscheidungsgrundlagen, sondern zeigt auch, dass das Cadastre-Tool vor allem dort zum Einsatz kommt, wo eine hohe Dichte an Geschäften vorhanden ist – und wo gleichzeitig der Handlungsdruck besonders groß ist. Dies trifft in der Regel auf Gemeinden mit einem ausgeprägten Stadtzentrum zu, also auf Orte, in denen der Einzelhandel eine zentrale Rolle für die urbane Entwicklung spielt und gezielte Steuerung notwendig ist.
Wie intensiv das Tool im Alltag genutzt wird, hängt stark von den lokalen Voraussetzungen ab – sowohl personell als auch organisatorisch. Gerade kleinere Gemeinden stehen häufig vor dem Problem begrenzter personeller Ressourcen. Oft fehlt eine feste Ansprechperson – etwa ein Citymanager oder eine Citymanagerin, die primär für die Belange der Innenstadtentwicklung zuständig ist. Diese sogenannte „Kümmerer“-Rolle ist jedoch entscheidend, um das volle Potenzial des Tools zu entfalten. Darüber hinaus setzt eine sinnvolle Nutzung des Cadastre-Tools auch eine gewisse Mindestanzahl an Geschäften im Gemeindegebiet voraus – denn erst ab einer bestimmten Größenordnung kann das Tool seine Stärken in der Analyse und Planung voll ausspielen.
Kein Allheilmittel

Gleichzeitig muss betont werden: Das Cadastre ist kein Allheilmittel für die teils komplexen Herausforderungen, mit denen Gemeinden konfrontiert sind. Es versteht sich vielmehr als unterstützendes Werkzeug, das kommunalen Entscheidungsträgern hilft, fundiertere und objektivere Entscheidungen zu treffen. Das Tool selbst bleibt dabei stets Mittel zum Zweck.
Im Laufe unserer Artikelserie wurde deutlich, dass das Cadastre-Tool vielseitig einsetzbar ist – und in der Praxis auch entsprechend genutzt wird. Es dient nicht nur als Visualisierungstool für ein verbessertes Geschäftsflächenmanagement, sondern auch als effizientes Marketinginstrument zur Positionierung der Innenstadt. Zudem kann es bei strategischen Fragen wie der Voraussicht des Verkaufsflächenbedarfs in neuen Stadtvierteln oder bei der Nachnutzung leerstehender Gebäude einen wertvollen Beitrag leisten.
Mehere Nutzungsbereiche
In welchen Bereichen das Cadastre konkret zum Einsatz kommt, hängt stark von den individuellen Bedürfnissen und Problemlagen der jeweiligen Gemeinde ab. Während mancherorts der Fokus auf dem Umgang mit Leerständen liegt, steht anderswo die Planung neuer Stadtviertel im Vordergrund. Um das volle Potenzial des Tools auszuschöpfen, ist es daher essenziell, die jeweiligen Rahmenbedingungen sorgfältig zu analysieren.
Zudem zeigt die Zusammenarbeit mit den Gemeinden, dass das Tool potenziell auch für kommunale Fragestellungen jenseits des klassischen Citymanagements genutzt werden kann. So lässt es sich etwa einsetzen, um den Bedarf an neuen Kindertagesstätten zu ermitteln und geeignete Standorte gezielter und objektiver zu bewerten. Gerade für kleinere Gemeinden könnten solche Anwendungen besonders interessant sein, da sie helfen, kommunale Planungen datenbasiert zu untermauern und Ressourcen gezielter einzusetzen.
Das Cadastre ist ein Tool in stetiger Weiterentwicklung. Dazu gehört auch die fortlaufende Integration neuer (Markt-)Daten – wie etwa Passantenfrequenzen. Solche ergänzenden Informationen ermöglichen es, die Nutzung von Geschäftsflächen und die Dynamik der Besucherströme noch präziser zu analysieren und kommunale Entscheidungen weiter zu verbessern. Hier besteht noch großes Entwicklungspotenzial.
Was sagten die Gemeindeverantwortlichen?

Esch: Schöffe Pim Knaff (DP)
„Herausforderungen für das Escher Zentrum rund um die Alzettestraße sind die hohen Mieten, Spekulation, Konformität, Konkurrenz durch E-Handel und Shoppingcenter sowie die Erreichbarkeit beziehungsweise Zugänglichkeit. Die Strategie der Stadt Esch zur Unterstützung des Einzelhandels ist zunächst einmal das Leerstands-Management via das Projekt Claire. Dann gibt es weitere Hebel, zum Beispiel die Steuer auf leerstehende Lokale, die ab der ,Rentrée‘ erhoben werden soll. Oder die ,Gestion locative commerciale‘ (GLC), der Escher Blog, die Animation rund um das Zentrum, die momentan neu ausgearbeitet wird.“ (P.M.)

Echternach: Bürgermeisterin Carole Hartmann (DP)
„Die Umsetzung des City Outlet gestaltet sich schwierig – es ist schwer, Eigentümer zu finden, die ihre Räumlichkeiten zur Verfügung stellen. Deswegen hat sich der Gemeinderat im März einstimmig dazu entschlossen, eine Art Vorprojekt in die Wege zu leiten. Geplant ist, dass ab Mai dieses Jahres 15 Geschäftsflächen während neun Monaten gemietet werden, um ein Pop-up-Konzept einzuführen. Dies soll quasi eine Vorstufe des City Outlet sein und die Eigentümer dazu ermutigen, ihre Lokale für das zukünftige Konzept zur Verfügung zu stellen. Die Pop-up-Stores werden jeweils ein bis vier Monate lang von Einzelhändlern gemietet: Aktuell sind bereits fünf Verträge unterschrieben. Das eigentliche City Outlet soll dann im Frühjahr 2026 umgesetzt werden.“ (salut)

Diekirch: Schöffe José Lopes (DP)
„Dass es in Diekirch an Einzelhandelsgeschäften fehlt, liegt einerseits daran, dass er in Konkurrenz zum Online-Handel steht. Auf der anderen Seite stehen in der alten Geschäftsstraße keine großen Geschäftsflächen zur Verfügung. Einfluss darauf, welche Geschäfte sich in Diekirch niederlassen, womit man eventuell auch Nischen schließen könnte, hat man überhaupt keinen. Nur der Ankauf von Geschäftsgebäuden kann da helfen. Vereinzelt gibt es noch welche zu kaufen. Aber die Finanzierung von solchen Einkäufen ist sehr schwer.“ (mago)

Düdelingen: Bürgermeister Dan Biancalana (LSAP)
„Wir haben einen Citymanager eingestellt, dessen Aufgabe es unter anderem ist, Kontakt mit den Besitzern der Lokale aufzunehmen. Wir geben uns Mühe, mit den Lokalbesitzern über ihre Bedürfnisse zu sprechen. Die allermeisten sind sehr offen für solche Gespräche, bei anderen ist das nicht der Fall. Wir versuchen in Düdelingen junge, innovative Geschäftslokale zu haben, die komplementär zu den bestehenden sind. Zum Teil versuchen wir auch, eine Nischenpolitik zu betreiben.“ (fey)

Wiltz: Citymanager Bob Wetzel
„Die Gemeinde hat in der wichtigen Geschäftsstraße Grand-rue in den letzten Jahren mehrere Immobilien aufgekauft, um sie fachgerecht zu renovieren und dann zu fairen Preisen an interessierte Geschäftsleute weiterzuvermieten. Die Gemeinde arbeitet auch aktiv mit dem ,Fonds du logement‘ zusammen, um die neuen Geschäftsflächen, die im Stadtviertel ,Wunne mat der Wooltz‘ entstehen werden, optimal zu planen und anschließend zu besetzen.“ (mago)

Differdingen: Schöffe Tom Ulveling (CSV)
„Ich sehe keinen bedeutenden Rückgang des Leerstands. Die Zahlen drücken dies zwar vielleicht aus, das liegt aber wahrscheinlich daran, dass große Gastronomie-Betriebe auf großen Gewerbeflächen eröffnet haben und somit den Leerstandswert herunterdrücken. Was mich stört, ist, dass wir keine richtigen Einzelhandelsgeschäfte mehr im Stadtkern haben – wir haben keinen Bücherladen mehr, keine Bekleidungsgeschäfte. Gemeinsam mit dem CIGL öffneten wir ein Kinder-, Fahrrad- und Möbelgeschäft, das allein ist aber nicht die Lösung: Uns fehlt es an Menschen, die dazu bereit sind, in einen Laden zu investieren und attraktive Produkte anzubieten.“ (salut)

Petingen: Bürgermeister Jean-Marie Halsdorf (CSV)
„Wir wissen, welche Pferde in unseren Ställen stehen. Unser Steckenpferd ist die Nahversorgung. Wir haben ganz viele kleine Betriebe, die unseren Bürgern das Notwendige bieten. Unsere Infrastruktur vor Ort ist vielleicht nicht so hochwertig wie in anderen Gemeinden, aber das muss hier auch nicht unbedingt sein. Wir wissen, welche Entwicklungsmöglichkeiten Petingen hat – und welche nicht. Wir sind kein großes Einkaufsgebiet, das aus ganz Luxemburg Menschen anzieht. Trotzdem gibt es hier einzelne Geschäfte, die auch über die Gemeindegrenze hinaus bekannt sind.“ (joé)

Mertert-Wasserbillig: Schöffe Lucien Bechtold (LSAP)
„Viele Geschäftsinhaber finden keinen Nachfolger, der Online-Handel ist eine große Konkurrenz und das Kaufverhalten hat sich geändert. Außerdem haben wir in den letzten Jahren allein drei Bankfilialen verloren, die Kunden in die Geschäfte der Gemeinde gezogen haben. Wir als Gemeinde schalten uns gerne bei Leerstand ein, aber die Eigentümer müssen das wollen und zulassen.“ (wie)

Mondorf: Bürgermeister Steve Reckel (DP)
„Immer, wenn wir von Leerständen hören, schalten wir uns als Gemeinde ein. Im letzten Fall haben wir vom Eigentümer die Geschäftsflächen in der Avenue des Bains angemietet, eine Ausschreibung gemacht und eine Parfümerie gefunden, die sich dort niederlassen will. Dem neuen Betreiber haben wir für die ersten zwei Jahre eine niedrigere Miete zugesagt, um den Start zu erleichtern. Wir als Gemeinde übernehmen in dem Zeitraum die Differenz.“ (wie)

Walferdingen: Schöffin Jessie Thill („déi gréng“)
„Vorletzte Woche wurde der Geschäftsverband ‚Walfer Connect‘ gegründet. Vor einem Jahr hatten wir als Gemeinde zusammen mit ,Luxembourg Confederation‘ die Initiative ergriffen. Wir brauchen die Geschäftswelt, um eine lebendige Gemeinde zu schaffen, und umgekehrt ist der Einzelhandel auch auf uns angewiesen. Wenn alles nach Plan läuft, wird im Oktober unsere neue ,Epicerie‘ im Gebäude 9 in der route de Diekirch gegenüber dem Rathaus eröffnen.“ (sog)

Strassen: Schöffin Maryse Bestgen („déi gréng“)
„Sowieso macht die ,Areler Strooss‘ die Stadt nicht schöner. Es sind vor allem große Geschäfte und die meisten fahren mit dem Auto dahin. Wir hätten jedoch gerne ein Zentrum mit Geschäften und sind dabei, daran zu arbeiten. Wir hätten auch gerne eine Kreislaufwirtschaft mit einem Repair-Café oder mit Ateliers.“ (sog)

Mersch: Bürgermeister Michel Malherbe (DP)
„Es kommen viele Leute hierhin wohnen und es gibt viele Projekte. Die Masse an Leuten ist da, ich sehe keine Insolvenzen und die Geschäfte laufen. In Mersch hat man fast alles, was man zum Bauen, zum Wohnen, zum Leben benötigt. Man muss die Gemeinde kaum verlassen. Es fehlt uns nur noch eine Klinik, dann hätten wir alles. Leider haben wir keinen Metzger mehr, aber es ist auch schwierig, noch ausgebildete Metzger zu finden.“ (sog)

Junglinster: Bürgermeister Ben Ries (DP)
„Wir wollten wissen, welche Unternehmen sich auf unserem Gebiet befinden. Keine Gemeinde wird eigentlich darüber informiert, wenn ein neues Geschäft öffnet, und da verpasst man gerne etwas. Deswegen nutzen wir das Cadastre-Tool. Man bekommt tolle Statistiken. Jedes Jahr muss die Gemeinde die Gewerbesteuer anpassen und dafür muss man die Zahlen kennen. Geht es dem Einzelhandel gut? Gibt es Leerstände? Wandern die Geschäfte ab? So kann man die Situation vor Ort besser einschätzen.“ (sog)

Grevenmacher: Bürgermeisterin Monique Hermes (CSV)
„Wir erhoffen uns mehr Sichtbarkeit für unsere Geschäfte. Wir werden auch einen Citymanager haben, der sich darum kümmern wird. Die Menschen sollen außerdem online besser sehen können, was Grevenmacher zu bieten hat. Es ist wichtig, dass eine Gemeinde mit der Geschäftswelt zusammenarbeitet. Derzeit sind die Mieten besonders für neue Unternehmer zu hoch. Wir arbeiten deswegen an finanziellen Starthilfen für neue Geschäfte, die es noch nicht in Grevenmacher gibt.“ (sog)
Der Einzelhandel ist tot und nichts und niemand kann und wird ihn retten.