Seit Jahren sind die „Late Night“-Busse des TICE-Syndikats eine verlässliche Möglichkeit für Nachtschwärmer, Schichtarbeiter und junge Menschen ohne Führerschein, innerhalb der Südgemeinden mobil zu sein und sicher nach Hause zu kommen. Doch damit könnte bald Schluss sein. Aufgrund finanzieller Engpässe und struktureller Veränderungen im öffentlichen Nahverkehr soll der TICE-Nachtdienst in den kommenden Monaten eingestellt werden – ein Schritt, der mit geringer Nutzung begründet wird.
Das bedeutet: keine Busse mehr zwischen 1.00 und 4.00 Uhr morgens an Wochenenden und vor Feiertagen. Um zu verstehen, was das für die Menschen bedeutet, die auf diese Verbindung angewiesen sind, hat das Tageblatt eine Nacht lang zwei Routen des „Late Night“-Busses begleitet und mit den Fahrgästen gesprochen.
Düdelingen, 1.00 Uhr nachts: Der Rathausplatz ist noch fast leer. In 20 Minuten wird hier der erste „Late Night“-Bus des Abends einfahren – eine jener Routen, die in den kommenden Monaten Geschichte sein werden.

1.20 Uhr: Der Bus Nummer 5 rollt an. Die Route: Esch/Alzette über Kayl, Tetingen und Rümelingen. Vier Menschen steigen ein. Einer von ihnen ist Michael Zochos. „Seit vergangenem Jahr arbeite ich in einem Düdelinger Restaurant und nehme den Nachtbus jedes Wochenende nach der Arbeit nach Hause. Immer um diese Uhrzeit“, sagt er. Die Nachricht, dass der „Late Night“-Bus bald Geschichte sein könnte, hat ihn erwischt. „Ich hab keine Alternative. Kein Auto, keine späten Züge.“
Vieri Vela, der ein paar Sitze neben ihm sitzt, nickt. Auch er arbeitet in Düdelingen, lebt in Esch und ist jedes Wochenende mit dem „Late Night“-Bus unterwegs. „Ich komme oft erst nach Mitternacht aus der Arbeit. Ohne Bus? Ich weiß nicht, wie ich dann nach Hause kommen soll.“

Am Düdelinger Hauptbahnhof steigen drei weitere Passagiere ein. Einer von ihnen ist Nelson Goncalves aus Tetingen. Er nutzt den Bus regelmäßig, um Freunde in Düdelingen zu treffen. „Ich nehme den Bus, um mit Freunden auszugehen. Es ist praktisch. Ich habe kein Auto, also bin ich darauf angewiesen.“ Was er macht, wenn der „Late Night“-Bus eingestellt wird? „Dann gehe ich wohl seltener aus. Was bleibt mir anderes übrig?“
2.00 Uhr, Rümelingen: Ingrid, 17, steigt mit ihrem E-Roller ein. „Ich besuche oft Freundinnen hier. Ohne den Bus? Keine Chance.“ Mit 17 gibt es keine Option für sie. Auto? Zu jung. Taxi? Zu teuer. Also bleibt ihr nichts anderes, als zu Hause zu bleiben oder sich eine Mitfahrgelegenheit zu suchen. „Aber warum sollte ich das müssen? Der Bus ist doch für uns da! Oder soll für uns da sein“, sagt sie und zuckt genervt mit den Schultern.
Ein Verkehrsnetz im Wandel
Dass der „Late Night“-Bus eingestellt wird, ist nicht die einzige Veränderung beim TICE. Bereits vor einigen Wochen wurde bekannt, dass das gesamte Bussystem des Syndikats umstrukturiert wird. Aufgrund steigender Kosten übernehmen der Staat und das Mobilitätsministerium ab sofort größere Teile der Verwaltung und Finanzierung.
Bis 2026 werden einige Linien eingestellt oder von privaten Betreibern übernommen. Auch der Schultransport wird künftig nicht mehr vom TICE, sondern vom RGTR organisiert. TICE-Präsident Marco Lux betonte zudem, dass eine umfassende Elektrifizierung der Busflotte anstehe – Kosten: mindestens 180 Millionen Euro.
Doch für die Menschen, die den „Late Night“-Bus nutzen, sind das nur Zahlen. Sie fragen sich vor allem, wie sie in Zukunft nachts nach Hause kommen sollen.
Rückweg über Belval
2.35 Uhr, Esch/Alzette: Wir steigen um – in den Bus Nummer 4, der erst über Belval und anschließend zurück nach Düdelingen fährt.
Eine Person steigt hier ein. Pierre (Name von der Redaktion geändert) fährt nach Hause. Er war mit Freuden aus und fährt nun nach Hause. Er steigt zwar bereits nach wenigen Stationen aus, doch: „Ohne den Bus müsste ich zu Fuß gehen. 20 Minuten im Dunkeln. Bei Kälte und nach einer langen Nacht ist das nicht gerade toll.“
Es ist eine einfache Rechnung: Ohne den Bus geht er seltener aus. Wie viele andere auch.
Um 2.35 Uhr verlässt der Bus Belval in Richtung Schifflingen, Kayl, Düdelingen. Er bleibt zunächst leer. Erst am Escher Hauptbahnhof steigen drei Personen ein, die sich zur Abschaffung der Nachtlinien jedoch nicht äußern möchten.
3.15 Uhr, zurück in Düdelingen: Luiz steht an der Haltestelle, eine fast leere Bierflasche in der Hand. „Ich nehme den ,Late Night‘-Bus jedes Wochenende. Immer. Und jetzt soll das weg? Das ist einfach Unsinn.“ Er schüttelt den Kopf. „Ohne den Bus muss ich wohl bis nach Kayl laufen. Aber ehrlich? Das ist echt schade.“
Er zuckt mit den Schultern. „Klar, nicht jeder fährt nachts mit dem Bus. Aber für uns, die ihn brauchen, ist das wichtig. Es geht nicht nur um Partygänger. Es geht um Leute, die spät arbeiten. Um Leute, die kein Auto haben. Um Sicherheit. Ohne Züge, Busse, Taxis haben wir keine Wirtschaft.“
Eine Entscheidung mit Folgen
Ob die Fahrgastzahlen ausreichen, um die Linien weiterzuführen, bleibt umstritten. Klar ist jedoch eines: Die Menschen, die diesen Dienst in Anspruch nehmen, sind meist darauf angewiesen.
Ob Arbeit oder Freizeit, ob jung oder alt, ob Mann oder Frau – wer kein Auto hat, hat keine Wahl. Und das heißt: Entweder man organisiert sich völlig neu oder bleibt einfach zu Hause. Ein Teil der Nachtkultur könnte verschwinden. Ein weiteres Puzzlestück für die Diskussion um den öffentlichen Nahverkehr in Luxemburg.
Die Frage bleibt: Wie viel ist Mobilität für alle wirklich wert?
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können