„Die Filmfestspiele von Cannes sind das Highlight des Jahres“, sagte Kulturminister Eric Thill (DP) im Gespräch mit dem Tageblatt. „Es ist für Filmemacher das, was für Sportler die Teilnahme an einer Weltmeisterschaft ist. Aber in Cannes zu sein, ist auch harte Arbeit.“ Nach harter Arbeit sieht es auf den ersten Blick allerdings überhaupt nicht aus beim Luxemburger Empfang am Samstag.
Ein paar hundert Menschen stehen da im dicht gefüllten Zelt, mit einem oder schon dem Glas Crémant oder Rosé sowie einem Canapé in den Händen. Manche tragen Abendkleid und Smoking für die spätere Kinopremiere, andere – vor allem die vielbeschäftigten Filmrechtehändler und Presseberichterstatter – sind pragmatischer in Bluse und Jeans unterwegs; sie sehen bis zu sechs Filme am Tag, und machen beim Empfang nur kurz Station, bevor sie zum nächsten Termin hasten.
Es ist für Filmemacher das, was für Sportler die Teilnahme an einer Weltmeisterschaft ist. Aber in Cannes zu sein, ist auch harte Arbeit.
Direkt hinter dem Zelt liegt sonnendurchflutet der Strand der Bucht von Cannes. Zunächst lauschen die Gäste den kurzen Reden von Thill und Guy Daleiden, dem Direktor des „Film Fund Luxembourg“, der kürzlich sein 35. Bestehen feierte und in diesem Jahr zum 27. Mal in Folge bei den Filmfestspielen von Cannes zu Gast ist. „Bevor es losging, waren wir wie Pioniere oder Guerillakämpfer“, erinnert sich Bady Minck, die wohl international bekannteste Luxemburger Produzentin für Arthouse-Filme, die auch als Regisseurin in Cannes eingeladen war. „Aber schon im ersten Jahr nach Gründung des ‚Film Fund‘ gab es hier mehr Luxemburger als Österreicher, obwohl wir viel kleiner sind.“
Luxemburg in Cannes
In diesem Jahr ist Luxemburg mit insgesamt acht Filmen in Cannes vertreten, sämtlich internationale Koproduktionen, darunter im Wettbewerb um die Goldene Palme mit dem neuesten Werk des iranischen Dissidenten Jafar Panahi: „It Was Just an Accident“. Erst im letzten Jahr feierte die indisch-luxemburgische Koproduktion „All we imagine as Light“ von Payal Kapadia einen großen Überraschungserfolg und gewann den „Grand Prix du jury“. In diesem Jahr ist die Regisseurin Mitglied der internationalen Jury.
Zurück zum Luxemburger Pavillon: Dem Empfang am Abend ging ein Branchentreffen am Vormittag voraus. „Wir können uns hier gut vernetzen“, bestätigen alle Teilnehmer. Das hätte noch besser geklappt, wenn es auch Mikrophone gegebenen hätte – so verhallten die Morgenansprachen von Thill, Daleiden und einer Handvoll Verbandsvertreter für mindestens die Hälfte der Gäste ungehört im Wellenrauschen. Über 100 Länder haben in Cannes solche Pavillons. Man macht hier vor allem Termine und trifft sich abseits des Trubels zu ruhigen Meetings, oder man fragt nach bestimmten Ansprechpartnern, Kontaktadressen und anderen Informationen.
Networking-Veranstaltung
Auf die Frage, ob man so etwas heute nicht besser online erledigt, und warum man nach Cannes fliegen muss, anstatt sich weitaus kostengünstiger und schneller per Zoom zu verabreden, hat Bady Minck eine ganz klare Antwort: Das könne man machen, wenn man sich schon gut kennt, „aber wenn man sich überhaupt erst kennenlernen und feststellen will, ob es ‚klickt‘ und eine gute Chemie besteht, dann ersetzt nichts das persönliche Treffen“. Schließlich brauche es viel Vertrauen, wenn internationale Firmen zusammenarbeiten. „Denn das bedeutet ja auch, dass man viel Geld investiert.“
Darum ist der Filmmarkt von Cannes nach wie vor der wichtigste der Welt, jedenfalls für alles Kino mit Kunstanspruch und für all jene Produktionsfirmen all jener Länder, die jenseits von Hollywood produzieren. Gelegen im unteren Geschoss – gewissermaßen in Maschinenraum – des monumentalen „Palais des festivals“ von Cannes, das in seiner aus den frühen 80ern stammenden brutalistischen Architektur ein bisschen aussieht wie ein Raumschiff aus den ersten Teilen des „Star Wars“-Universums, repräsentiert er die zweite Seite des Filmfestivals von Cannes, jene Seite, die den Blicken der breiten Öffentlichkeit oft entzogen ist, weil sie das weniger interessiert. Denn sie ist jener der Aspekte, der die eigentliche Wahrheit der Filmbranche offenbart: Am Ende geht es vor allem ums Geld. Und die Filmindustrie ist eine der wirtschaftlich stärksten Branchen der Welt, und zugleich die kulturell einflussreichste.
Schon im ersten Jahr nach Gründung des ‚Film Fund’ gab es hier mehr Luxemburger als Österreicher, obwohl wir viel kleiner sind
Es ist keineswegs so, dass man hier nur hochanspruchsvollen intellektuellen oder gar schwierigen Kunstprojekten begegnet – jeder, der sich einmal auf dem Filmmarkt umsieht, wird hier den Teams eines indischen Horrorfilms genauso begegnen wie einem Produzenten aus Dubai, der eine dokumentarische Serie über Mode bereits fertiggestellt hat und einfach nur nach Cannes gekommen ist, weil er gute Abnehmer für die Serie sucht. Grundsätzlich nicht anders geht es auch den Luxemburger Filmemachern, die hier auf dem Markt unterwegs sind. Hoffnung auf gute Geschäfte und Pläne für neue Projekte gehen Hand in Hand mit kleineren und größeren Enttäuschungen oder Budgetsorgen, mit denen in diesen Zeiten fast jedes Projekt zu kämpfen hat. Es ist, wie Kulturminister Thill sagte, eben harte Arbeit. Aber sie ist auch schön.
4 Fragen an Kulturminister Eric Thill
Tageblatt: Die Haushalte stehen in allen Staaten der EU zurzeit im Zeichen massiver Budgetkürzungen. Wie steht es gerade um den Kulturetat in Luxemburg, Eric Thill?
Eric Thill: Ich bin sehr stolz, dass das bei uns in Luxemburg nicht der Fall ist. Es steht fest, dass wir bei der Filmförderung nichts kürzen müssen. Wir hatten letztes Jahr eine Steigerung von über 10 Prozent bei der Filmförderung. Man muss allerdings zugeben, dass wir jetzt noch einmal andere Zeiten haben, als vor einigen Monaten – mit der Wiederwahl von Donald Trump und seinen neuen NATO-Zielen, die man jetzt kennt. Wir müssen also die Dinge ganz realistisch sehen. Aber es ist für mich wie auch für die ganze Luxemburger Regierung ganz klar, dass bei der Kultur nicht gespart wird. Das wird auch 2026 gelten. Es wäre für die Gesellschaft eine absolute Katastrophe, wenn man gerade in diesen schwierigen Zeiten an der Kultur sparen würde.

Warum ist besonders die Kinokultur so wichtig?
Film erzählt Geschichten, er weckt Emotionen und man kann sich über den Film in andere Welten hineinversetzen. Kino kann verschiedenste Themen ansprechen, hinterfragen und kann auch kritisch kommentieren. Es ist gerade in diesen Zeiten sehr wichtig, die Leute zusammenzubringen und zu informieren.
Jetzt würden Ihnen da manche Filmemacher erwidern: Das stimmt zwar alles, aber ich als Filmemacher bin ein unabhängiger Künstler und möchte machen können, was ich will. Mein Film soll nicht auf eine Funktion reduziert werden, auch wenn es eine gute und notwendige Funktion ist.
Absolut! Es liegt nicht an der Politik und am Kulturminister, zu definieren, was jetzt wichtig ist und was gemacht werden soll oder nicht. Da hält sich die Politik ganz klar raus. Als Kulturminister ist es meine Aufgabe, eine Struktur zu schaffen, in der sich die kreativen kulturellen Köpfe unseres Landes frei bewegen können und das sagen und machen können, was sie für richtig halten. Damit formen sie eine Gesellschaft und binden alle Bürger ein – viele Menschen sehen Kultur ja als eine Informationsquelle, in der sie sich auch repräsentiert fühlen.
Film ist auch ein Wirtschaftsfaktor. Er kostet scheinbar mehr Geld als andere Künste – welche Rolle spielt für Sie der wirtschaftliche Aspekt und wie bringen Sie das in die Balance?
Ich bin kein Freund davon, Film gegen andere Künste auszuspielen. Das macht keinen Sinn. Mir ist es wichtig, dass jede Sparte unserer sehr diversen Kultur anständig finanziell unterstützt wird. Daran arbeiten wir. Es ist eine Herausforderung, es so hinzubekommen, dass beim Film jeder anständig davon leben kann. Auch in Zukunft.
De Maart
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können