Künstler werden in Luxemburger Schulen zu Kopiloten

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„Erziehung durch Kultur“ hieß es bereits im Mai dieses Jahres, als wir über die neue Plattform kulturama.lu berichteten. Damals erklärte der Initiator des Projekts, Luc Belling, die Grundidee hinter dem neuen Angebot und ging darauf ein, wie die Online-Database, in die sich Künstler eintragen und in der Folge von Schulen gebucht werden können, genau funktioniert. Rechtzeitig zur „Rentrée“ hat es sich somit ergeben, auch bei den Kulturschaffenden selbst nachzufragen, was sie sich von kulturama.lu erhoffen.

„Es war längst überfällig!“ Da sind sich die Mixed-Media-Künstlerin Chiara Dahlem und der erfahrene Zeichner Pit Wagner einig. Wenn auch die beiden streng und prompt antworten, so doch nicht ohne das neue Projekt kulturama.lu zu begrüßen. Sie haben beide ein Profil auf der Internetseite angelegt und sind nun gespannt, ob und wann die ersten Anfragen sie erreichen werden.

Laut Pit Wagner, der auf etliche Jahre im Kunstbereich zurückblicken kann, aber in diesem Zeitraum kaum von Schulen eingeladen wurde, wird jetzt ein wichtiger Nährboden geschaffen, um die Distanz zwischen vielen Menschen und der Kunst von klein auf aufzuheben: „Wenn Künstler und Schüler so früh aufeinanderstoßen, ist Kunst in der Folge kein Fremdkörper mehr, der irgendwo im Kosmos herumgeistert. Durch das Gespräch auf Augenhöhe entsteht eine Art neue Normalität im Umgang mit dem Thema.“

Keine Parallelen zur aktuellen Situation

Zuvor hätten bedauerlicherweise häufig Institutionen aneinander vorbei agiert und der Unterricht in Bezug auf Kultur habe zuweilen den Nachteil gehabt, dass beispielsweise in der Kunstgeschichte selten bis nie Parallelen zur aktuellen Situation sowie zeitgenössischer Kunst gezogen worden seien, findet Chiara Dahlem.

Nun habe man aber die Chance, gemeinsam ein Bild von Kunst zu vermitteln, das um einiges realitätsgetreuer sei: „Man lädt uns dazu ein, nicht nur über unsere Arbeit zu sprechen, sondern auch zu zeigen, wie man diese praktisch umsetzen kann. Davor fand das Ganze ja eher in geschlossenen Räumen statt, in denen lediglich eine Person einen bestimmten Inhalt vortrug.“

Wie der Aussage der Künstlerin zu entnehmen ist, stört sie sich nicht daran, dass im Klassenzimmer stets auch eine Lehrkraft dabei sein wird. „So kann das Lehrpersonal als Instanz zwischen dem Künstler, der den Beruf ausübt, und dem Schüler, der den Bereich gerade erst kennenlernt, fungieren.“

Auch Lehrer können gewinnen

Pit Wagner ist außerdem der Meinung, dass die Lehrerinnen und Lehrer keineswegs von einem potenziellen Mehrwert ausgeschlossen sind: „Denn auch sie können etwas vom Austausch mitnehmen und intervenieren, wenn sie Fragen haben.“

Dass das Geben von Feedback von den Pädagogen an den Künstler Bestandteil des Vertrags ist, sieht Dahlem positiv: „Der Austausch muss festgehalten werden, damit im späteren Verlauf besser entschieden werden kann, inwiefern der Input eventuell Einkehr in die Lehrpläne findet.“ Sowohl Dahlem als auch Wagner scheint es essenziell, dass es nicht bei einer punktuellen Zusammenarbeit bleibt, sondern dass diese auch eine nachhaltige Wirkung haben kann. „Eventuell findet derzeit eine Rückbesinnung darauf statt, wie wichtig die Kultur in der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen ist und wie weitgreifend dieser Einfluss sein kann. Jetzt wird es spannend, zu sehen, wie es mit der Umsetzung klappt“, so Dahlem. Neben der sinnvollen Erweiterung des kulturellen Unterrichts um eine praktische Ebene lesen beide Künstler auch mehr Zuspruch für die eigene Tätigkeit heraus. „Es ist eine Aufwertung unserer Arbeit und es tut gut, zu sehen, dass der Verbindung zwischen Kultur und Erziehung mehr Wichtigkeit zugeschrieben wird“, betont Pit Wagner.

Hampelmänner der Nation?

Chiara Dahlem schlägt in eine ähnliche Bresche: „Es gibt etwas, das ich noch immer sehr bedaure und das bis heute unter anderem in Luxemburg bisweilen häufig der Fall ist: Zusammenfassend könnte man sagen, dass wir als Künstler noch regelmäßig als die Hampelmänner der Nation gesehen werden. Kunst wird mittlerweile aber immer öfter und anders in den Fokus von vielerlei Diskussionen gestellt. Und damit auch die Rolle sowie die Verantwortung des Künstlers. Damit verändert sich die Sicht auf uns, und zwar hin zu der Position eines vollwertigen Teils der Gesellschaft.“

Obwohl beide Künstler den Weg in die Schule gerne beschreiten, so scheint es ihnen doch wichtig, dass später auch ein weiterer Schritt in das reale Arbeitsumfeld, also beispielsweise Ateliers, erfolgt.

Abschließend meint Pit Wagner auf die Frage hin, ob man Kultur überhaupt unterrichten und erlernen könne: „Letztendlich ist es eine Möglichkeit, eine Leidenschaft zu vermitteln. Ob sie nun ansteckend ist oder nicht, hängt davon ab, ob es dem Künstler gelingt, sich mitzuteilen, und wie viel Offenheit auf der anderen Seite vorhanden ist.“