Alles neu macht der Mai, auch in der SPD. Allerdings ist weniger der Wonnemonat am Werk, sondern vielmehr der wegen seiner Ämterhäufung intern schon als Napoleon kritisierte Lars Klingbeil. Der bisherige und wohl auch künftige Parteichef, neue Vizekanzler und Bundesfinanzminister hat gemeinsam mit anderen Spitzengenossen ein beachtliches Personaltableau gebaut, dessen fehlende Teile an diesem Montag in Berlin flugs präsentiert wurden.
Denn am Vorabend, zur besten Sendezeit, hatte die umstrittene Co-Parteichefin Saskia Esken in der ARD erklärt, dass sie nicht mehr für das Amt der Vorsitzenden kandidieren werde. Sie geht damit zwar selbstbestimmt, aber auch nicht ganz freiwillig. Und auch nicht wirklich überraschend, waren die Debatten um ihre Person zuletzt doch immer schärfer geworden.
Ihr soll die neue Arbeitsministerin und ehemalige Bundestagspräsidentin Bärbel Bas aus Duisburg nachfolgen. Neuer Generalsekretär soll der erst 33-jährige Lübecker Tim Klüssendorf werden. Mit den Nominierungen in der Tasche stellen die beiden Parteilinken sich Ende Juni dem Votum der Delegierten beim Bundesparteitag in Berlin. Werden sie gewählt, wird damit eine personelle Neuaufstellung erfolgt sein, wie sie in ihrem Umfang Seltenheitswert hat in der SPD.
Denn abgesehen von Klingbeil als Parteichef und Boris Pistorius als Verteidigungsminister, wurden in den vergangenen Tagen und Wochen alle wichtigen Ämter neu besetzt. Es gibt neben der Parteispitze ein neues Regierungsteam bestehend aus sechs weiblichen und drei männlichen Kabinettsmitgliedern. Neuer Fraktionschef ist Matthias Miersch, dem ein ausgetauschter Fraktionsvorstand zur Seite steht. Insgesamt ist das SPD-Spitzenpersonal jünger und weiblicher als zuvor, was dem von Klingbeil noch am Wahlabend ausgerufenen Generationswechsel entspricht.
Aufarbeitung der Wahl soll rasch erfolgen
Doch trotz dieser in der SPD eigentlich hoch geschätzten und oft eingeforderten Merkmale des neuen Personals, ist Klingbeil durch die Art und Weise seiner Postenvergaben in die Kritik und zuletzt in die Defensive geraten. Es gibt in der Partei und auch im Kreis der nur noch 120 SPD-Abgeordneten (im alten Bundestag waren es 207) ein wahrnehmbares Grummeln über das Vorgehen – auch wenn die meisten sehr gut mit der Anzahl von beachtlichen sieben Ministerien und auch mit der deutlichen SPD-Handschrift im Koalitionsvertrag leben konnten vor der Regierungsbildung.
Ihnen stößt auf, dass es vorab weitgehende Verabredungen beim Personaltableau gegeben haben soll. Für Klingbeil und die neuen Personen in Führungsverantwortung heißt das, dass sie auch intern auf besonderem Prüfstand stehen. Die Aufarbeitung der historischen Wahlpleite von nur 16,4 Prozent bei der Bundestagswahl soll rasch erfolgen, so hatte es Klingbeil versprochen. Schon einmal hatte es eine solche Aufarbeitung gegeben, nämlich nach der Niederlage 2017. Klingbeil betonte zuletzt auch beim Landesparteitag der NRW-SPD, dass diese Analyse die Grundlage für den Wahlsieg 2021 gewesen sei. Soll heißen: Wenn man es dieses Mal wieder so schonungslos und ehrlich macht wie einst und daraus die richtigen Schlüsse zieht, kann es 2029 erneut mit der SPD-Kanzlerschaft (also vielleicht seiner eigenen) klappen.
Nehmerqualitäten sind gefragt
Doch bis dahin ist es ein langer Weg, das weiß man in der SPD auch. Und mehr Rückhalt bei der Bundestagswahl setzt neben einer ordentlichen Fehleranalyse, dem passenden Programm und gutem Wahlkampf eben auch voraus, dass das jetzt aufgestellte Personal an Beliebtheit gewinnt und erfolgreich liefert. Es bleibt abzuwarten, wer den hohen Anforderungen gewachsen ist – und wer möglicherweise auf der Strecke bis 2029 noch einmal ausgewechselt werden muss.
Klingbeil selbst ist nun zum ersten Mal wirklich in die Kritik geraten. Zwar gab es auch schon auf seinem früheren Weg an die Spitze Murren von Parteilinken, denen beispielsweise die pragmatische Einstellung des Soldaten-Sohns und einstigen Zivildienstleistenden zur Verteidigungspolitik missfallen war. Doch insgesamt war Klingbeil bislang auf einer großen Welle an Rückhalt und Beliebtheit in die Führungsämter geritten.
Es braucht in der Spitzenpolitik, an so exponierter Stelle, wie es bei ihm der Fall ist, viel Nehmerqualitäten. Die wird Klingbeil nun erstmals unter Beweis stellen müssen – und tat das am Wochenende bereits in NRW und bei einer SPD-Veranstaltung in Schleswig-Holstein, wo es ebenfalls Kritik gab. Noch wichtiger wird es für ihn jedoch sein, wieder integrativer zu wirken in Zukunft. Der frühere Fraktionschef Rolf Mützenich soll das dem Vernehmen nach gemeistert haben und selbst in der schwierigen Ampel-Regierungszeit die SPD-Fraktion weitgehend geräuschlos auf Kurs gehalten haben. Danach sollte nun auch Klingbeil mit seinem Team streben.
De Maart
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