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KosovoKriegsverbrecher oder Freiheitskämpfer: In Den Haag beginnt Prozess gegen Ex-Präsident Hashim Thaci

Kosovo / Kriegsverbrecher oder Freiheitskämpfer: In Den Haag beginnt Prozess gegen Ex-Präsident Hashim Thaci
Nur noch als Poster präsent: Bildnis von Kosovos früherem Premier Hashim Thaci am Mutter-Theresa-Boulevard in Pristina  Foto: Thomas Roser

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Seine Anhänger feiern Kosovos Ex-Premier Hashim Thaci als Kriegshelden, seine Ankläger machen ihn für schwere Kriegsverbrechen verantwortlich: Am Montag beginnt vor dem Kosovo-Sondergerichtshof in Den Haag der Prozess gegen den 54-Jährigen und drei weitere frühere Kommandanten der Befreiungsarmee UCK.

Ob als Premier, Präsident, Außenminister oder Parteichef: Kaum ein anderer Politiker hat die Geschicke des seit 2008 unabhängigen Kosovo so geprägt wie Hashim Thaci. Auf der ungewohnten Anklagebank wird der frühere Kommandant der Befreiungsarmee UCK über 24 Jahre nach Ausbruch des Kosovo-Kriegs von 1999 nun noch einmal im Blickpunkt der Weltöffentlichkeit stehen.

Mehr als zwei Jahre nach seiner Inhaftierung wird vor dem Kosovo-Sondergerichtshof am Montag der Prozess gegen Thaci und drei weitere UCK-Kommandanten eröffnet. Die Anklage wirft ihnen die Verantwortung für schwere Kriegsverbrechen an Zivilisten und politischen Rivalen vor. Nicht nur Angehörige der serbischen Minderheit, sondern auch Roma und Albaner sollen mit ihrem Wissen in geheimen UCK-Lagern in Kosovo und Nordalbanien vom März 1998 bis September 1999 verschleppt, gefoltert und ermordet worden sein.

„Die Schlange“ war zu Kriegszeiten der Kampfname des langjährigen Günstlings des Westens. Kriegsheld oder Kriegsverbrecher? Wie Thaci waren auch seine Mitangeklagten – der frühere Parlamentsvorsitzende Kadri Vesili (PDK), der einstige NISMA-Chef Jakup Krasniqi und der frühere Vetevendosje-Fraktionschef Rexhep Selimi – ranghohe Politiker, als sie sich im November 2020 dem Sondergerichtshof stellten. Das Medieninteresse im Kosovo an dem Prozess ist groß, das Verständnis für die Anklagen allerdings gering: Viele empfinden den Sondergerichtshof als einseitig gegen die UCK gerichtet.

Zeugen verschwanden unter merkwürdigen Umständen

Tatsächlich hatte die juristische Aufarbeitung mutmaßlicher Kriegsverbrechen der UCK lange unter dem mangelhaften Zeugenschutz gelitten. So wurde der frühere UCK-Kommandant und Ex-Premier Ramush Haradinaj vor dem UN-Tribunal 2012 auch in zweiter Instanz freigesprochen, nachdem mehrere Zeugen unter merkwürdigen Umständen verstarben oder ihre Aussagen zurückgezogen hatten. Schon vor der Eröffnung des Prozesses gegen den früheren UCK-Kommandanten Fitmir Limaj vor einem heimischen Gericht wurde der geschützte „Zeuge X“ 2015 in einem Duisburger Park erhängt aufgefunden – angeblich ein Selbstmord.

Schon 2010 hatte der damalige Europarat-Berichterstatter Dick Marty einen Rapport veröffentlicht, der Thaci und der UCK zahlreiche Kriegsverbrechen vorwarf. Der heute 54-jährige Thaci war Außenminister und Vizepremier, als Kosovos Parlament 2015 auf starken Druck des Westens die Einrichtung des Sondergerichtshofs außerhalb der Landesgrenzen in Den Haag beschloss. 2017 nahm das Gericht seine Arbeit auf. Im November 2020 wurden die ersten Anklagen erhoben – auch gegen den damals amtierenden Staatschef Thaci.

Doch erst zwei Jahre später verkündete der Sondergerichtshof sein erstes Kriegsverbrecherurteil: Im Dezember wurde der frühere UCK-Kommandant Salih Mustafa wegen der ihm zu Last gelegten Folterung und Ermordung von Kosovo-Albanern in erster Instanz zu einer Haftstrafe von 26 Jahren verurteilt.

In Pristina ist eine jüngere Politikergeneration am Werk

Auch die Sorge um die Sicherheit der Zeugen hatte den ursprünglich im Frühjahr 2021 geplanten Auftakt der nun beginnenden Prozesse immer wieder verzögert. In deren langen Vorbereitung sehen die Verteidiger von Thaci allerdings auch ein Indiz, dass die Anklage auf tönernen Füßen stehe.

Die Argumentation der Verteidigung für den geforderten Freispruch: In der „Graswurzel“-Armee der UCK habe es keine klare hierarchische Kommandokette gegeben. Als deren politischer Führer könne Thaci, der sich bis März 1999 meist gar nicht im Kosovo aufgehalten habe, kaum für etwaige Kriegsverbrechen einzelner UKC-Kämpfer verantwortlich gemacht werden.

Angesichts der Vielzahl der von der Anklage und der Verteidigung aufgebotenen Zeugen wird in Den Haag mit einem jahrelangen Prozess gerechnet. Gleichzeitig hat der Sondergerichtshof einen auffälligen Generationswechsel auf Kosovos Politparkett bewirkt: Nicht mehr die UCK-Legenden des Kosovo-Kriegs, sondern eine jüngere Politikergeneration bestimmt in Pristina nun das Geschehen.

Zwar prangt ein überlebensgroßes Porträt von Hashim Thaci noch immer in der Fußgängerzone in Pristina. Doch laut Lulzim Peci, dem Direktor des renommierten KIPRED-Instituts, haben „die alten Jungs in Den Haag“ selbst in ihren Parteien „keinerlei Einfluss mehr“: „Die Medien berichten über sie. Manchen Leuten tun sie leid. Allen anderen sind sie egal.“

Jeff
3. April 2023 - 10.34

Ginn déi Helden vun der NATO dann och virun Geriicht zitéiert, oder ass dat erem eng aner saach? E Witz déi danz Show do