Ljubow Sobol ist seit Sonntagabend wieder auf freiem Fuß. Die 48-stündige Untersuchungshaft hat die Aktivistin unbeschadet überstanden, trotz sechs Verhören und auffällig neugierigen Zellengenossinnen. „Es war wie in einer schlechten russischen Polizei-Serie“, scherzte Sobol auf Twitter und erklärte, sie lasse sich von solchen Methoden nicht einschüchtern: „Weder Handschellen noch Untersuchungshaft oder Strafprozesse können mich abschrecken.“
Doch im Visier der russischen Ermittler bleibt die prominente Unterstützerin von Alexej Nawalny wohl noch länger. Laut der Behörden hat sich Sobol des Hausfriedensbruchs schuldig gemacht. Ihr könnte eine Freiheitsstrafe drohen.
Tatsächlich hat Sobol an einer Moskauer Wohnungstür geklingelt, hinter der ein mutmaßlicher Organisator des Giftattentats gegen den Oppositionspolitiker Nawalny lebt. Die Identität des Mannes – Konstantin K. – und seiner Mittäter war nach den Recherchen der Investigativjournalisten von Bellingcat bekannt geworden.
Bellingcat hatte acht Männer als langjährige Mitarbeiter des Inlandsgeheimdienstes FSB enttarnt. Die Männer sind ausgewiesene Experten in Sachen Medizin und Chemiewaffen und haben Alexej Nawalny auf mehr als 30 Reisen in Russland seit 2017 beschattet.
Auch zum Zeitpunkt der Vergiftung Nawalnys hatten sich mehrere Mitglieder des Kommandos in Tomsk und später in Omsk aufgehalten. Legte bereits die Verwendung von Nowitschok die Verwicklung staatlicher russischer Strukturen nahe, so scheint es seit der Bellingcat-Publikation nun noch wahrscheinlicher, dass der Kreml an dem Giftverbrechen beteiligt war.
Zudem hatte Alexej Nawalny höchstpersönlich dem mutmaßlichen FSB-Agenten Konstantin K. in einem aufsehenerregenden Telefonat weitere Details über die Tat entlockt – etwa, wo genau das Nervengift Nowitschok an Nawalnys Unterhose angebracht worden war. K. bestätigte in dem Gespräch, dass der Oppositionspolitiker wohl nur dank der schnellen Notlandung in Omsk und der rechtzeitigen ärztlichen Notversorgung überleben konnte.
Nawalny hatte sich in dem Telefonat als Berater des Sicherheitsrats-Vorsitzenden Nikolaj Patruschew ausgegeben. Der Kreml tut die Causa offiziell als „Fälschung“ ab und spricht von erlogenen Anschuldigungen ausländischer Geheimdienste. Doch die Last der Indizien ist mittlerweile erdrückend; die beständige Weigerung der russischen Behörden, Ermittlungen einzuleiten, lässt das offizielle Moskau in einem trüben Licht erscheinen. Mehrere Gesetzesvorhaben, die die Veröffentlichung sensibler offizieller Daten ahnden, sollen künftigen Blamagen vorbeugen.
Opposition in die Enge treiben
Zurück zu Ljubow Sobol. Kurz nach der Veröffentlichung des Telefon-Mitschnitts am 21. Dezember hatte sich Sobol zur Wohnadresse von Nawalnys Gesprächspartner, Konstantin K., aufgemacht, um diesen zur Rede zu stellen. Ein paar Tage nach dieser Aktion wurde sie verhaftet, Polizisten durchsuchten ihre Wohnung und stellten Material sicher – darunter das Handy von Sobols siebenjähriger Tochter.
Die 33-Jährige beteuerte nach ihrer Freilassung ihre Unschuld. Sobol gab sich überzeugt, dass ein Strafverfahren gegen sie eröffnet werde, „weil ich mich an die Tür des Mörders gewagt habe“. Sie interpretiert die Repressalien der Behörden als Rache an Nawalny. Sobol ist Anwältin und eine der engsten Verbündeten von Nawalny, der sich nach dem Giftattentat zur Genesung noch immer in Deutschland aufhält und dessen Rückkehr nach den jüngsten Aufdeckungen zusehends unsicher ist.
Sobol steht für eine neue Generation an Aktivisten rund um Nawalny. Sie ist eine charismatische junge Frau, die in den letzten Jahren an eigenständigem politischen Profil gewonnen hat. Durch ihre Auftritte auf Nawalnys-YouTube-Kanal ist sie einem russischen Publikum gut bekannt. Im Vorjahr wollte sie bei der Wahl zum Moskauer Stadtparlament antreten, wurde aber als Kandidatin nicht zugelassen. Nun möchte sie bei der Duma-Wahl im Herbst 2021 einen Parlamentssitz erlangen. Sobols Internet-Kampagne läuft bereits. Würde sie verurteilt, bedeutete das wohl das Ende ihrer Polit-Karriere, da selbst eine Bewährungsstrafe die Ausübung politischer Ämter verunmöglicht. Sobols unkonventionelle Aktion vor der Haustür des FSB-Agenten könnte den Behörden als willkommener Vorwand dienen, um die russische Opposition weiter in die Enge zu treiben.
Diesen Despoten geht es nicht um das Wohl ihres Volkes, es geht ihnen einzig und allein um die Macht und ums Geld. Um beides zu verteidigen sind ihnen alle Mittel recht. Das sind rücksichtslose Menschenverächter die nicht den geringsten Widerspruch dulden. " Willst du nicht mein Bruder sein, schlag ich dir den Schädel ein! "
Am Bosporus sitzt auch so einer. Bei den Saudis ist's noch schlimmer.
Wie schwach muss ein Regime sein, das keine Kritik verträgt? Diese starken Despoten sind in Wirklichkeit Schwächlinge, Angsthasen die um ihren Posten bangen.
Götter und Diktatoren dulden keine Kritik.Längst bekannt.