Die Vereinigung Amama, in der sich von Brustkrebs betroffene Frauen organisieren, spricht von „einer Katastrophe“ und bereitet eine Sammelklage gegen die andalusischen Gesundheitsbehörden vor. „Jemand hat mit dem Leben dieser Frauen gespielt. Das darf niemals passieren“, sagte Amama-Präsidentin Angela Claverol bei einer Pressekonferenz.
Was ist schiefgelaufen? In Andalusien, mit 8,6 Millionen Einwohnern die bevölkerungsreichste Region Spaniens, werden – wie in anderen europäischen Ländern – regelmäßig Mammografien angeboten, um Brustkrebs frühzeitig zu erkennen. Bei dieser Vorsorgeuntersuchung werden Röntgenaufnahmen der Brust gemacht. Durch diese Früherkennung können Krebsfälle erkannt werden, die sonst zu spät entdeckt würden, was eine wirksamere Behandlung ermöglicht und so das Sterberisiko reduzieren kann.
Wenn die Röntgenbilder eindeutig sind, erhalten Frauen normalerweise innerhalb kurzer Zeit einen schriftlichen Befund. Bei „nicht eindeutigen“ Ergebnissen sollten sie umgehend zu einer Nachkontrolle eingeladen werden. Genau hier lag offenbar in Andalusien der Fehler: Tausende Frauen mit unklaren Befunden erhielten keine Rückmeldung oder erst Monate oder sogar Jahre später, was zu einem Fortschreiten der Tumore führte. Eine der betroffenen Frauen berichtete im spanischen Fernsehen: „Ich dachte nach der Vorsorgeuntersuchung, es sei alles gut. Ein Jahr später riefen sie mich an – da war der Tumor schon groß. Jetzt muss mir die Brust entfernt werden.“
Die andalusische Regionalregierung spricht von einem „Fehler in der Informationskette“. Frauen seien „versehentlich“ nicht über das Ergebnis ihrer Untersuchung informiert worden, obwohl eine weitere Kontrolle nötig gewesen wäre. Man arbeite daran, alle betroffenen Frauen zu kontaktieren, erklärte eine Behördensprecherin. Doch nach Angaben der Betroffenen-Organisation Amama hat bislang kaum jemand einen solchen Anruf bekommen. Für manche Frauen, die nicht informiert wurden, kommt die Nachricht des „nicht schlüssigen” Befunds ohnehin zu spät: Nach Angaben von Amama sind bereits mehrere Frauen infolge der Mammografie-Affäre verstorben. „Das ist keine Panne, das ist eine Tragödie mit Todesfolge“, sagte Amama-Vorsitzende Claverol. „Eine Frau mit Krebs kann in einem Monat tot sein.“
Der Anwalt der Vereinigung kündigte an, Strafanzeigen wegen fahrlässiger Tötung und unterlassener Hilfeleistung zu prüfen. „Wenn sich bestätigt, dass Frauen durch diese Verzögerungen gestorben sind, müssen strafrechtliche Konsequenzen folgen.“ Auch Schadensersatzklagen kommen auf die Gesundheitsverwaltung zu. Die Staatsanwaltschaft ermittelt bereits. Möglicherweise ist bisher von diesem Skandal nur die Spitze des Eisbergs bekannt geworden. Die andalusische Regionalregierung nennt derzeit die Zahl von rund 2.000 betroffenen Frauen. Doch Amama und andere Patientenorganisationen melden Tausende neue Verdachtsfälle, die in den letzten Tagen bekannt geworden seien. „Wir wissen noch gar nicht, wie viele es wirklich sind“, sagte Amama-Chefin Claverol.
Im sonnigen Andalusien leben Zehntausende Bürger aus dem europäischen Ausland. Darunter befinden sich viele ältere Residenten aus Deutschland, Österreich, der Schweiz oder Luxemburg. Viele dieser europäischen Bürger nutzen ebenfalls die Vorsorgeprogramme des andalusischen Gesundheitsdienstes. Wer also untersucht wurde und bis heute keinen Befund hat, sollte sich umgehend bei den örtlichen Gesundheitsbehörden melden. Der Mammografie-Fall legt offen, dass Spaniens öffentliches und kostenloses Gesundheitssystem, das generell einen guten Ruf hat, doch erhebliche Mängel hat. Nicht nur in der Region Andalusien kämpfen viele Kliniken mit Personalmangel, überfüllten Radiologie-Abteilungen und langen Wartelisten.
Spaniens Gesundheitsministerin Mónica García schließt offenbar nicht aus, dass sich die Affäre noch auf die ganze Nation ausweiten könnte. Ihr Ministerium kündigte eine landesweite Untersuchung aller Krebs-Vorsorgeprogramme an. Spanische Mediziner berichten, dass es nicht nur bei Brustkrebsuntersuchungen, sondern zum Beispiel auch bei der Darmkrebsvorsorge lange Verzögerungen bei der Diagnose gebe.
De Maart
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