Ein 80-jähriges Politfossil gelobt vor Albaniens Parlamentswahl am Sonntag seinen Landsleuten den Neuaufbruch. Am 11. Mai werde Albanien „vom größten Übel seiner Geschichte und der Diktatur des Verbrechens befreit“, verkündet Ex-Premier Sali Berisha, der Spitzenkandidat der oppositionellen Demokraten (PD): „Edi Rama, das Monster, das ein Land ohne Opposition wollte, ist erledigt.“
Die vor dem Urnengang veröffentlichten Prognosen sprechen eine andere Sprache. Der seit 2013 amtierende Premier Edi Rama, der Hoffnungsträger der regierenden Sozialisten (PS), kann auf das vierte Regierungsmandat in Folge hoffen: In den Umfragen liegt seine PS mit 46 bis 50 Prozent erneut klar vor der PD seines Vorgängers, die bei 30 bis 37 Prozent notiert.
„Nur mit Edi 2030 in die EU“, gelobt der Wahlslogan der PS den Anhängern des autoritär gestrickten Dauerregenten den allerdings wenig realistischen EU-Blitzbeitritt. „Macht Albanien wieder großartig“, lautet derweil die dem US-Stimmenstreit entlehnte Botschaft des von dem Trump-Wahlkampf-Manager Chris LaCivita beratenen Berisha, der großzügig steigende Gehälter, Renten und neue Jobs verspricht.
Obwohl mehrere neue Parteien und Listen um die Wählergunst streiten und einigen von ihnen auch gute Aussichten auf den Sprung über die Einprozenthürde und den Parlamentseinzug haben, dürfte der Urnengang Albaniens faktisches Zweiparteiensystem erneut bestätigen. Die Wahl zwischen Ramas PS und Berishas PD empfinden viele ihrer Landsleute allerdings wie die zwischen Dauerregen und Traufe: Weder die Regierungs- noch die Oppositionsparteien vermögen in dem von endlosen Korruptionsskandalen überschatteten Stimmenstreit eine Aufbruchsstimmung zu verbreiten.
Hohe Wachstumsraten
Leider zu Recht werfen sich die Kontrahenten Rama und Berisha gegenseitig Vetternwirtschaft und Nepotismus vor. Allein die beiden Großparteien PS und PD haben insgesamt 15 Kandidaten und Würdenträger nominiert, gegen die Albaniens Sonderstaatsanwaltschaft zur Bekämpfung von Korruption ermittelt.
Während mit Tiranas Bürgermeister Erion Veliaj (PS) ein enger Vertrauter Ramas wegen des Verdachts der Korruption schon seit drei Monaten in der Untersuchungshaft schmort, ermittelt die Justiz auch gegen Berisha: Wegen des Verdachts der Geldwäsche und Korruption saß der auch in den USA zeitweise auf die schwarze Liste gesetzte PD-Chef selbst einige Monate im Hausarrest ein.
Zwar hat Albanien dank des seit der Pandemie stark anziehenden Tourismus in den letzten drei Jahren beneidenswert hohe Wachstumsraten zwischen knapp vier und neun Prozent erzielt. Doch nicht nur die stark steigenden Lebenshaltungskosten, sondern auch Armut und Abwanderung machen dem auf 2,7 Millionen Einwohner geschrumpften Mittelmeerstaat zu schaffen. Immerhin: 250 000 Auslandsalbaner haben sich zum ersten Mal für die Parlamentswahl als Mail-Wähler registrieren lassen können. Gleichzeitig wurden ihre Namen aus den lokalen Wahlregistern ihrer Herkunftsgemeinden getilgt.
De Maart
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