Montag22. Dezember 2025

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Leserforum von Marc GoergenKommunale Politiker und das (nicht gelebte) Familienleben

Leserforum von Marc Goergen / Kommunale Politiker und das (nicht gelebte) Familienleben
Marc Goergen schreibt im Leserforum über Erwartungsdruck und Familienleben von Politikern Symbolfoto: Freepik/prostooleh

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In den vergangenen Monaten haben zahlreiche Kommunalpolitiker ihre Ämter niedergelegt. Viele von ihnen tun dies nicht aus politischem Kalkül, sondern aus ganz persönlichen Gründen, oft auch wegen der Familie.

Politikerinnen und Politiker stehen heute unter einem enormen Erwartungsdruck. Die erwartete Präsenz in den sozialen Medien, bei lokalen Festen, Eröffnungen, Gesprächsrunden und politischen Veranstaltungen verstärkt diesen Druck merklich. Die permanente Sichtbarkeit, die zu Reichweite und Resonanz führen soll, hat eine Kehrseite, besonders für jene, die neben dem Mandat auch aktiv ihr Familienleben gestalten möchten. Denn ein echtes Familienleben lässt sich nicht in ein paar Abendstunden pro Woche pressen.

Ich selbst habe mich im Herbst 2024 bewusst entschieden, mein Doppelmandat aufzugeben. Nach meiner Wiederwahl ins Parlament habe ich mein kommunales Mandat im Gemeinderat von Petingen niedergelegt. Diese Entscheidung war alles andere als leicht. Auf das zusätzliche Einkommen zu verzichten, war für mich schnell entschieden. Es war vor allem die emotionale Bindung an meine Heimatgemeinde, die mir diesen Schritt schwer gemacht hat. Wochenlang habe ich mit mir gerungen, ob dieser Verzicht der richtige Weg sei. Das nationale Mandat ist, durch eine geregeltere Struktur sowie die Agenda des Parlaments, familienfreundlicher gestaltet, auch wenn die Probleme von fehlendem Elternurlaub auch dort zu finden sind.

Mit dem nötigen Abstand kann ich heute sagen: Es war die richtige Entscheidung. Den Alltag meiner beiden Kinder bewusst mitzuerleben, sie zur Schule zu begleiten, Zeit für Gespräche, zum Spielen zu haben, präsent zu sein. Das ist ein unbezahlbarer Schatz. Ob ich eines Tages in die Kommunalpolitik zurückkehre, wenn die Kinder älter sind, wird sich zeigen. Vielleicht wird das Mandat dann eine neue, bereichernde Aufgabe sein, in einem Alltag ohne Kinder im Haus und ehe die Enkel einem das Leben verschönern.

Besonders auf kommunaler Ebene sind viele Termine abends oder am Wochenende. Sogar die offiziellen Kommissionen sind oft am Abend. Die Zeiten, die sonst für Familie reserviert wären. Es gibt Anlässe, zu denen Kinder mitkommen können, aber da stellt sich die moralische Frage: Will man sie diesen öffentlichen Situationen wirklich aussetzen? Sollte man den Kindern nicht die Freiheit lassen, selbst zu entscheiden, ob sie sich einem Leben in der Öffentlichkeit stellen möchten?

All diese Erfahrungen zeigen, dass es dringend eine Reform hin zu mehr Familienfreundlichkeit in der Kommunalpolitik braucht. Mandatsträgerinnen und Mandatsträger sollten, wie alle anderen Berufstätigen, die Möglichkeit haben, Elternzeit zu beantragen, im Mutterschutz zu sein oder sich temporär vertreten zu lassen, ohne ihr Mandat unwiderruflich aufgeben zu müssen.

Aktuell ist das nicht vorgesehen. Wer ein kommunales Amt ausübt, muss „funktionieren“ – ohne Pause, ohne Rücksicht auf familiäre Bedürfnisse. Diese Haltung ist nicht nur unzeitgemäß, sie schreckt auch viele zukünftige oder junge Eltern davon ab, sich überhaupt politisch zu engagieren.

Dabei gestalten gerade die Kommunalpolitiker unser unmittelbares Lebensumfeld. Umso wichtiger ist es, dass sie nicht aus Überlastung aufgeben, sondern Rahmenbedingungen vorfinden, die auch ein erfülltes Familienleben zulassen. Die vielen Rücktritte der letzten Monate sind ein deutliches Signal. Es ist Zeit, sie ernst zu nehmen und politische Entscheidungen zu treffen.


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Grober J-P.
12. Juli 2025 - 16.43

Frage: warum stellt man sich zur Wahl? Warum nimmt man das Mandat an?