Donnerstag6. November 2025

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Nach Aussagen von Luc FriedenKommt das Recht auf Abtreibung in die Verfassung? Das sagen Politik und Zivilgesellschaft dazu

Nach Aussagen von Luc Frieden / Kommt das Recht auf Abtreibung in die Verfassung? Das sagen Politik und Zivilgesellschaft dazu
Protestierende haben sich am Montag vor dem Parlament versammelt, um für das Verankern der Abtreibung in der Verfassung zu demonstrieren Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Dass der freiwillige Schwangerschaftsabbruch in Luxemburg verfassungsrechtlich geschützt wird, wird nach der Zusage von Luc Frieden immer wahrscheinlicher. Die Chamber gibt sich einen Zeitplan, die Zivilgesellschaft reagiert größtenteils positiv.

Luc Frieden hat am Mittwochabend angekündigt, dass er für die Einschreibung des Abtreibungsrechtes in die Verfassung ist. Damit dürfte sich der Prozess, den der Linken-Politiker Marc Baum vor einem Jahr mit seinem Gesetzesvorschlag angestoßen hat, deutlich beschleunigen. „Der Text wird derzeit vorbereitet“, bestätigen der Präsident der Institutionenkommission Laurent Zeimet (CSV) in der Chamber wie auch DP-Präsidentin Carole Hartmann gegenüber dem Tageblatt. Es würde derzeit auch unter CSV und DP Beratungen geben, um in der nächsten Kommissionssitzung am 29. September einen Text vorzulegen, dem auch die Mehrheitsparteien zustimmen würden. Am Abend des 29. September soll auch der CSV-Nationalrat darüber beraten und grünes Licht geben. Und wenn das nicht der Fall sein sollte? „Da sich unser Parteipräsident Luc Frieden entsprechend engagiert hat, geh ich davon aus, dass er seine Truppen überzeugen wird“, sagt Zeimet gegenüber dem Tageblatt. Der Fraktionszwang, das hatte Zeimet bereits am Donnerstag bei Radio 100,7 angekündigt, werde im Fall einer Abstimmung in der Chamber aufgehoben.

Ähnlich wird es auch die DP handhaben. Bereits vor der Sommerpause hätten sich die Parteigremien darauf geeinigt, dass jeder Abgeordnete nach seinem Gewissen abstimmen könne. Auf Carole Hartmann und Simone Beissel geht auch die Initiative zurück, den Gesetzestext umzuändern. Von einem Recht mit Verfassungsrang (Droit à…) wird in der nächsten Kommissionssitzung ein Text eingebracht werden, in der die Abtreibung als verfassungsrechtliche Freiheit festgeschrieben werden soll. „Es geht nicht um juristische Detaildiskussionen, sondern darum, einen Text vorzulegen, der eine konsensfähige Verfassungsmehrheit von 40 Abgeordneten hervorbringen soll und die Frau schützt“, sagt Hartmann. (Zum Unterschied zwischen Recht und Freiheit: siehe Infokasten.) Marc Baum hatte in der Kommissionssitzung am Montag entsprechende Diskussionsbereitschaft gezeigt. Fraglich ist allerdings, ob das im Gesetzesentwurf von Baum festgeschriebene „Recht auf Verhütung“ ebenfalls umformuliert oder im von CSV und DP abgesegneten Text gänzlich gestrichen werden soll. „Das ergibt sich nun während der Arbeiten zur Umformulierung des vorliegenden Textes“, sagt Hartmann.

Verfassungsrechtler erklärt: „Droit“ oder „liberté“

Der Luxemburger Verfassungsexperte Luc Heuschling erklärt im Gespräch mit dem Tageblatt, was die juristischen Unterschiede eines „droit“ (Recht) und einer „liberté“ (Freiheit) sind. „Eine Freiheit ist grundsätzlich eine Kategorie eines Rechtes“, erklärt Heuschling. Nur bestehe bei einem Recht ein Anspruch aufs Resultat, bei einer Freiheit lediglich das Recht, danach zu fragen. Im konkreten Fall der Abtreibung würde dies bedeuten, dass ein Arzt – der Fall vorausgesetzt, es würde ein „droit à l’avortement“ verankert werden – eine Abtreibung auch vornehmen müsse. Das sei bei einer „liberté“ nicht der Fall. In dem Fall habe die Frau das Recht darauf, eine Abtreibung vorzunehmen – ein Arzt könne dies jedoch verweigern. Das entspricht somit in etwa der heutigen Gesetzgebung. In Artikel 13 des entsprechenden Gesetzes steht nämlich, dass „kein Arzt verpflichtet ist, einen freiwilligen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen. Ebenso ist kein Angehöriger eines Gesundheitsberufs verpflichtet, an einem solchen Eingriff mitzuwirken“. Mit einem „Recht auf“ würde diese „clause de conscience“ laut Heuschling nicht mehr greifen. Oder, verkürzt ausgedrückt: Es ist ein Unterschied zwischen einem „droit à obtenir“ und einer „liberté de demander“.

„Pour la vie naissante“

„Ich bin schockiert über die Aussagen von Luc Frieden“, sagt die Vizepräsidentin von „Pour la vie naissante“, Marie-Josée Frank, dem Tageblatt. Die ehemalige CSV-Abgeordnete und frühere Bürgermeisterin von Betzdorf bemängelt, dass nicht genügend innerhalb der Partei darüber diskutiert wurde. „Es muss eine Umfrage unter den Mitgliedern gemacht werden“, fordert Frank.

Eine Verfassungsänderung könne nicht als „Hauruckaktion“ durchgeführt werden, sagt die Vizepräsidentin des Vereins, der sich für den Schutz des ungeborenen Lebens einsetzt. „Das ist in meinen Augen so nicht vertretbar.“ Bei einem wichtigen gesellschaftlichen Thema wie der Abtreibung müsse ein demokratischer Prozess stattfinden, sonst stehe die Demokratie auf dem Spiel. „Es geht hier um Menschenrechte“, sagt Frank – und fordert, dass das Recht auf Leben in der Verfassung verankert wird. Das Thema Abtreibung sei weder in Wahlprogrammen noch im Koalitionsvertrag vorgekommen. Bevor eine Entscheidung getroffen werde, müsse unbedingt mit der Bevölkerung geredet werden. Die Parteien könnten das Thema etwa im nächsten Wahlkampf aufgreifen – und die Bürger dann mit ihrer Stimme entscheiden.

Und was sagt die CCDH?

„Für uns zählt, dass das Recht auf Abtreibung in der Verfassung verankert wird“, sagt Rhéa Ziadé, Juristin bei der ‚Commission consultative des droits de l’homme’ (CCDH) und Mitautorin des entsprechenden Avis im Gespräch mit dem Tageblatt. Dadurch erhalte es ein ganz anderes Gewicht, als wenn es lediglich auf Gesetzesebene geregelt wäre. Zudem freue man sich, dass die Initiative breite Unterstützung findet – auch dies habe eine starke symbolische Bedeutung.

Die Diskussion darüber, ob Abtreibung in der Verfassung als „liberté publique“ oder als Recht verankert werden soll, hält Ziadé für wenig zielführend. Von Anfang an sei klar gewesen, dass eine solche Bestimmung nicht im Kapitel der Grundrechte verortet würde, sondern als zusätzlicher Absatz in Artikel 15, der im Kapitel der „libertés publiques“ die Gleichstellung von Frau und Mann garantiert. Insofern sei es nie eine Forderung gewesen, das Thema in das Kapitel der Grundrechte aufzunehmen; entsprechende Debatten seien daher obsolet.

Darüber hinaus sieht die CCDH in diesem Momentum eine Gelegenheit, die aktuelle Gesetzeslage zu überprüfen und gegebenenfalls zu verbessern. Es müsse geprüft werden, ob Frauen in der Praxis tatsächlich einen gleichberechtigten Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen haben.

Und der CNFL?

Der Nationale Frauenrat Luxemburgs (CNFL) unterstützt ausdrücklich die vorgeschlagene Verfassungsänderung, die das Recht auf Schwangerschaftsabbruch und Verhütung in die luxemburgische Verfassung aufnehmen will. Angesichts internationaler Rückschritte – etwa in den USA oder durch das Erstarken rechter Bewegungen in Europa – sei es entscheidend, diesen Grundsatz auf höchster rechtlicher Ebene zu verankern. Ein solcher Schritt würde nicht nur Luxemburgs internationale Verpflichtungen (zum Beispiel im Rahmen der Istanbul-Konvention) stärken, sondern auch Gewaltprävention fördern, da verweigerter Zugang zu Abtreibung und Verhütung eine Form institutioneller Gewalt darstelle.

„Die Verankerung des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch in der Verfassung entspricht auch unserem erklärten Willen, die Autonomie, Emanzipation und vollständige Selbstbestimmung der Frauen zu fördern“, schreibt der Rat in seinem Avis.

Der Rat hat nach der Ankündigung von Premierminister Luc Frieden, den Schwangerschaftsabbruch als Freiheit in die Verfassung aufzunehmen, noch keine neue Stellungnahme abgegeben. Gegenüber dem Tageblatt betont die Präsidentin, Nathalie Morgenthaler, dass der Rat grundsätzlich bei den Aussagen bleibt, die im bereits zuvor veröffentlichten Avis formuliert wurden.

Und das Erzbistum?

Das Erzbistum hat auf Tageblatt-Anfrage seine bisherige Position in einem Satz bekräftigt: „Ohne einer eingehenderen Betrachtung des Themas vorgreifen zu wollen, bekräftigt das Erzbistum weiterhin seine Verteidigung des Rechts auf Leben des ungeborenen Kindes und damit seine Ablehnung der Aufnahme der Abtreibung als Recht oder als öffentliche Freiheit in die luxemburgische Verfassung.“

Guy Mathey
19. September 2025 - 10.27

Laut Verfassungsexperte Luc Heuschling besteht also durchaus ein riesiger Unterschied zwischen "droit" und "liberté". Elementar ist in jedem Fall, dass die Frau, welche einen Schwangerschaftsabbruch wünscht, ohne Schwierigkeiten im Spital ihrer Region auf ein solches Angebot zurückgreifen kann. Dies muss gesetzlich garantiert werden, ansonsten verkommt das Ganze zur Farce.
Wie dies erreicht werden kann bleibt final im Detail zu klären, eventuell würde es ausreichen, alle Krankenhäuser, welche über eine Gynäkologie verfügen, zu verpflichten, Abtreibungen anzubieten.