Die Visite von König Charles III. und seiner Gattin Camilla beim Nachbarn Frankreich musste am Wochenende in letzter Minute abgesagt werden, weil die französischen Sicherheitsbehörden um die Unversehrtheit der hohen Gäste bangten. Was des Präsidenten Emmanuel Macrons Leid (und Peinlichkeit) ist, wird Deutschland zur Freude: Denn so kommt das Land seiner Vorväter und -mütter von Mittwoch an in den Genuss des ersten Staatsbesuchs im Ausland, den der 74-Jährige seit seiner Amtsübernahme im September absolviert.
Dass das Königspaar im Pensionistenalter die ursprünglich als Doppelpack geplante Ehre den beiden etwa gleich großen Nachbarn auf dem Kontinent zuteilwerden lassen wollte, hat nichts mit Europa-Begeisterung zu tun. Vielmehr spiegelt es die Priorität der konservativen Regierung von Premierminister Rishi Sunak wider. Der will die chaotischen Brexit-Jahre seit der verhängnisvollen Referendumsentscheidung vom Juni 2016 hinter sich lassen. Nach dem Chaos seiner unmittelbaren Vorgänger Boris Johnson und Liz Truss setzt der neue Mann in der Downing Street, immerhin schon der zweite Regierungschef Seiner Majestät, erkennbar auf ruhige Regierungsarbeit und eine Annäherung an die EU. Als deren wichtigste Mitglieder gelten nun einmal Frankreich und Deutschland.
Sunak selbst hat zu Monatsbeginn in Paris für gut Wetter gesorgt. Unter anderem sollen britische Millionen dafür sorgen, dass Frankreich energischer gegen jene Migranten vorgeht, die in Schlauchbooten über den Ärmelkanal setzen. Dass Deutschland in der Bekämpfung organisierter Schlepperbanden nicht immer so viel Einsatz zeigt wie in London erhofft, stellt das einzige Wölkchen am sonst völlig ungetrübten Himmel der Beziehungen zu Berlin dar.
So dürften die Tage in der Bundesrepublik für den König so etwas wie ein Heimspiel werden. Von der „engen und herzlichen Freundschaft zwischen unseren Ländern und unseren Bürgerinnen und Bürgern“ schwärmt schon vorab Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Die „Stärke unseres bilateralen Verhältnisses“ sowie das „dauerhafte Vermächtnis von Zusammenarbeit und Aussöhnung“ besingt die Pressestelle des Buckingham-Palasts.
Im Land der Vorfahren
Zu beidem haben gewiss jene fünf Staatsbesuche beigetragen, die Charles‘ Mutter Elizabeth II. im Lauf ihrer langen Amtszeit beim einstigen Kriegsgegner und späteren engen Verbündeten absolvierte. Dabei und bei den Gegenbesuchen begegnete sie den meisten der mittlerweile zwölf Präsidenten, die der Bundesrepublik seit 1949 als Staatsoberhaupt dienten. Vor allem aber wurde sie immer wieder begeistert von der Bevölkerung empfangen.
Das nahm manchmal ein bisschen beängstigende Ausmaße an, beispielsweise während der elftägigen Reise – nie zuvor und nie wieder danach opferte die Queen einem europäischen Land soviel Zeit – im Mai 1965. Die West-Berliner skandierten damals „E-li-sa-beth, E-li-sa-beth“, was die derart Hofierte „allzu sehr an das Nazi-Geschrei erinnerte“, wie der damalige Außenminister Michael Stewart später schrieb. Zuletzt, im Juni 2015, war der Empfang nicht weniger herzlich, aber zurückhaltender und voller Respekt vor der Lebensleistung der Dame, die im September 96-jährig nach 70 Jahren auf dem Thron verstorben ist.
Der Langlebigkeit seiner Mutter wegen war Charles der am längsten amtierende Thronfolger in der langen britisch-englischen Monarchiegeschichte. Kein Wunder, dass diese Woche schon sein 29. offizieller Besuch in Deutschland steigt. Immer wieder weilte Charles über die Jahre in jenem Land, aus dem nicht nur der einflußreiche Vorfahr Albert von Sachsen-Coburg-Gotha stammte, Prinzgemahl von Queen Viktoria (1837-1901) und wichtiger Förderer der „modernen“ konstitutionellen Monarchie auf der Insel. Auch Charles‘ Urgroßmutter Mary von Teck sowie sein Vater Philip aus dem Hause Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg verlebten ihre prägenden Kindheitsjahre in Deutschland und sprachen dessen Sprache hervorragend.
Rede im Bundestag
Wie gut Charles‘ Deutsch-Kenntnisse sind, wird sich am Donnerstag nachprüfen lassen. Da spricht der Besucher wie schon anlässlich des Volkstrauertages 2020 im Bundestag. „Wir werden immer Freunde, Partner und Verbündete sein“, sagte der Redner damals; etwa die Hälfte seiner Ansprache trug er in fließendem Deutsch vor. Dennoch markiert der Anlass ein Novum: Zum ersten Mal tritt ein amtierender britischer Monarch ans Rednerpult des deutschen Parlaments. Die Queen hatte es bei den üblichen Reden auf Staatsbanketten belassen.
Am Donnerstag will Charles einer Brückenbau-Demonstration durch britische und deutsche Pioniere in Brandenburg zuschauen – subtile Erinnerung an seine Rolle als (nomineller) Oberbefehlshaber der britischen Streitkräfte, aber auch Zeichen der anhaltenden Solidarität mit der Ukraine. Einige nach Deutschland geflüchtete Bürger des von Russland überfallenen Landes wollen dem Monarchen über ihre Situation berichten. Am Freitag erhält der Öko-Pionier eine Einweisung in die neueste umweltfreundliche Technik im Hamburger Hafen. Zuvor werden Charles und Camilla gemeinsam mit Präsident Steinmeier und dessen Frau Elke Büdenbender Kränze am ausgebrannten Turm der alten Nikolaikirche niederlegen. Das Gotteshaus war 1943 dem Feuersturm der Royal Air Force zum Opfer gefallen.
De Maart
Gut,dass es noch wichtigere Themen gibt als Krieg und Umwelt. Ein König und ein Bundespräsident,zwei Ämter die so wichtig sind wie kalte Füsse,pflanzen ein Bäumchen. Putzig.