Bei ihrem ersten Spitzentreffen nach der Sommerpause an diesem Mittwoch, dem sogenannten Koalitionsausschuss, wollen Union und SPD die Wogen glätten und wieder Gemeinsamkeiten betonen. Im Hintergrund aber schwelt die Debatte über gigantische Haushaltslöcher spätestens ab 2027 und die Zukunft des Sozialsystems, das angesichts konjunktureller Schwäche und demografischer Entwicklung für Steuer- und Beitragszahler immer teurer wird.
Trotz einer Rekord-Neuverschuldung bis 2029 von insgesamt etwa 850 Milliarden Euro für höhere Verteidigungsausgaben und mehr öffentliche Investitionen kündigen sich im Kernhaushalt große Löcher an. Während die Probleme 2025 und 2026 noch handhabbar sind, warnt Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) vor einer absehbaren Lücke von gut 30 Milliarden Euro im Haushalt für 2027.
Allein die von der CSU geforderte Ausweitung der Mütterrente ab 2027 wird den Bund rund fünf Milliarden Euro pro Jahr kosten. Fast dieselbe Summe fehlt bei den Einnahmen, wenn die Koalition wie angekündigt ab 2026 die Mehrwertsteuer für die Gastronomie senkt. Auch die verbesserte Agrardiesel-Förderung oder die Erhöhung der Pendlerpauschale schlagen Löcher in den Haushalt.
Beim Koalitionstreffen will man sich auf erste Schritte zur Haushaltskonsolidierung verständigen. Steuererhöhungen, die die SPD-Seite ins Gespräch gebracht hatte, hat Kanzler Friedrich Merz (CDU) ausgeschlossen. Die SPD betont aber, die Konsolidierungsschritte müssten sozial ausgewogen sein, es dürften nicht nur die Ärmsten betroffen sein.
Die Haushaltsprobleme haben die Debatte über notwendige Reformen im Sozialsystem befeuert. Der drohende weitere Anstieg der Beitragssätze für Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung ist aus Sicht des Kanzlers ein drängendes Problem, weil er die Wirtschaft lähmt. Merz hat einen „Herbst der Reformen“ angekündigt, aber zu sehen sein wird von großen Reformen voraussichtlich in diesem Jahr eher wenig. In der SPD ist man daher über den Begriff nicht sehr glücklich. Allein die Unionsidee der Aktivrente für Rentner, die bis zu 2.000 Euro pro Monat hinzuverdienen können sollen, wird umgesetzt. Denn die SPD steht bei schnelleren Reformen auf der Bremse und verweist auf Expertenkommissionen, die zunächst Vorschläge unterbreiten sollen. Eine Rentenkommission etwa soll erst 2026 eingesetzt werden und 2027 Reformvorschläge vorlegen.
Verschärfungen beim Bürgergeld
Allerdings will sich die SPD der Debatte über Strukturreformen auch nicht verschließen. Angesichts des 30-Milliarden-Lochs ab 2027 im Haushalt sei allen klar geworden, dass nicht jeder Plan im Koalitionsvertrag umsetzbar sein werde, hieß es. Allein für die Pflegeversicherung könnten zudem zwei Milliarden Euro zusätzlich als Zuschuss aus dem Haushalt nötig werden.
Sozialministerin Bas will im September einen Gesetzentwurf vorlegen, der Verschärfungen bei den Sanktionen für Bürgergeld-Empfänger vorsieht. Sogenannten Totalverweigerern, die mehrfach ein Jobangebot ablehnen, soll etwa der Regelsatz komplett gestrichen werden. Die Union dringt aber darüber hinaus auf weitere Schritte.
Die geplanten zusätzlichen Investitionen in Straßen, Bahn und Schulen sollen schneller umgesetzt werden. In den vergangenen Jahren blieben bereitgestellte Mittel in Förderprogrammen oft liegen, weil sie nicht abgerufen wurden. Ein Investitionsbeschleunigungsgesetz für das 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Infrastruktur ist im Gespräch.
De Maart
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