Neu im Kino„Kingdom of the Planet of the Apes“: Zwischen Tragik und diffuser Hoffnung

Neu im Kino / „Kingdom of the Planet of the Apes“: Zwischen Tragik und diffuser Hoffnung
Vermeintliche Primaten bei der Premiere von „Kingdom of the Planet of the Apes“ in Hollywood Foto: AFP/Valerie Macon

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Sieben Jahre nach „War for the Planet of the Apes“ ist mit „Kingdom of the Planet of the Apes“ eine weitere Fortsetzung des Reboots um den Planeten der Affen in den Kinos gestartet. Es ist ein weiterer Auftakt, der den Stoffgehalt des Originalfilms mit den heutigen Mitteln der digitalen Tricktechnik aktualisiert und dabei einmal mehr die zeitlose politische Brisanz des Ausgangsmaterials bestätigt.

Fatalistischer könnte der neue Film um den Planeten der Affen nicht beginnen: Caesar, der Titelheld der Vorgängerfilme, wird auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Es ist eine ungewisse Beisetzungszeremonie und es ist unklar, wie sie das Schicksal der Affen beeinflussen wird. Der Anfang dieses „Neuen Königreichs“ wird mit der Asche des Alten begründet. Die Zustände haben sich für die Menschheit auf Erden indes sichtlich nicht gebessert. Das einstige Stadtbild als Zeichen eines urbanen, technologischen Fortschrittsgedankens ist nicht mehr. Laternen, Flugzeuge oder noch poröse Schiffswracks sind von Rost befallen. Ganze Straßen und zerfallende Hochhäuser sind mit Wildwuchs überzogen, die Natur fordert ihren Platz zurück. Mehrere Jahrzehnte nach Caesars Tod leben die fortschrittlichen und sprachfähigen Affen in einzelnen Clans, während die Menschen, ihrer Sprachfähigkeit beraubt, nur noch in kleineren Gruppierungen ein rückständiges Nomadentum fristen.

„Kingdom of the Planet of the Apes“ beschreibt zunächst die Coming-of-Age-Geschichte eines jungen Affen namens Noa (Owen Teague). Er gehört einem Volk an, das sich Adler hält und einstige Strommaste zu rudimentären Holzhütten geformt hat. Dessen friedvolles Dasein wird jäh gestört, als ein kriegerischer Affenstamm rund um den despotischen Proximus Caesar (Kevin Durand) das Dorf überfällt und Noas Familie verschleppt. Von da aus strukturiert der bekannte Topos der Reise den Handlungsverlauf und verleiht diesem neuen Streifen neben seinem inhaltlichen Zuschnitt auf die Motivik der Science-Fiction unverkennbar den Genrecharakter des Abenteuerfilms. Alsbald trifft Noa auf den weisen älteren Affen Raka (Peter Macon) und das geheimnisvolle Mädchen Mae (Freya Allan), einer der letzten verbliebenen Menschen, die noch sprechen können. Die darwinistische Umkehrung der Evolutionsverhältnisse scheint unaufhaltsam, zumal Proximus Caesar es auf ein einstiges Versteck der Menschen abgesehen hat. Es ist seine Schatzkammer, ein Hort an Wissen und Technologie, von dem er sich die endgültige und allumfassende Dominanz des Affen auf Erden erhofft.

Zwischen Tragik und diffuser Hoffnung

So sehr der Regisseur Wes Ball mit diesem neuen Film das klassische Narrativ der Heldenreise bedient, so sehr hält er in diesem mittlerweile neunten Eintrag in das langlebige Franchise an der Erfolgsformel der Vorgängerfilme fest: Er sucht mittels hochwertiger digitaler Effekte die Nähe zum Publikum. Das Motion Capture-Verfahren, eine Computertechnologie überträgt die menschliche Mimik und Gestik auf die digitale Abbildung eines Primaten und sucht so das Vertraute im vormals Unvertrauten. Obwohl die Spannungslinien hier klarer entlang Gut und Böse strukturiert sind und nicht mehr die subversive Qualität von „Dawn of the Planet of the Apes“ (R: Matt Reeves 2014) erreichen, erwachsen die Konflikte nicht so sehr aus der Andersartigkeit der jeweiligen Spezies, sondern scheinen vielmehr aus den trügerischen Versprechen des Machtinhabers hervorzugehen. Dieses pessimistische Weltbild zwischen Tragik und diffuser Hoffnung bestimmt den gesamten Film – bis hin zu seinem ambivalenten Ende.

Die Kommunikation, die Überwindung und der Neustart für die Menschheit sind hier ebenso denkbar wie der drohende Ausbruch einer neuen gewaltvollen Auseinandersetzung zwischen Mensch und Tier. Es ist die fragile Linie zwischen Loyalität und Vertrauensbruch, die in „Kingdom of the Planet of the Apes“ immer wieder angeführt wird, brüchig sind die Allianzen, die da geschmiedet werden, groß die Skepsis dem anderen gegenüber in diesem Kampf um die Vormachtstellung, der besonders über den Zugang zu Bildung und Ressourcen, insbesondere Bücher und Waffen, entschieden werden soll. Jeder Anflug von Nähe und Vertrauen zwischen den Arten kann alsbald wieder ins Gegenteil kippen.

Ähnlich wie die Vorgängerfilme den Leidensweg Caesars zu einer Messias-Geschichte stilisierten, ist der biblische Subtext auch hier nicht zu übersehen: Da gibt es beispielsweise Noa und die Sintflut. Nie werden diese Zitate wirklich sinnfällig behandelt, sie bilden mehr ein Netz aus Verweisen, das den allegorischen Gehalt der Reihe rund um den Wertekatalog und um ein gemeinschaftliches Miteinander immer neu akzentuiert. Caesars Wunsch nach einer friedvollen zivilisatorischen Koexistenz wird explizit als ein Projekt in Arbeit verstanden: Es ist der Wunsch nach einer besseren Welt, die immer Utopie ist. Caesars Lehre wird von den einen kultisch verehrt, von den anderen missbraucht, jüngere Generationen haben ihn und seine Worte längst vergessen.

Alles Affen sind gleich, aber manche gleicher

Der Franchise-Reboot startete 2011 mit „Rise of the Planet of the Apes“ nicht zufällig mit den Bildern einer Verfolgungsjagd im Urwald: Sadistische Jäger sperrten eine Affenfamilie in Käfige, um sie sich untertan zu machen. „Kingdom of the Planet of the Apes“ schließt diese visuelle Klammer. Nun werden wieder Menschen verfolgt und in Ketten gelegt. Mehr noch zitiert der neue Film von Wes Ball ausgiebig den Bilderkatalog des Originals von Franklin J. Schaffner: Da gibt es die Verfolgungsjagden im hohen Gras, wo leicht bekleidete Menschen von Primaten auf Pferden getrieben werden oder noch den Zug entlang der Meeresküste. Man kennt diese Bildwelt, in der sich das neue Werk augenfällig einschreibt. Was sich so aber überaus direkt ins Bewusstsein hebt, sind Vexierbilder weißer Überlegenheitsfantasien, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Kräfteverhältnisse – dieses allegorische und überaus satirische Potenzial, das bereits im Roman des französischen Schriftstellers Pierre Boulle von 1963 angelegt war, hat besonders beim Erscheinen der Originalfilmreihe in den späten 60er- und frühen 70er-Jahren den Nerv der Zeit getroffen. Es ist aber gerade das Diffuse, das Unkonzentrierte dieser Verweise, das den allegorischen Subtext so wirkungsvoll macht: Die Reihe war immer schon mehr als ein filmischer Denkanstoß konzipiert, sie durfte in ihrer Allegorie nie zu explizit, zu greifbar werden – wie sonst konnte sie sich über rund fünf Jahrzehnte hinweg so überaus frei an den vorherrschenden Zeitgeist anpassen?

Wes Ball, der sich vor allem mit den „Maze Runner“-Filmen (2014-2018) einen Namen gemacht hat, ist sich dieses Umstands sehr wohl bewusst. Sehr behutsam legt er das Erschaffene entlang der Parameter der inhaltlichen Kohärenz und der technologischen Revision aus. Man sollte indes nicht vorschnell dem Urteil verfallen, das Werk sei eine reine generische Wiederholung und würde dem Franchise nichts Neues hinzufügen. Dies wäre dann doch zu kurz gedacht, zumal dieser Aspekt hier konzeptuellen Charakter besitzt. Der Film betont einmal mehr das zyklische Moment des Stoffes: Es geht um die immergleiche Reproduktion bekannter Herrschaftsstrukturen, die wiederum bekannte gesellschaftliche Verhältnisse schaffen: Die Affen sind zwar alle gleich, aber manche Affen sind gleicher als andere.

Der Tyrann Proximus Caesar verschleppt und versklavt nämlich nicht nur die verbliebenen Menschen, sondern auch Affen. Somit wird die pazifistische Politik des ersten Affen, Caesar, der den Affen nicht nur Sprache und Intelligenz gab, sondern auch eine Aussicht auf eine harmonische Zukunft, in pervertierter Form neu ausgelegt. Sein Name ist nicht mehr nur eine Legende, er ist auch zu einem Titel geworden, über den eine neue Vormachtstellung und Herrschaftslegitimation etabliert werden kann. Darin liegt die zynische Wendung von „Kingdom of the Planet of the Apes“, er zitiert so einmal mehr das weltweit bekannt gewordene Ende des Originalfilms von 1968: Die neue Welt ist immer noch die alte.

Hintergrund

Wer sich einen Überblick über das Affen-Universum verschaffen will: In den Ausgaben vom 4. und vom 6. Mai beleuchtete Marc Trappendreher die Franchise „Planet of the Apes“.