19. Oktober 2025 - 16.10 Uhr
Akt.: 19. Oktober 2025 - 16.17 Uhr
Forum von Guy RewenigKing of Kitsch – Nachbemerkungen zum surrealen Thronbesteigungsrummel


Dieser „Trounwiessel“ geriet zum Festival der grauenhaften Klischees: Vorgestanzte Zustimmung und künstlich erzeugter Beifall allenthalben, ein neuer Großherzog, der über die gesamte Tournee-Strecke winkte wie ein Automat, kurze Ansprachen und lange Reden voller Gemeinplätze, auffällig unterwürfige und schleimtriefende Politiker und Staatsbedienstete, anbiedernde Bücklinge zuhauf und als Kulisse das brave Fußvolk mit allerlei Devotionsübungen. Handel und Kommerz überboten sich gegenseitig mit ganzseitigen, speichelleckerischen Zeitungsanzeigen: „So sicher wie die Krone – Coplaning Protecto“ oder „Fir säi Schutz huet Lëtzebuerg de Guillaume – Dir, Dir hutt LALUX“, um nur zwei der abenteuerlichsten zu zitieren. Auch die Presse, in der Regel durchaus kritisch aufgelegt, versank in dick aufgetragenem Sentimentalkitsch: „Luxemburg feiert den Thronwechsel als Gesamtkunstwerk“ (Wort), „Hier verzaubern Charles und François die Menge“ (Wort) oder „Zwei kleine Prinzen begeistern das Land“ (Tageblatt). Nüchtern betrachtet waren nur zwei völlig überforderte Kleinkinder zu erkennen, die sich vor lauter Stress und Müdigkeit am liebsten verkrümelt hätten.
Fähnchenschwenken bis zum Muskelkrampf
Wer wurde gefeiert? Ein Mann, dessen Funktion die Demokratie kurzschließt, weil er völlig undemokratisch zu seinem Amt gekommen ist. Um diesen fundamentalen Widerspruch zu verwischen, mussten die staatlichen und kommunalen Jubelplaner schwere Nebelkanonen auffahren. Es sollte ja niemand auf den Gedanken kommen, mit unserer Demokratie sei es nicht weit her, wenn ein adeliger Nassauer sie nach Gutdünken aushebeln kann („Einer, der groß herzog und vergaß, wieder zu gehen“, wie es der Kabarettist Mars Klein vor langer Zeit formulierte). So sah es beim „Trounwiessel“ aus: Amtlich verordnete Freude bis zum Umfallen, besinnungsloses Jubeln bis zur Migräneattacke, Fähnchenschwenken bis zum Muskelkrampf.
Irgendwie taten einem all die freiwilligen Statisten und Komparsen leid. Haben sie ihre beachtliche Kreativität nur zu Ehren des Großherzogs entfaltet? Womit hat der Herr diese Kulturgabe verdient? Was hat er bisher geleistet? Er betont immer wieder, dass er an insgesamt 17 Wirtschaftsmissionen in der ganzen Welt teilgenommen hat. Womit er sich im gleichen Lager wie der CEO Frieden befindet: unter den Fittichen der Wirtschaftskapitäne. Also in einer Sphäre, wo Kultur gar nichts gilt und die einfachen Bürger nur als Konsumenten wahrgenommen werden.
Das bombastische Spektakel gipfelte im bestürzend grob gestrickten Sozialkitsch auf der Roten Brücke, mit einem sogenannten „Tramballett“. Aus den Wagen strömten reihum handverlesene Aushängeschilder der Luxemburger Gesellschaft. Sie sollten eine Art monarchiefreundliche kollektive Harmonie simulieren und ihren Auftritt vom Großherzog absegnen lassen. In einem der Tramwagen waren zum Beispiel Wirtschaftsvertreter und Gewerkschafter zusammengepfercht, um dem Thronbesteiger gemeinsam ihre Aufwartung zu machen. Ganz so, als wäre der gründlich ruinierte soziale Frieden in Luxemburg plötzlich wie von Zauberhand repariert. Wer hat diese haarsträubende Kavalkade der Leichtgläubigen und Naiven inszeniert? Wer lässt sich zu einer derart blauäugigen Verkennung der politischen Realität hinreißen? Was sollte übrigens das astronomisch teure Laserstrahlenspalier auf der Roten Brücke symbolisieren? Vorgetäuschte Geistesblitze des Monarchen? Oder Blendgranatenersatz?
Ein Land unter medialem Dauerbeschuss
Unterdessen stand das Land unter medialem Dauerbeschuss: 396 Fotos allein vom Te Deum auf rtl.lu. Die royale Picture-Show in ausufernden Nahaufnahmen. Fragt sich nur, warum da so viele schiefe Hüte defilierten. Könnte es sein, dass auch in den dazugehörigen Köpfen so manches in Schieflage geraten ist? Der Kardinal mit seiner „Kleesercherskap“ schoss zweifelsfrei den Vogel ab. Unter seinem pompösen Kopfschmuck ist Platz für sehr viel krauses Gedankenzeug. „Lëtzebuerg geet weider, well d’Dynastie weidergeet“, schwafelte der Kardinal in seiner Predigt. Treffender und weitaus aktueller wäre wohl gewesen: „Lëtzebuerg geet weider, well de Cactus weidergeet.“ Herrn Hollerichs Souffleur, der Heilige Geist, scheint nicht mehr ganz auf der Höhe der heutigen Verhältnisse im Großherzogtum zu sein.
Wer einen Unternehmer aus dem Showbusiness beauftragt, das Abschlusskonzert zu gestalten, muss sich auf eine megalomane Materialschlacht gefasst machen, auf kolossale Verstärkeranlagen und gigantische Lautsprecherboxen. Dieser üppige Brei aus knalligen Licht- und Soundeffekten sah dem luxemburgischen ESC-Vorentscheid zum Verwechseln ähnlich. Nur der hochfavorisierte Top-Kandidat Guillaume versagte prompt auf der Bühne wegen artistischer Fahrlässigkeit: Seine kurze und wahrhaft simple Dankesbotschaft las er wie ein absoluter Anfänger vom Blatt herunter. Es konnte wohl kein Zufall sein, dass die riesige Rundbühne auf dem Glacis an einen stilisierten halluzinogenen Pilz erinnerte. Die Betäubungssymptome im Publikum waren jedenfalls beträchtlich: ein ganzer Rummelplatz im Rauschzustand. Richtig ernüchternd wirkte allerdings die als Sensation angekündigte Drohnenshow. Ein Bündel trister Glimmfunzeln fügte sich am Nachthimmel zu Emblemen der höfischen Macht. Sieht so ein festlicher Höhepunkt aus? Oder handelte es sich um einen Scherz? Die Monarchie als schwaches Irrlicht hoch über einem nachtschwarzen Friedhof? Das hätte eine schöne sarkastische Pointe sein können. Doch leider war dieser völlig ironiefreie „Trounwiessel“ nur ein Lehrstück über Unmündigkeit und Verführbarkeit.
Bravo Herr Rewenig
Sie stehen nicht alleine. Aber der Luxusbürger liebt die Show, Disneyland, Europapark, Traumwelt eben.
Einst las ich einen Satz von einem devoten Bürger an die Adresse des Schlossherrn:" Merci fir alles wat dir fir eis gemach hutt!"
Was bitte soll das gewesen sein, in den letzten 100 Jahren und dacor?