In einem ganzseitigen Artikel im Tageblatt vom 6. Januar mit dem Titel „Die Zwei-drei-Klassen-Gesellschaft“ schürte CM ungewollt brutalen Futterneid in einer der schwierigsten Sozialmaterie „Renten und Pensionen“. Selbst für mich mit meiner langjährigen Erfahrung können Vergleiche zwischen ausgewählten Daten aus verschiedenen Statistiken zu falschen Schlüssen führen! Allzu schnell werden dann Vergleiche zwischen Äpfel und Birnen hergestellt und das Malheur (Fehlinformation) ist nicht mehr gutzumachen!

In diesem Beitrag versuche ich die ganze Problematik in etwa zu entmystifizieren und zu entpolitisieren!
Voraussetzung hierfür ist die Akzeptanz einiger Fakten. So zum Beispiel:
1) dass der mathematische Durchschnitt zwischen der niedrigsten Rente und der höchsten Rente immer nur die Mittelzahl (moyenne) zwischen diesen beiden Extremen ergibt. Die so ermittelte „moyenne“ bleibt unberührt, ja unverändert, wenn 80, ja selbst 99% aller Renten nahe am Höchstwert angesiedelt sind.
Dasselbe gilt in umgekehrter Richtung, wenn 80, ja selbst 99% aller Renten nahe am Niedrigwert angesiedelt sind.
2) dass jede Rente immer nur das Spiegelbild der beruflichen Laufbahn eines Arbeitnehmers („salarié“) ist, d.h. die Summe der Löhne, Gehälter und Prämien, auf die Beiträge für die Pensionsversicherung abgeführt wurden.
Im „régime général“, das bis zum 31. Dezember 1998 exklusiv für den Privatsektor angedacht war, sind alle Lohn- und Gehaltsempfänger gegen Alter und Invalidität versichert, die von ihrem bzw. ihren jeweiligen Arbeitgeber für mindestens 64 Stunden im Monat beim CASS („Centre d’affiliation de la Sécurité nationale“) gemeldet sind.
Schon ab hier fängt jedweder Vergleich mit den Vollbeschäftigten mit 173 Stunden im Monat (40 Stunden pro Woche) an, problematisch zu werden!
Die erstgenannten Salariés, von denen über 60% Frauen sind, die dann´auch noch keine vollständige Versicherungskarriere aufbringen können, sind dann auch in sehr hoher Zahl die Niedrigrentenbezieher.
Dass ein Mindestlohnbezieher nach 40 versicherten Dienstjahren 5/6 seines Endgehaltes (den um 10% erhöhten Mindestlohn) als Rente erhält, ist für ihn kein Trost! Denn mit 2.418 Euro brutto liegt diese Rente knapp über der gesetzlich festgelegten Mindestrente von 2.293,55 Euro.
Auch dieser Rentner profitiert von einer dynamischen Rente, d.h. ohne zusätzliche Beiträge von einer regelmäßigen und automatischen Anpassung an die allgemeine Lohnentwicklung durch den an jedem 1. Januar neu festgelegten „facteur d’ajustement“ sowie von den gesetzlichen Indexanpassungen.
„Régime général“
3) dass ab dem 1. Januar 1999 das in der Zeit und, wie es scheint, auch noch heute viel beneidete exklusive Sonderregime mit der 5/6-Alterspension für die öffentlichen Bediensteten, lies Staatsfunktionäre, Gemeindefunktionäre und statutarische Eisenbahnagenten, Vergangenheit ist.
Das heißt, dass die Pensionen für die nach diesem Stichdatum eingestellten Funktionäre und statutarische CFL-Agenten nach 40 Dienstjahren gemäß dem für alle andere Arbeitnehmer („salariés“) geltenden „régime général“ des Privatsektors berechnet werden.
4) dass hierbei nur eine Ausnahme gilt, und zwar für die Funktionäre aus der „carrière supérieure“, also die Spitzenbeamten, die sich nach einem vollen Universitätsstudium in den Dienst des Landes und seiner Bürger gestellt haben und sich nicht an der Jagd nach Spitzengehältern in der Privatwirtschaft beteiligen wollten. Sicherlich waren sie auch bei ihrem Eintritt in den Staatsdienst nicht an einer 5/6-Pension im Alter von 65 Jahren interessiert.
Es sind dies vorrangig die Verwaltungsdirektoren, die Regierungsräte, die Kontrollärzte, die Richter, die Staatsanwälte, die Schuldirektoren, die Professoren, die Juristen, die Architekten, die Bauingenieure und die Spezialisten mit Master- bzw. Doktortitel. Sie stellen zurzeit mehr als die Hälfte der 21.400 Staatsfunktionäre dar.
Für sie gilt keine Beitragsdecke („plafond“), sodass ihnen auch in Zukunft nach 40 Dienstjahren eine Pension über 10.000 Euro zusteht.
Somit liegt hier bei jedem unnuancierten Vergleich mit einer statistischer „moyenne“ per se ein gravierender methodischer Fehler zu Ungunsten der Arbeitnehmer im Privatsektor vor.
5) dass auch im Privatsektor die Akademiker und Hochschulabsolventen zu den Spitzenverdienern gehören, wenn auch die Anzahl dieser Salariés, außer in den Banken, den Versicherungsgesellschaften und bei ArcelorMittal, eher klein ist, weil die meisten von ihnen als Selbstständige („indépendant“) aktiv sind.
Die realen Einkommen der Letztgenannten, die auch bei der CNAP („Caisse nationale de l’Assurance pension“) im „régime général“ versichert sind, werden auf ewig geheim bleiben, da sie nur bis zu einer Beitragsdecke (Plafond) von 5-mal den gesetzlich festgelegten sozialen Mindestlohn kotisieren, was jeden Vergleich im Vorfeld schon ad absurdum führt.
Auch wie viele von den Salarié-Spitzenverdienern beim Eintritt in die Alterspension von einer von ihrem Arbeitgeber finanzierten oder mitfinanzierten Zusatzpensionsversicherung profitieren oder von ihrem früheren Arbeitgeber eine vertraglich abgesicherte Abfindung (golden handcheck) bzw. Anteile am Gesellschaftskapital in Form von Aktien oder Beteiligungszertifikate erhalten, wird für immer ein gut behütetes Geheimnis bleiben.
Was im Sport, der Kultur und der Freizeitbranche so läuft, will ich hier nur „pour mémoire“ andeuten.
Wer jetzt noch neidisch über die erhöhten Pensionen unserer Spitzenfunktionäre beim Staat ist, die unser Land so nötig hat, ist realitätsfremd und sollte mal über seinen Tellerrand gucken. Vielleicht befriedigt es ihn, wenn er weiß, dass diese Männer und Frauen, die normalerweise erst ab 65 Jahren in Pension treten können, die besten Steuerzahler mit 2.350 bis 3.660 Euro pro Monat (je nach Steuerklasse 2 oder 1a) sowie die besten Beitragszahler in die Krankenkasse, die Pflegeversicherung und den „Fonds de l’emploi“ sind.
Streikaktionen von 1998
6) dass die Mähr, dass jeder Staatsfunktionär, Gemeindefunktionär und statutarischer CFL-Agent, der vor dem 1. Januar 1999 eine feste Einstellung im öffentlichen Dienst hatte, nach einer 40-jährigen Dienstzeit ganze 5/6 seines letzten Gehaltes als Pension erhält, spätestens bei der Einführung eines halben und später eines ganzen 13. Monatslohnes im öffentlichen Dienst endete, da diese Zulage als nicht pensionsberechtigt erklärt wurde.
Auch sind diese Pensionsempfänger von der im „régime général“ vorgesehenen „Allocation de fin d’année“ (960 Euro bei 40 Versicherungsjahren) ausgeschlossen!
7) dass die Gehaltsempfänger, die vor dem 1. Januar 1999 im Funktionärsstatut beim Staat angestellt waren (Dasselbe gilt für die Gemeindefunktionäre und die statutarischen CFL-Agenten), weiterhin in einem Übergangsregime im Besitz ihrer erworbenen Rechte („droits acquis“) bleiben, hätte eigentlich normal sein müssen !
„Pacta sunt servanda!“
Dem war aber nicht so im 1. Gesetzesprojekt der damaligen CSV-LSAP-Regierung!
Deshalb riefen die beiden Eisenbahnergewerkschaften, Landesverband und Syprolux, am 18. und 19. Januar 1998 zu einem 48-stündigen Streik bei der Bahn auf. Dieser Streik verlief erfolgreich und das entsprechende Gesetzesprojekt wurde in unserem Sinne verbessert!
Da die Regierung weiterhin an der Abschaffung des öffentlichen Pensionsregimes festhielt, riefen die vorgenannten Gewerkschaften zusammen mit der CGFP und FGFC zu einer weiteren Streikaktion über 24 Stunden, verbunden mit einer Großdemonstration auf dem „Knuedler“, am 21. Juni 1998 auf.
Doch dieser letzte Aufruf der Gewerkschaften im öffentlichen Dienst wurde von den Abgeordneten der Mehrheit ignoriert, die noch am selben Tag im Rathaus der Stadt Luxemburg die Abschaffung des einheitlichen Pensionssystems für den öffentlichen Dienst votierten.
De Maart
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