Samstag8. November 2025

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Keine Nischenkultur in Niederanven – Nora Waringo über den einsamen Start und andauernden Erfolg

Keine Nischenkultur in Niederanven – Nora Waringo über den einsamen Start und andauernden Erfolg

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Zum zehnjährigen Bestehen lädt das Kulturhaus Niederanven (KHN) heute zur Vernissage ihrer Ausstellung „Coïncidences“ und morgen zum Open-Air-Fest mit André Mergenthaler. Das Tageblatt hat sich im Vorfeld mit der Leiterin Nora Waringo über die Möglichkeiten und Grenzen, aber auch über die Vorteile von regionalen Kulturzentren unterhalten. 

Von Tom Haas

Tageblatt: Wie sieht Ihre Bilanz zum zehnjährigen Jubiläum aus?

Nora Waringo: Ich habe das Haus eröffnet – damals noch ganz alleine. Ich hatte das große Glück, Professionelle aus dem Kulturbereich zu kennen, die mir Ratschläge gegeben haben. Ich hatte viele Menschen, die mir geholfen haben. Und ich hatte immer einen guten Verwaltungsrat, der mir Freiraum gelassen hat. Am Anfang ist man immer naiv – man kommt von der Uni und denkt, man weiß alles. Es war harte Arbeit, aber inzwischen wird das Haus gut angenommen. Das Schwierigste ist es immer, die Gemeinde selbst zu überzeugen. So eine Gemeinde hat eine Kultur, auch ohne Kulturzentrum – es gibt eine Musikkapelle, ein Chor, eine Theatergruppe – und dann kommt da plötzlich eine professionelle Struktur. Ich glaube, das macht den Leuten anfangs etwas Angst. Da braucht man dann Fingerspitzengefühl.

Das Programm ist sehr workshoplastig – ist das eine Nische, die Sie für das KHN auserkoren haben?

Ich wehre mich ja immer gegen den Begriff der „Nische“. Ganz ursprünglich war der Ort hier für Workshops gedacht – wir haben zwei wunderschöne Säle hier. Davon ist inzwischen leider einer zum Lager umfunktioniert worden. Wir haben anfangs viele Workshops angeboten, das war zu der Zeit, als die Do-it-Yourself-Bewegung aufkam. Die Öffentlichkeit glaubt immer, man würde einen unglaublichen intellektuellen Aufwand ins Programm stecken. Das stimmt auch zum Teil – aber beispielsweise habe ich auch mal einen Nähkurs gesucht und keinen gefunden. Und dann fragt man sich: Wieso eigentlich nicht? Dann haben wir angefangen, Workshops für Kinder anzubieten – daraus wurden schließlich Doppelworkshops, ein Kind und ein Erwachsener. Ich bin keine Verfechterin davon, die Kinder von morgens bis abends in Betreuungsangeboten zu parken. Und es gibt auch seitens der Eltern den Wunsch, Zeit mit ihren Kindern zu verbringen – da bietet das Konzept sich an. Die Eltern kommen dann auch mal abends zu den Konzerten. So entwickelt sich eine Eigendynamik.

Nutzt die lokale Jugend Ihre Angebote?

Wir arbeiten mit der Schule, mit der Musikschule und mit dem Jugendhaus vor Ort zusammen. Es ist immer schwierig, Jugendliche für das Programm eines Kulturzentrums zu begeistern. Wir haben den Poetry Slam, der ist immer großartig besucht. Dann haben wir auch Filmworkshops, mit denen wir gezielt Jugendliche ködern. Aber man darf das auch nicht so eng sehen – ich bin als Jugendliche auch nicht in die Kultur gegangen.

Im Gegensatz zu anderen regionalen Kulturzentren des Landes ist das KHN sehr nahe an der Stadt Luxemburg, die ja doch der kulturelle Knotenpunkt des Landes ist. Wie wirkt sich das auf Ihr Programm und Ihr Publikum aus?

Nicht negativ, wenn Sie das denken (schmunzelt). Ich sehe das ganz entspannt, dieses ständige Konkurrenzdenken ist überflüssig. Ich glaube aber, nach der Aufregung um die Philharmonie hat sich das in der Kulturszene insgesamt etwas beruhigt. Wir haben ja auch nur 150 Plätze zu besetzen, wir brauchen weniger Gäste als andere Häuser. Aber ich denke, wir profitieren letztlich von der Nähe zur Stadt. Die Leute hier sind es eher gewohnt, Kulturveranstaltungen zu besuchen. Klar wir organisieren weniger klassische Konzerte. Logischerweise setzt ein Freund der Klassik sich lieber in die Philharmonie in den bequemen Sessel, als zu uns auf die harten Stühle (lacht). Wobei wir da inzwischen auch bequemere Sitzgelegenheiten haben. Wir machen aber auch viele Koproduktionen mit den Theatern der Stadt.

Viele Ihrer Theaterproduktionen wurden in den freien, städtischen Theatern in der vorigen Saison aufgeführt. Gibt es da noch einen Andrang?

Das ist nicht ganz richtig – man muss zwischen unseren Koproduktionen und den Tourneen unterscheiden. Normalerweise laufen die Stücke, die wir mitproduzieren, schon in der gleichen Saison. Manchmal haben wir sie direkt im Anschluss in Niederanven, manchmal lassen wir einen zeitlichen Spielraum dazwischen. Bei Tourneen ist es anders – da werden durchaus schon mal Stücke aus der vorherigen Spielzeit aufgeführt.

Da wir mit den städtischen Theatern auch gemeinsam die Werbung organisieren, sehen die Leute uns auch in den Programmbroschüren. Und Niederanven hat als Gegensatz zur Stadt auch seinen eigenen Reiz. Wenn man ein gutes Restaurant hat, geht man dorthin zurück, auch aus Gewohnheit – man weiß, wo man parken kann, wo das Klo ist und was auf der Karte steht. Und man kennt natürlich die anderen Gäste.

Was sind Ihre Pläne für die Zukunft des KHN?

Wir haben jetzt erst mal unser Fest zum 10. Jubiläum. Und wenn es so weiterläuft wie jetzt, sind wir eigentlich ganz zufrieden. Ich persönlich würde gerne unser Kinder- und Jugendprogramm durch Koproduktionen weiter ausbauen. Aber da gibt es auch nicht so viele Möglichkeiten in Luxemburg.

Wir probieren viele Dinge aus, aber wir wollen auch unserem Publikum eine Stimme geben und offen für die Vorschläge von Künstlern sein.

HeWhoCannotBeNamed
23. September 2018 - 10.10

"(...) zu der Zeit, als die Do-it-Yourself-Bewegung aufkam" - vor 10 Jahren??
DIY in der Luxemburger Kulturwelt ist um einiges älter...