Dienstag21. Oktober 2025

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Jonk Sozialisten„Keine Kopfnicker“: Die Doppelspitze aus Danielle Filbig und Max Molitor im Interview

Jonk Sozialisten / „Keine Kopfnicker“: Die Doppelspitze aus Danielle Filbig und Max Molitor im Interview
Max Molitor und Danielle Filbig im Gespräch Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Für die LSAP war es nach fast zwei Jahrzehnten in der Regierung ungewohnt, nach den Chamber-Wahlen 2023 wieder auf der Oppositionsbank zu sitzen. Für ihre Jugendorganisation, die „Jonk Sozialisten“ (JSL), ist es hingegen nicht ungewohnt, die Mutterpartei zu kritisieren. So sehen es deren Co-Präsidentin Danielle Filbig und Co-Präsident Max Molitor. 

Wir sind in der Parteizentrale der LSAP. Wie ist denn die momentane Gefühlslage der „Jonk Sozialisten“ im Verhältnis zur Mutterpartei?

Danielle Filbig: Mit der Entscheidung, dass einer der Spitzenkandidaten bei den Europawahlen 2024 im Juso-Alter sein sollte, konnten wir ganz zufrieden sein. Das motivierte. Gerade wenn man mit der Politik anfängt und als junger Mensch in eine Partei kommt, ist es am Anfang noch sehr ungewohnt, wenn man es mit bekannten Größen aus der Partei zu tun hat. Das hängt natürlich davon ab, ob man in einer Sektion aktiv ist oder sich bei den Jusos engagiert.

Nach den Parlamentswahlen 2023 fand sich die LSAP nach 19 Jahren wieder in der Opposition wieder. Musste sich die Partei in dieser vor allem für die jungen Mitglieder neuen Situation erst zurechtfinden?

Max Molitor: Es war nicht so evident, dass wir nach so langer Zeit in der Regierung von einem Moment auf den anderen die größte Oppositionspartei waren. Nichtsdestotrotz darf die Selbstfindungsphase nicht zu lange dauern. Der größte Fehler wäre, sich zu lange nur mit sich selbst zu beschäftigten, als diese neue Rolle zu übernehmen.

D.F.: Es ist aber auch natürlich, dass man sich zuerst finden muss. Am Anfang war es sicherlich ungewohnt. In der Opposition ist es eben anders als in der Regierung. Dabei kommen nicht nur Fragen auf, wofür wir eigentlich stehen, sondern wie wir in der Opposition attraktiv sein können, ohne dass es später heißt, wir würden nur kritisieren. Es geht darum, saubere Oppositionsarbeit zu leisten.

Wie das Tageblatt schrieb, geht es aber nicht nur harmonisch zu. Demnach gibt es einige Schwierigkeiten, sich in der Opposition zurechtzufinden. Vor allem gibt es Zweifel an der Führungsstärke von Fraktionspräsidentin Taina Bofferding. Hat sich die LSAP in der Opposition bisher zu sehr zurückgehalten, so wie etwa beim gemeinsamen Auftreten mit „déi gréng“ und „déi Lénk“ gegen das Bettelverbot?

M.M.: Aus der Sicht der Jugendpartei hatten wir durchaus unsere Aktionen. So sind wir auch als Organisatoren der Demo vom 28. Juni aufgetreten. Wir hatten zugegebenermaßen den Eindruck, dass die LSAP vielleicht nicht so aufgetreten ist, wie sie es eigentlich wollte. Aber wie Sie schon sagten, kamen wir aus der Regierung und hatten zuvor auch noch das Ministerium, um das es beim Bettelverbot ging, inne.

D.F.: Als Jugendpartei sind wir schneller, um mit einem Kommuniqué auf etwas zu antworten. Andererseits, wir sitzen nicht in der Chamber. Wofür wir stehen, geben wir in Form eines Kommuniqués nach außen.

Uns als Jusos fehlt es manchmal daran, dass die LSAP (…) sich als klarer Gegenpol zu der Regierungspolitik positioniert, um zu zeigen, dass sie die einzig richtige Alternative ist

Max Molitor

Hatten Sie nicht den Eindruck, dass von Ihrer Partei in der Opposition bisher zu wenig kam?

M.M.: Die Themen, die von der Regierung angestoßen wurden, waren frontale Angriffe auf unsere zentralen Werte. Das reicht vom Bettelverbot über das Arbeitsrecht bis hin zur Pensionsreform. Das sind unsere Kernthemen. Uns als Jusos fehlt es manchmal daran, dass die LSAP dies zum Ausdruck bringt und sich als klarer Gegenpol zu der Regierungspolitik positioniert, um zu zeigen, dass sie die einzig richtige Alternative ist. Gerade in einer Zeit, in der man sieht, dass viele Menschen gegen die Politik der Regierung auf die Straße gehen, um zu demonstrieren. Schließlich besetzen wir diese Themen schon ewig und haben für diese Rechte gekämpft. 

D.F.: Nur liegt es bei der anderen Seite im Trend, zu sagen, dass wir vorher in der Regierung, damit in der Verantwortung waren und nichts gemacht hätten.

Wie üben Sie Druck auf Ihre Mutterpartei aus?

M.M.: Zunächst mal sei gesagt, dass wir unabhängig von ihr handeln können. So haben wir zum Thema Wehrdienst klar unsere Meinung gesagt, und auch bei dem Fünf-Prozent-Ziel der NATO haben wir klar und deutlich gemacht, dass wir dagegen sind, während wir in puncto Gaza relativ auf einer Linie sind. Auch in Sachen Pensionsreform haben wir Dinge gefordert, die in der Mutterpartei vielleicht nicht jeder so in der Form nach außen getragen hätte.

Wenn man bedenkt, dass diese für den Ist-Zustand mitverantwortlich ist. Die letzte Rentenreform war 2012 unter dem damaligen Minister Mars Di Bartolomeo.

D.F.: Das können wir auch nicht abstreiten. Die großen Parteien sind dafür verantwortlich, dass es so gekommen ist, wie es heute ist. Wir haben bei der Pensionsreform immer den Fokus daraufgelegt, dass sie generationengerecht ist. Man kann sie auch nicht einfach durchboxen, sondern es müssen alle Seiten miteinbezogen und sie muss zumindest von allen großen Parteien in einem „commun arccord“ beschlossen werden.

Die Hauptbetroffenen der Rentenreform sind die junge Generation von heute und künftige Generationen.

M.M.: Die Zukunftsperspektiven der Jugend sind sowieso nicht besonders rosig. Hinzu kommt, dass die Wirtschaft und der Arbeitsmarkt momentan nicht so gut laufen. Aber auch der Klimawandel. Und dann noch die Pensionen, wo es aussieht, als müssten vor allem die Jungen das alles tragen.

D.F.: Die Jugend von heute macht sich viele Sorgen. Das bekomme ich auch in den Lyzeen zu hören.

Auf Wunsch einiger Sozialisten soll Ex-Minister und EU-Kommissar Nicolas Schmit reaktiviert sein. Kann das im Sinne der Jusos sein?

D.F.: Nein, wir haben so viele junge, progressive Köpfe, die dabei sind, sich politisch zu entfalten. Wir sollten auf diesen aufbauen und nicht auf einen, der sicherlich kompetent ist und seine Verdienste hat. Aber die Leute wollen neue Köpfe sehen.

M.M.: Wenn wir mehr Kompetenz in der Diskussion suchen, ist ein Pensionär nicht automatisch der richtige Weg. Das würde draußen nicht gut angekommen.

D.F.: Gut, die CSV hat auch Luc Frieden wiedergeholt, um Wählerstimmen zu gewinnen und den Weg zurück in die Regierung zu ebnen. Aber man kann nicht sagen, dass es den großen Stimmenunterschied gebracht hat. Es ist zwar immer gut, dass man erfahrene Leute in den eigenen Reihen hat, aber letztendlich ist es nicht immer die richtige Lösung.

Gibt es eine Zusammenarbeit mit den Jugendorganisationen der beiden anderen Oppositionsparteien aus dem linken Spektrum? Siehe gegen das Bettelverbot und die Demo im Januar 2024.

D.F.: In diesem Bereich schon. Aber um mit „déi jonk Lénk“ darüber hinaus zusammenzuarbeiten, sind wir ihnen wahrscheinlich nicht links genug. Ein gutes Beispiel war Palästina …

M.M.: … wozu wir ein gemeinsames Kommuniqué machten. Wir wollten eigentlich zu fünft unterschreiben. Schließlich ist das gescheitert, sodass wir nur zu viert unterschrieben haben, weil „déi Lénk“ darauf bestand, das Vorgehen Israels als Genozid zu bezeichnen. Natürlich handelt es sich um die beiden Partner, mit denen es sich am einfachsten zusammenarbeiten lässt, weil die Mutterparteien auch in der Opposition sind und ideologische Ähnlichkeiten bestehen.

Die Welt verändert sich, auch die Arbeitswelt. Wir müssen mit diesem Wandel mitgehen und schauen, was die Probleme von heute sind

Danielle Filbig

Ist die LSAP heute noch eine linke Partei? Und eine Arbeiterpartei?

M.M.: Es ist eine Partei der Arbeit, weniger die des klassischen Arbeiters. Wenn man die Attacken der Regierung betrachtet, sind vor allem die arbeitenden Menschen von diesen Angriffen betroffen. Wir sehen uns in der Rolle, die Interessen dieser als linke Kraft zu vertreten. Es kann also nicht sein, jetzt weniger energisch zu sein, um später vielleicht in die Regierung zu kommen. Wären wir nur eine Art von rosa DP, dann würden die Wähler eher das Original wählen.

D.F.: Wir können auch nicht eine Partei der Kopfnicker sein, um auf die Regierungsbeteiligung zu hoffen. Die Welt verändert sich, auch die Arbeitswelt. Wir müssen mit diesem Wandel mitgehen und schauen, was die Probleme von heute sind.

M.M.: Es kommt darauf an, dass die LSAP die nächsten drei Jahre bis zur Wahl nutzt, um zu zeigen, dass sie die Partei ist, die die Sorgen der arbeitenden Bevölkerung ernst nimmt, und sich daher als Alternative zeigt.

Zwar hat die LSAP bei den Chamber-Wahlen 2023 den Verlust an Mandaten und Wählerstimmenanteil gestoppt. Was aber braucht sie, um eine richtige Trendwende zu schaffen und zur alten Stärke zurückzufinden?

M.M.: Eine sowohl inhaltliche als auch personelle Neuaufstellung.

D.F.: Das hängt auch von den jeweiligen Bezirken ab. Im Norden etwa hat die LSAP einen schweren Stand. Das habe ich bei den letzten Wahlen gemerkt. Schon beim Thema 38-Stunden-Woche bekam man immer Contra. Im Süden sieht das ganz anders aus, was geschichtlich bedingt ist. Man muss allerdings auch manchmal ein Risiko eingehen.

M.M.: Dadurch kann man Mut beweisen, um glaubwürdig zu sein.

D.F.: Und dadurch zeigt man Rückgrat. Schlussendlich kann es immer sein, dass man jemandem auf die Füße tritt. 

Zu den Personen

Danielle Filbig und Max Molitor bilden die aktuelle Doppelspitze der LSAP-Jugendorganisation (JSL). Die 27-jährige Filbig, die in Brüssel Politikwissenschaft studierte und nebenbei als freie Mitarbeiterin für RTL arbeitete, trat im vergangenen Jahr als Co-Spitzenkandidatin von Marc Angel für die Sozialisten bei den Europawahlen an. Zudem ist sie im Gemeinderat von Rambruch. Der 28-jährige Molitor, Sohn des Journalisten Maurice Molitor, hat Ökonomie in München studiert und ist seit diesem Jahr Zweiter Schöffe in seiner Heimatgemeinde Kehlen. Beide entschieden sich ihrer Meinung nach relativ spät dafür, in die Politik zu gehen.