Mittwoch5. November 2025

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LCGB-KongressKein Zurück mehr: Ein wiedergewählter Patrick Dury macht Stimmung für Gewerkschaftsfront

LCGB-Kongress / Kein Zurück mehr: Ein wiedergewählter Patrick Dury macht Stimmung für Gewerkschaftsfront
Wird ohne Gegenkandidat und Gegenstimme wiedergewählt: der neue alte LCGB-Präsident Patrick Dury Foto: Editpress/Julien Garroy

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Beim 61. Nationalkongress des LCGB schwört der wiedergewählte Präsident Patrick Dury die Delegierten auf eine gemeinsame Gewerkschaftsfront mit dem OGBL ein und feuert rhetorische Salven in Richtung Premier Frieden und Arbeitsminister Mischo. Letzterer muss sie persönlich auf der Bühne ertragen.

„Wir haben es mit einer Allianz von Regierung und Patronat zu tun, wie wir sie in diesem Land noch nicht gesehen haben“, ruft Patrick Dury in den voll besetzten Konferenzsaal im Parc Hotel Alvisse. Zwei Stunden zuvor, am Samstagvormittag, haben die 236 Delegierten des 61. Nationalkongresses des LCGB ihn als Gewerkschaftspräsident bestätigt. Eine Wahl ohne Gegenkandidaten. Nun macht Dury Stimmung: Es sei eine „absolute Notwendigkeit, quasi schon eine Verpflichtung“ mit den Kollegen vom OGBL gemeinsam für die Rechte der Arbeitnehmer einzutreten. Eine Verpflichtung nicht nur gegenüber den Errungenschaften vergangener Generationen von Gewerkschaftern, sondern auch gegenüber zukünftigen Generationen. Dury wird lauter, hebt den Finger: „Jeder hier im Land weiß, der LCGB ist bereit mit den Kollegen vom OGBL in unserer gemeinsamen Gewerkschaftsfront bis zum Äußersten zu gehen.“ Applaus und Jubel. Die Lautsprecher ächzen. „Mit uns gibt es kein Zurück!“ Der Generalstreik, er steht noch immer im Raum.

Das Luxemburger Gewerkschaftswesen erlebt dieser Tage einige historische Momente. Einer davon ist die Dringlichkeitsresolution für eine gemeinsame Gewerkschaftsfront von OGBL und LCGB, die der Kongress an diesem Samstag verabschiedet. Vor der Abstimmung stimmt Dury die Delegierten auf die Bedeutung dieses Moments ein. „Es gibt keine Alternative zu dieser Resolution“, sagt der Präsident. Entweder man gehe gemeinsam in den Kampf oder man bekomme Probleme. In der ersten Reihe vor dem Rednerpult sitzt Nora Back, OGBL-Präsidentin und besondere Gästin an diesem Tag. Dury begrüßt sie herzlich. Kurze Zeit später wird die Resolution einstimmig angenommen. Applaus, ein kleiner Jauchzer aus dem Publikum.

Mit der Resolution für eine „gemeinsame Gewerkschaftsfront“ bündeln LCGB und OGBL nun auch ganz offiziell, von den Mitgliedern abgesegnet, ihre Kräfte. Dabei soll es vor allem um die Dossiers Kollektivverträge, Renten- und Krankenversicherung, Grenzgänger, Arbeitszeit und Öffnungszeiten sowie Versammlungsrecht und Steuerwesen gehen. Also: alle wichtigen politischen Projekte, an denen die Regierung Frieden in diesem und im kommenden Jahr arbeitet. Der Name Gewerkschaftsfront ist verdient. Nun müssen nur noch die OGBL-Delegierten bei ihrem Kongress am 28. und 29. März zustimmen.

„Soziale Apartheid“ in Luxemburg

Zu Beginn seiner Rede blickt Dury auf seine bereits 14 Jahre währende Präsidentschaft zurück. Man habe beim LCGB in dieser Zeit eine gesunde Distanz zur Parteipolitik gefunden, es gebe keine Vermischung von politischen und gewerkschaftlichen Mandaten mehr. „Der LCGB hat sich seine Glaubwürdigkeit erarbeitet“, sagt Dury. Man sei heute so stark wie noch nie zuvor. Dem gegenüber steht eine Regierung, die – so Dury – gerade einen „Paradigmenwechsel“ vollzogen habe. Eine Regierung, deren Vorstellung vom Sozialdialog beruhe darauf, zu „konsultieren“ und dann „alleine zu entscheiden“. Für Dury ist das der klare Beweis, dass Premier Frieden und sein Arbeitsminister Mischo „nichts mehr mit den Gewerkschaften zu tun haben“ wollen. Sie hätten „jeden Bezug zur Realität verloren“, sich vollends auf die Seite des Patronats geschlagen. Der Plan, so Dury, sei klar: Gewerkschaften aushebeln und ausgrenzen, um dann Arbeitszeiten zu flexibilisieren, Löhne in Frage zu stellen und Renten herabzusetzen. „Der Premier und sein Arbeitsminister zerstören die soziale Kohäsion im Land und sie machen das mit Absicht“, sagt der LCGB-Präsident.

Auch in der Pensionsdebatte würden die Gewerkschaften aus der Diskussion herausgedrängt, so Dury. Die von Ministerin Deprez lancierte Dialogplattform „Schwätz matt“ nennt er eine „Façade à la Potemkin“. Während seiner Rede wiederholt Dury auch seinen Vorwurf der „sozialen Apartheid“, die bereits eine Realität in Luxemburg sei. Mehrere Beiträge drehen sich an diesem Vormittag um die Ungleichheit und Ungerechtigkeit im Land. Zwischen luxemburgischen Einwohnern und Grenzgängern. Zwischen Staatsbediensteten und der Privatwirtschaft. Ohne große Diskussionen habe die Regierung ein Gehälterabkommen mit der CGFP abgeschlossen, sagt Dury, während man im Privatsektor auf Frontalkollisionskurs mit den Gewerkschaften sei.

Für den LCGB-Präsidenten stecken dahinter wahltaktische Überlegungen. Die Regierung gebe sich „sozial und engagiert“ für die Wähler im öffentlichen Dienst und zeige sich „kalt und wirtschaftsliberal“ gegenüber dem Privatsektor, wo viele Angestellte gar kein Wahlrecht in Luxemburg besitzen. Dury stellt in seiner Rede auch die Zusammensetzung des Parlaments in Frage. Die Chamber werde nur von einer Minderheit der Einwohner gewählt, sie sei deshalb nicht repräsentativ für die Gesellschaft. „Um den Privatsektor politisch zu stärken, brauchen wir ein Wahlrecht für alle Einwohner in diesem Land“, sagt Dury.

Versöhnliche Töne der Minister

Von rhetorischer Abrüstung ist an diesem Samstag seitens der Gewerkschaften nichts zu spüren. Im Gegenteil. Patrick Dury schwört seine Delegierten in gekonnter Laut-Leise-Dynamik auf den gemeinsamen Kampf mit dem OGBL ein. Für die versöhnlichen Töne sind an diesem Tag ausschließlich die politischen Gäste zuständig. Gleich drei Minister beehren den Nationalkongress des LCGB mit ihrer Anwesenheit. Doch nur Vizepremier Xavier Bettel (DP) bekommt Applaus, als er vom Kongresspräsidenten beim Betreten des Saales begrüßt wird.

Kühler Empfang für Arbeitsminister Georges Mischo (CSV) auf dem Kongress des LCGB
Kühler Empfang für Arbeitsminister Georges Mischo (CSV) auf dem Kongress des LCGB Foto: Editpress/Julien Garroy

Sein Parteikollege, Wirtschaftsminister Lex Delles, gibt in seiner kurzen Rede zu, sich heute Morgen gefragt zu haben: „Was wird das hier?“ Sein Gesetz zur Flexibilisierung der Öffnungszeiten ist eine der großen Streitfragen des Tages. Auf der Bühne des Parc Hotel Alvisse versucht Delles sich zu erklären. Er habe mit dem Gesetz versucht, „die Quadratur des Kreises“ hinzubekommen und alle zufriedenzustellen. Auch Bettel betont die Balance, die es zwischen Arbeitnehmern und Unternehmen zu finden gelte. Worin sich alle einig sind an diesem Tag: die Bedeutung des Sozialdialogs. Ausländische Unternehmen kämen nicht wegen des schönen Wetters nach Luxemburg, sagt Delles, sondern wegen der „sozialen Ruhe“. Dafür bekommt der Wirtschaftsminister einmal Zwischenapplaus von den Delegierten.

Kühler Empfang

Deutlich kühler begegnen die Gewerkschafter Arbeitsminister Georges Mischo (CSV), der sich wenig später Durys Tiraden auf dem Podium sitzend über sich ergehen lassen muss. Im Parc Hotel wiederholt Mischo einmal mehr, dass seine Tür immer offenstehe, er war und sei immer gesprächsbereit. Es sei ihm persönlich wichtig, heute hier zu sein. „Unsere Stärke liegt nicht in der Spaltung“, sagt Mischo, „sondern darin, gemeinsam nach vorne zu gehen.“ Er wolle, das versichert der Arbeitsminister am Ende seiner Rede, keine Gewerkschaft plattmachen oder abschaffen, „schon gar nicht die, in der ich seit Jahren Mitglied bin.“

Es gibt wenig Neues an diesem Tag zu hören, weder von der Politik, noch von den Gewerkschaften. Es gibt aber auch keine Anzeichen von Müdigkeit oder Aufweichen der Widerstände. Im Gegenteil. Der LCGB steht geschlossen hinter seinem Präsident Patrick Dury und der hinter der gemeinsamen Gewerkschaftsfront mit dem OGBL. Bei der Präsentation der Front vor einigen Tagen hatte Dury davon gesprochen, dass die „informelle Zusammenarbeit in Zukunft eventuell anders strukturiert“ werden könnte. Im Tageblatt-Interview darauf angesprochen, wie man diese Aussage interpretieren sollte, antwortete Dury: „Ich kann nur sagen: Lasst euch überraschen…“

Zum aktuellen Zeitpunkt über eine Einheitsgewerkschaft zu spekulieren, ist müßig. Aber Durys letzte Worte an diesem Samstag sollte man sich in einigen Monaten noch einmal vorknöpfen: „Veränderung, Adaption, Mutation, Restrukturierung und Konsolidierung sind für uns weder Fremdwörter, noch machen sie uns Angst.“