Von unserer
Korrespondentin
Martine Reuter, Cannes
Man kann davon ausgehen, dass auch die Jury in einem ähnlichen Dilemma steckt. Doch noch immer besteht Hoffnung auf einen durch und durch beeindruckenden Film, und wir werden nicht aufgeben, bevor der letzte Wettbewerbsfilm gezeigt wurde.
Nach „Vincere“ im letzten Jahr konnte Italien auch dieses Mal in den Wettbewerb hineinrutschen, dies mit „La nostra vita“ von Daniele Luchetti, der eine quasi perfekte Familienidylle auf die Leinwand bringt. Junge Eltern, zwei Söhne und bald soll ein dritter die Runde komplett machen. Trotz vieler Arbeit findet man Zeit füreinander, man liebt sich, alles scheint perfekt. Doch bei der Geburt stirbt die Mutter und der Vater stellt vieles in Frage.
Politisch eingefärbtes Sozialdrama
Ein weiterer italienischer Film, in dem es wieder einmal um die Familie geht. Einziger Unterschied zu den zahlreichen Produktionen davor: Hier geht es nicht um die Oberschicht oder gut situierte Mittelschicht, sondern um jene, die tatsächlich mittendrin im Leben stehen und wissen, was es bedeutet, hart arbeiten zu müssen. Abgesehen davon vermag Luchetti in seinem Film nichts Neues zu erzählen.
„La nostra vita“ ist eine Wiederholung von dem, was man schon kennt und was man leider schon oft besser gesehen hat.
In vielen Punkten wirkt der Film zerstückelt. Nach einem eher überzeugenden Anfang geht es planlos weiter. Eine Entwicklung der Hauptfigur schien im Drehbuch nicht vorgesehen, und so stellt man sich als Zuschauer recht viele Fragen, die der Film aber nicht beantwortet.
Dies ist umso unverständlicher, da Luchetti mit „Il mio fratello e figlio unico“ bewiesen hatte, dass er sein Handwerk versteht. Dies könnte eine Alibiselektion gewesen sein, immerhin ist der Film unter anderem mit französischen Geldern gedreht worden.
Am gestrigen Morgen stand mit Doug Limans „Fair Game“ der einzige amerikanische Wettbewerbsfilm auf dem Programm. Liman greift die wahre Geschichte der CIA-Agentin Valeria Plame auf.
Beruht auf wahrer Begebenheit
Plame arbeitete vor dem Krieg im Irak im Hintergrund und versuchte Informationen zu den angeblichen Massenvernichtungswaffen zusammenzutragen. Ihr Mann, Ex-Botschafter, recherchierte im Auftrag der „Central Intelligence Agency“ in Afrika und kam zum selben Schluss wie seine Frau: Es gibt keine solchen Waffen im Irak.
Damit hätte es nur wenig bis gar keinen Zweck gehabt, Soldaten in den Krieg zu schicken. Bush aber wollte dies, und so mussten Plame und ihr Mann aus dem Verkehr gezogen werden. Dies tat man, indem man die CIA-Identität von Plame öffentlich machte. Es ist eine wahre Geschichte und die Amerikaner lieben „True Stories“.
Der US-amerikanische Filmemacher Doug Liman konnte Naomi Watts und Sean Penn verpflichten, und beide tragen sicherlich zum positiven Gesamteindruck bei, auch wenn beide nicht in Höchstform sind. Etwas schwer im Magen liegt aber die „Land of the Free, Home of the Brave & God Save America“-Mentalität, die vor allem bei Nicht-Amerikanern nicht so positiv ankommt.
Ansonsten ist „Fair Game“ ein klassischer US-Thriller, der genau das hält, was er verspricht: gute Unterhaltung.
Wir sehen diesen Film kaum auf der offiziellen Liste der Preisträger, es sei denn, Tim Burton ließe sich von patriotischen Gefühlen leiten. Etwas, was wir uns überhaupt nicht vorstellen können!
„Festival de Cannes“
Bis zum 23. Mai
www.festival-cannes.com
De Maart
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können